# taz.de -- Urteil im Pipeline-Prozess erwartet: Risiko Ölexport | |
> Am Dienstag könnte der Ölkonzern Total wegen Missachtung seiner | |
> Sorgfaltspflicht verurteilt werden. Es geht um die Uganda-Ölpipeline | |
> Eacop. | |
Bild: Protestaktion gegen Eacop in Paris, 20. Januar | |
BRÜSSEL taz | In Paris wird am 28. Februar das Urteil in einem Prozess | |
erwartet, der weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird. Zwei | |
französische und vier ugandische Organisationen verklagen die französische | |
Ölfirma Total wegen mangelnder Sorgfaltspflicht bei ihrer Mega-Ölpipeline | |
[1][Eacop (East African Crude Oil Pipeline)] in Uganda. | |
Es ist [2][der erste Prozess] auf Grundlage eines 2017 in Frankreich | |
verabschiedeten Gesetzes, wonach multinationale Unternehmen bei ihren | |
Investitionsprojekten Pläne zum Umgang mit Menschenrechts- und | |
Umweltrisiken erstellen und veröffentlichen müssen. Das Urteil soll | |
Präzedenzcharakter haben, sagt Juliette Renaud von der Klägerorganisation | |
[3][Amis de la Terre]. | |
Die Klage wurde im Oktober 2019 eingereicht und die Verhandlung begann Ende | |
2022, nachdem ein Einspruch Totals gegen die Zulässigkeit abgewiesen worden | |
war. Es geht um die längste beheizte Ölpipeline der Welt, die Total | |
Energies aus Frankreich gemeinsam mit Staatsfirmen aus China, Uganda und | |
Tansania baut und die von den Ölfeldern im Westen Ugandas zum Indischen | |
Ozean führen soll, sowie um die 419 Ölquellen, ein Drittel davon im | |
ugandischen Naturschutzgebiet Murchison Falls, aus denen ab 2025 das Öl | |
dafür sprudeln soll. Für Total und seine Partner geht es um eine Milliarde | |
Barrel Rohöl mit einem aktuellen Wert von 80 Milliarden US-Dollar. | |
Amandine Lepoutre, Präsidentin der Organisation [4][Thinkers & Doers], | |
nennt das Projekt eine „Klimabombe“, vor allem wegen der Beheizung der | |
Pipeline auf 50 Grad, damit das dickflüssige ugandische Öl sein Ziel | |
erreicht. | |
Nach einer Studie des [5][Climate Accountability Institute] im | |
US-Bundesstaat Colorado beträgt der Klimaabdruck des Projekts, wenn man den | |
Export des Öls nach Europa und China und den dortigen Verbrauch | |
miteinbezieht, über die gesamten geplanten 25 Jahre Ölförderung in Uganda | |
379 Millionen Tonnen CO2 – 25-mal so viel wie die derzeitigen | |
CO2-Jahresemissionen von Uganda und Tansania zusammengenommen. Es bestehe | |
auch das Risiko von Ölverschmutzung. | |
Augenzeugen vor Ort bestätigen, dass die Ölförderung und der Pipelinebau | |
einen erheblichen Eingriff in die Natur darstellt und dass Zehntausende | |
Opfer von Umsiedlungen seit Jahren auf eine angemessene Entschädigung | |
warten. Bauern sei bei der Enteignung erklärt worden: „Wenn ihr nicht | |
unterschreibt, verliert ihr euer Land trotzdem“, kritisiert der | |
französische Parlamentsabgeordnete [6][Francois Ruffin] von der Linkspartei | |
LFI und sagt: „Natürlich ist das nicht Total selbst. Sie haben | |
Subunternehmer, die die Drecksarbeit machen.“ | |
Das EU-Parlament hatte bereits am 14. September 2022 [7][in einer | |
Resolution] „Menschenrechtsverletzungen in Uganda und Tansania im | |
Zusammenhang mit Investitionen in fossilen Energieprojekten“ verurteilt. | |
Verlangt wurde die sofortige Freilassung unter anderem von sechs | |
Angehörigen der ugandischen Organisation [8][Afiego (African Institute for | |
Energy Governance)], von Robert Birimuye von der Gruppe [9][Project | |
Affected Peoples] und vom Präsidenten der [10][Oil and Gas Human Rights | |
Defenders Association], Joss Kaheero Mugisa. Die Festnahme von | |
Afiego-Aktivisten war bereits 2021 von einer UN-Kommission kritisiert | |
worden. Afiego gehört jetzt zu den Klägern in Paris. | |
Die Kläger wollen, dass das Gericht Total verpflichtet, seine bestehenden | |
Pläne zur Ölförderung und zur Ölpipeline rechtskonform zu gestalten und | |
adäquate Maßnahmen zum Umgang mit den Risiken zu treffen. Entschädigungen | |
an betroffene Gemeinschaften sollen unverzüglich geleistet werden. Die | |
Ölprojekte sollen ausgesetzt werden, solange die damit verbundenen Risiken | |
nicht korrekt identifiziert und die nötigen Maßnahmen zur Beendigung von | |
Menschenrechtsverletzungen und zur Verhinderung einer Umweltkatastrophe | |
nicht umgesetzt sind. | |
Totals Anwalt Antonin Lévy hat den Klägern vor Gericht eine | |
„maximalistische“ Interpretation des Gesetzes zur Sorgfaltspflicht | |
vorgeworfen, die „unmöglich umzusetzen“ sei. Ein Pariser Gericht sei | |
außerdem nicht zuständig für die Handlungen der ugandischen Filiale von | |
Total. Total verteidige das Recht von Uganda als „souveräner Staat“, die | |
„strategische Entscheidung zur Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen“ zu | |
treffen, und „die Welt braucht momentan und noch für einige Jahre Öl zu | |
einem vernünftigen Preis“. | |
