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# taz.de -- Nach der Wahl in Berlin: Ruf nach der ganz großen Koalition
> In Berlin sind viele Bündnisse möglich. Klar ist aber: Jede Regierung
> muss die Verwaltungsreform angehen. Die Voraussetzungen dafür waren nie
> so gut.
Bild: Berlin ist eine Baustelle, auch im übertragenen Sinn
So vielfältig der Wahlkampf war, so vielschichtig sind auch die Analysen,
wie [1][der Wahlausgang am 12. Februar zu interpretieren] ist. Schließlich
gibt es vergleichsweise viele realistische Koalitionsoptionen. So könnte
die CDU, mit 28 Prozent überraschend klar vorne, wahlweise mit einer der
beiden 18-Prozent-Parteien SPD und Grünen ein tendenziell stabileres
Zweierbündnis bilden. Andererseits könnten SPD, Grüne und Linke ihre
bisherige Koalition fortsetzen.
Für alle drei Möglichkeiten gibt es jede Menge Gründe – und noch mehr
dagegen. Rot-Grün-Rot sei abgewählt und dürfe daher nicht einfach
weitermachen wie bisher, heißt es vielfach. Allerdings kann die SPD-Basis
nicht besonders gut mit der CDU, noch weniger die Grünen-Basis, und das
nicht nur auf die Inhalte bezogen. Die [2][Tage der Sondierungen] könnten
sich ziehen.
Allerdings sollten alle drei Parteien dabei eines beachten: Wer auch immer
künftig gemeinsam Berlin regiert, wird in der Restlegislatur – es sind nur
noch dreieinhalb Jahre bis zur nächsten regulären Wahl – um eine größere,
ja ganz große Koalition nicht herumkommen. Denn eine der [3][wichtigsten
Aufgaben wird es sein, eine Verwaltungsreform anzuschieben] und das
Verhältnis zwischen Bezirken und Land neu zu ordnen.
Zumindest dieser Wunsch der Wähler*innen lässt sich aus dem Ergebnis
ableiten. Die CDU wurde ja nicht so stark, weil sie so viele Patentlösungen
und Ideen hat, sondern, weil sie vom Frust über die vielen Pleiten und
Pannen – nicht zuletzt die Wahlwiederholung – massiv profitierte, für die
SPD, Grüne und Linke eben seit sechs Jahren politisch verantwortlich sind.
Doch nicht nur die Berliner*innen sind es leid, auf Genehmigungen,
Bürgeramtstermine, neue Radwege etc. (viel zu) lange warten zu müssen. Auch
die Politik hat ein Interesse daran, dass sie konkrete Folgen ihrer Politik
und Veränderungen vorzeigen kann – damit die nächste Wahl nicht noch mehr
zur Frustwahl wird. Für diese Reform müssen alle großen politischen Kräfte
zusammenarbeiten.
Denn anders als beim populistischen Kahlschlagvorschlag der (ins Abseits
gewählten) FDP, einfach die Bezirke abzuschaffen, steht eine Umverteilung
von Kompetenzen an. Die Bezirke werden Zuständigkeiten in einigen Bereichen
an die Senatsverwaltungen abgeben müssen, etwa im Baubereich. Damit sie dem
zustimmen, werden sie in anderen Bereichen umfassendere Befugnisse
erhalten. [4][Erste Vorschläge] aller relevanten Parteien liegen dafür
bereits auf dem Tisch: Es muss nun darum gehen, schnell an Kompromissen zu
arbeiten.
Das wird schwierig, wie die vergangenen 20 Jahre zeigen, in denen eine
solche Reform vielfach versprochen wurde – aber nie auch nur in die Nähe
einer Umsetzung kam. Doch der Druck auf die Politik, die eigenen
Handlungsoptionen zu stärken, steigt: Während die Herausforderungen immer
vielfältiger werden und immer mehr Probleme fast gleichzeitig auftauchen,
nimmt die Verrechtlichung zu. Nur noch in großen Krisenfällen scheinen
Regierungen handlungsfähig zu sein – indem sie komplexe Vorgaben außer
Kraft setzen, etwa beim Bau von Unterkünften für Geflüchtete.
## Reformnot in den Bezirken
Wie reformbedürftig zudem die politischen Verhältnisse in den Bezirken
sind, hat diese Wahl gezeigt: Die teils grundlegend anderen Mehrheiten
spiegeln sich absehbar nicht in der neuen Besetzung der Bezirksämter wider.
Die bisherigen Stadträte bleiben als Wahlbeamte bis zum Ende der Legislatur
im Amt, sofern sie nicht von einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgewählt werden.
Zumindest hier Abhilfe zu schaffen – wenn auch erstmal nur vorläufig in
dieser Ausnahmesituation – haben CDU, SPD und Grüne erkannt und arbeiten an
Gesetzentwürfen, die dann gemeinsam getragen werden könnten. Mittelfristig
dürfte dann auch das sogenannte politische Bezirksamt kommen, in dem die
Stadtratsposten viel stärker entsprechend der Wahlergebnisse verteilt
werden.
Darauf ließe sich aufbauen. Damit es im Wahlkampf 2026 nicht mehr (so oft)
von den Regierungsparteien heißt: „Uns wäre es auch lieber, wenn es
schneller gehen würde …“
18 Feb 2023
## LINKS
[1] /SPD-Ergebnis-bei-der-Berlin-Wahl/!5915003
[2] /Die-Berliner-SPD-und-die-Koalitionsfrage/!5912653
[3] /Forderung-an-kuenftigen-Berliner-Senat/!5903980
[4] /Berliner-Wahlwiederholung-am-12-Februar/!5910872
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Wochenkommentar
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Verwaltung
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Abgeordnetenhaus
Franziska Giffey
Berlin
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