# taz.de -- Neuregelung im Abgeordnetenhaus: Stühlerücken in den Bezirken | |
> Eine ganz große Koalition von CDU bis Linkspartei will den Weg dafür frei | |
> machen, dass Bezirksregierungen das Wahlergebnis vom 12. Februar | |
> spiegeln. | |
Bild: Auch im Abgeordnetenhaus waren Stühle zu rücken: Es gibt dort nur noch … | |
BERLIN taz | „Die veränderten Mehrheiten, die wir in den Ergebnissen der | |
Bezirkswahlen sehen, müssen auch in den Bezirksämtern abgebildet werden.“ | |
Was Noch-Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ankündigte, als sie Ende | |
Februar gerade aus der letzten Sondierung über eine erneute rot-grün-rote | |
Koalition kam, soll auch nach dem SPD-Schwenk zur CDU gelten: Am Donnerstag | |
wird das Abgeordnetenhaus mutmaßlich ein Gesetz beschließen, dass die | |
Neuwahl von Stadträten, also quasi den Ministern in den Bezirken, gemäß dem | |
Ergebnis [1][der Berlin-Wahl vom 12. Februar] erleichtert. Unterstützt wird | |
es von allen Fraktionen außer der AfD. | |
Hintergrund ist, dass bei der Wahl die bisherige, Ende September 2021 | |
begonnene, fünfjährige Wahlperiode nicht etwa vorzeitig zu Ende gegangen | |
ist: Sie läuft gemäß dem [2][Urteil des Landesverfassungsgerichts], das die | |
Wiederholungswahl auf den Weg brachte, bis 2026. Auf Landesebene ist das | |
kein Problem, weil die dortigen Minister – die Senatorinnen und Senatoren – | |
nicht gewählt, sondern vom Regierungschef oder von der -chefin ernannt | |
werden. | |
Auf Bezirksebene aber werden die Stadträte als Beamte auf Zeit laut §2 des | |
Bezirksverwaltungsgesetzes für die jeweilige Wahlperiode gewählt – und | |
haben Anspruch darauf, auch so lange bezahlt zu werden: nämlich nach | |
Besoldungsstufe B4 mit 9.142 Euro monatlich. In den Bezirken besetzt anders | |
als auf Landesebene nicht die jeweilige Koalition, die dort | |
Zählgemeinschaft heißt, alle Posten im Bezirksamt als der örtlichen | |
Regierung. Vielmehr werden die jeweils sechs Sitze – fünf Stadträte und ein | |
Bürgermeister – über die Stärke der Fraktionen besetzt und [3][über das | |
d’Hondt-Verfahren] verteilt. Dieses „Proporz-Bezirksamt“ ist ein Punkt, d… | |
sich bei der anstehenden Verwaltungsreform ändern könnte. Noch aber gilt | |
die bisherige Verteilweise. | |
Die Wahl vom 12. Februar auf Landes- und Bezirksebene hatte vor allem durch | |
die starken Gewinne der CDU – sie legte landesweit von 18,0 auf 28,2 | |
Prozent der Stimmen zu – deutliche Verschiebungen mit sich gebracht. Selbst | |
in Friedrichshain-Kreuzberg als Berlins linkestem Bezirk hat die CDU nach | |
dem d’Hondt-Verfahren nun Anspruch auf einen der sechs Sitze im Bezirksamt | |
(siehe Kasten). | |
Dass die CDU die ihr zusätzlich zustehenden Posten auch besetzen kann, ist | |
bisher nur auf zwei Wegen möglich: zum einen durch freiwilligen Rückzug, | |
zum anderen durch Abwahl im Bezirksparlament, das offiziell | |
„Bezirksverordnetenversammlung“ oder kurz BVV heißt. Ein Rücktritt aber i… | |
aber mit einem Verzicht auf Weiterbezahlung und auf Altersversorgung | |
verbunden, für die Abwahl wiederum ist eine Zweidrittelmehrheit | |
erforderlich. Eine solche Abwahl gab es unabhängig von der Berlin-Wahl aus | |
politischen Gründen im Herbst 2022 [4][im Fall von Mitte-Bürgermeister | |
Stephan von Dassel (Grüne)]. | |
Freiwillig zurück zog sich bislang allein die SPD-Politikerin Maja Lasic, | |
die erst 2022 Bildungsstadträtin in Mitte geworden war. Sie ist aber in der | |
glücklichen Lage, bei der Wiederholungswahl anders als 2021 ein Mandat im | |
Abgeordnetenhaus gewonnen zu haben und damit finanziell abgesichert zu | |
sein. Lasic nannte es am Mittwoch gegenüber der taz eine glückliche Fügung, | |
dass man in Mitte die Sache über ihren Wechsel ins Parlament so geräuschlos | |
regeln und auch schon einen Nachfolger von der CDU wählen konnte. Sie | |
äußerte Verständnis dafür, dass Stadträte ohne eine solche Möglichkeit auf | |
eine klare gesetzliche Regelung angewiesen sind. | |
Die Schmach einer Abwahl trotz möglicherweise zuvor guter Arbeit soll den – | |
verkürzt gesagt – überzähligen Stadträten durch das neue Gesetz erspart | |
bleiben: Es ermöglicht, einmalig zusätzliche neue Stadträte zu wählen und | |
bisherige bei voller Weiterbezahlung freizustellen. Nach jetzigem Stand | |
geht es um elf Posten. Kosten sollen das überschlägig bis zu fünf Millionen | |
Euro. | |
Auch unabhängig von der Verteilung der Posten im Bezirksamt gibt es gleich | |
mehrere Veränderungen bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. In der | |
CDU-Hochburg Reinickendorf etwa löst die frühere Staatssekretärin und | |
bisherige Vizechefin Emine Demirbüken-Wegner den seit 2021 von der SPD | |
gestellten Bürgermeister ab, in Lichtenberg und Pankow verliert die | |
Linkspartei ihre letzten Bürgermeisterposten. | |
22 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/index.html | |
[2] https://www.berlin.de/gerichte/sonstige-gerichte/verfassungsgerichtshof/pre… | |
[3] https://www.bundeswahlleiter.de/service/glossar/d/d-hondtsche-sitzverteilun… | |
[4] /Abwahl-des-Buergermeisters-von-Mitte/!5880988 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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