Die Aktionspläne im Zusammenhang mit dem Ölprojekt würden, [11][so Total], | |
gemeinsam mit den Betroffenen umgesetzt und hätten eine positive Auswirkung | |
auf die Artenvielfalt, etwa die Wiederherstellung von 1.000 Hektar Wald, | |
der Schutz von 10.000 Hektar Wald und ein Programm zur Erhöhung der Anzahl | |
von Löwen und Elefanten im Park Murchison Falls um 25 Prozent und die | |
Wiederansiedelung des Spitzmaulnashorns dort. | |
Die Pipeline, so Total weiter, werde unterirdisch verlaufen und das | |
betroffene Gebiet nach ihrer Fertigstellung renaturiert. Nur 5.000 Menschen | |
müssten dauerhaft umgesiedelt werden, 78 Prozent der | |
Entschädigungsvereinbarungen für die Pipeline und 93 Prozent jener für die | |
Ölförderung seien bereits unterschrieben, die Ölquellen im Park beträfen | |
nur 0,05 Prozent der Fläche. Total stehe im Dialog mit | |
Menschenrechtsgruppen und toleriere keine Angriffe oder Drohungen auf | |
friedliche Menschenrechtsverteidiger. | |
Jenseits seiner juristischen Dimension ist der Prozess auch politisch | |
heikel. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat im Oktober 2022 | |
behauptet, dass Frankreich Totals Uganda-Projekt nicht unterstütze, aber am | |
1. Mai 2021 veröffentlichte Ugandas Regierung einen | |
[12][Unterstützungsbrief Macrons an Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni]. | |
„Sie können auf mich zählen, französische Investoren und Expertise zu | |
mobilisieren, um Frankreichs Wirtschaftspräsenz in Uganda zu vergrößern“, | |
hatte Macron damals geschrieben und Eacop eine „herausragende Gelegenheit | |
zur Intensivierung des Handels zwischen unseren beiden Ländern und zum | |
Ausbau unserer Zusammenarbeit“ genannt. | |
Nach seiner Wiederwahl als Präsident hatte Macron im Mai 2022 behauptet, er | |
sei gegen die Pipeline in Uganda „machtlos“. Doch Frankreichs Staat ist der | |
größte Anteilseigner von Total mit 15 Prozent und hat Mitspracherechte bei | |
den Aktivitäten des Konzerns, der aus dem ehemaligen staatlichen | |
französischen Ölkonzern Elf hervorgegangen ist. „Total ist der ökonomische | |
Arm Frankreichs, Frankreich ist der diplomatische Arm von Total“, meint der | |
Abgeordnete Ruffin. Von Total-Direktor Patrick Pouyanné ist der Satz | |
überliefert: „Total ist das größte Unternehmen Frankreichs und | |
repräsentiert gewissermaßen das Land.“ | |
Vor Ort sind nach Angaben von Amis de la Terre ugandische Soldaten im | |
Einsatz, die von Frankreichs Armee ausgebildet wurden. Totals | |
Sicherheitsdirektor diente früher in Frankreichs Gendarmerie und hat enge | |
Beziehungen zu Ugandas Militärpolizei, die das Ölgebiet sichert. | |
Frankreichs Botschafter in Uganda, Jules-Armand Aniambossou, ein | |
Kommilitone Macrons an der französischen Eliteuni ENA, organisierte im | |
August 2021 eine Abschiedsfeier für den damaligen Direktor von Total in | |
Uganda, Pierre Jessua. | |
Ehemalige Total-Kader dienen laut Amis de la Terre im französischen Staat | |
und umgekehrt: Ein ehemaliger Sonderberater des langjährigen Verteidigungs- | |
und Außenministers Jean-Claude Mallet wurde 2012 Berater des | |
Total-Direktors, eine ehemalige Staatssekretärin im Außenhandelsministerium | |
sitzt im Verwaltungsrat des Konzerns. | |
Die französischen Banken Société Générale und Crédit Agricole, beides | |
Total-Aktionäre, lehnten es 2021 zwar ab, die Pipeline direkt zu | |
finanzieren, aber 2022 gewährten sie gemeinsam mit anderen Banken Total | |
einen [13][Kredit von 8 Milliarden US-Dollar] für „allgemeinen | |
Finanzbedarf“. | |
Sollte die Klage gegen Total Erfolg haben, bliebe immer noch die Frage, was | |
daraus folgt. Das Gesetz zur Sorgfaltspflicht enthält keine | |
Anwendungsbestimmungen, hat das Gericht festgestellt, und sieht auch keine | |
Kontrolle der notwendigen Maßnahmen vor. Das Gericht könnte sich also | |
darauf beschränken, das Vorhandensein von Sorgfaltsplänen festzustellen. | |
28 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://eacop.com/ | |
[2] https://survie.org/mot/eacop | |
[3] https://www.amisdelaterre.org/ | |
[4] https://thinkers-doers.com/ | |
[5] https://climateaccountability.org/ | |
[6] https://twitter.com/francois_ruffin | |
[7] https://www.business-humanrights.org/fr/derni%C3%A8res-actualit%C3%A9s/ugan… | |
[8] https://www.afiego.org/ | |
[9] https://www.amisdelaterre.org/wp-content/uploads/2020/09/compensation-retar… | |
[10] https://observatoryfordefenders.org/ngo/oil-and-gas-human-rights-defenders… | |
[11] https://totalenergies.com/projects/liquids-low-carbon-fuels/tilenga-and-ea… | |
[12] https://www.mediacentre.go.ug/media/president-macron-pledges-political-eco… | |
[13] https://www.lesechos.fr/finance-marches/banque-assurances/les-ong-denoncen… | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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