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# taz.de -- Transrechte in Schottland: Missbrauch der Selbstidentifikation?
> Kann sich eine wegen Vergewaltigung verurteile Person zur Frau erklären
> und ins Frauengefängnis kommen? In Schottland tobt eine heftige Debatte.
Bild: Isla Bryson steht unter Verdacht, als männlich gelesene Person Frauen ve…
London taz | Tagelang und immer wieder wich Nicola Sturgeon der Frage aus,
ob sie Isla Bryson als Frau ansieht. „Ich betrachte diese Person als eine,
die vergewaltigt hat“, lautet die ausweichende Formulierung der
schottischen Regierungschefin.
Vor Kurzem noch prahlte Sturgeon mit ihrem Vorhaben eines
fortschrittlicheren Gesetzes zur „Selbstidentifikation“, also der
Möglichkeit, den amtlichen Geschlechtseintrag auch ohne ärztliche Diagnose
zu ändern und damit [1][Transrechte] zu stärken. Doch dann kam erst ein
Veto aus London und dann erwies sich, dass die [2][von Gegner:innen der
Gesetzgebung] prophezeiten Gefahren keineswegs aus der Luft gegriffen sind.
Nun sinken die Umfragewerte von Sturgeons Partei SNP und die Debatte ist
heftig.
Es geht um zwei Personen, deren rechtliche Namen derzeit Isla Bryson und
Tiffany Scott sind. Die beiden stehen unter Verdacht, als biologische
Männer die Möglichkeit der geschlechtlichen Selbstidentifikation als Frau
missbraucht zu haben, um sich dadurch Zugang zu für Frauen reservierte
Strafanstalten zu verschaffen. Beide haben als Männer sexuelle Vergehen
gegen Frauen und Mädchen begangen oder Frauen vergewaltigt.
Isla Bryson war zuvor ein Mann, der festgenommen wurde, weil er 2016 und
2019 zwei Frauen vergewaltigt hatte. Erst im laufenden Verfahren
identifizierte er sich plötzlich als Frau namens Isla Bryson. Als Transfrau
konnte Isla Bryson vor ihrer Verurteilung an einem Kosmetikkurs teilnehmen,
wo Teilnehmerinnen unbekleidet auftraten. Nach dem Urteil wurde sie einer
Frauenanstalt zugewiesen, allerdings in einem separaten Flügel.
Als in den Medien Fotos der verurteilten Bryson in blonder Perücke und
pinkem Anorak auftauchten und ein heftiger Kritiksturm losbrach, kündigte
Sturgeon an, dass Bryson ihre Strafe doch nicht in einer Frauenanstalt
absitzen werde. Noch am selben Tag wurde Bryson verlegt.
## Zweiter Fall: Tiffany Scott
Bald darauf wurde ein weiterer Fall bekannt: Tiffany Scott, die eine derart
gewalttätige Vergangenheit hat, dass sie einer lebenslangen Beobachtung
untersteht und erst freikommen darf, wenn sie keine Gefahr mehr für andere
darstellt. Die Person, damals noch ein Mann, saß in einem Männergefängnis,
von wo er eine 13-Jährige stalkte. Dabei ertappt, beanspruchte er eine neue
weibliche Identität unter dem Namen Tiffany Scott und stellte einen Antrag
auf Verlegung in ein Frauengefängnis. Laut Berichten stimmte die
Gefängnisbehörde zu, was das schottische Justizministerium allerdings
dementiert.
Weitere fünf Transfrauen sitzen in schottischen Frauenknästen, laut
Regierung alle ohne gewalttätige Vergangenheit gegen Frauen. Doch aufgrund
der Empörung über die beiden genannten Fälle erklärte die schottische
Gefängnisbehörde Ende Januar, dass jeglicher Transfer von Personen mit
Transidentität vorübergehend gestoppt werde. Es werde erst die
Gewalttätigkeit der Personen insbesondere gegenüber Frauen überprüft.
Fälle aus England und Wales zeigen, was passieren kann, wenn gewalttätige
Personen mit missbräuchlich deklarierter Transidentität in
Frauengefängnisse gelangen. 2018 wurde Karen White, eine Transfrau, die
vorher als Mann zwei Frauen vergewaltigt hatte und unter ihrer
Transidentität zwei andere im Gefängnis sexuell angegriffen hatte, zu einer
lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
## Die Unterbringung von trans Frauen rechtmäßig
Dennoch urteilte 2019 ein englisches Gericht im Fall von „FDJ“, einer
Cis-Frau, die von einer Transfrau in einem Frauengefängnis vergewaltigt
worden war, dass die Unterbringung von Transfrauen in Frauenknästen
rechtmäßig sei. Wenn die Prüfungen der Einzelfälle richtig angewandt werden
würden, könnte ausgeschlossen werden, dass Personen mit einer Vergangenheit
von Gewalt oder sexueller Gewalt gegen Frauen in Kontakt mit Frauen kommen,
hieß es im Urteil.
Etwa die Hälfte aller Transfrauen in englischen und walisischen
Gefängnissen sind aufgrund von Sexualvergehen in Haft. Die dortigen
Richtlinien zu Transpersonen im Justizsystem geben an, dass die Sicherheit
aller gewährleistet werden muss. Ende Januar wurden diese Richtlinien
verschärft: Transfrauen mit männlichen Sexualorganen sowie jene, die sich
sexueller Verbrechen schuldig gemacht haben, sollen in Zukunft von
Frauengefängnissen ausgeschlossen werden.
Um in England und Wales rechtlich als Frau anerkannt zu werden, müssen
Transfrauen sich nicht das männliche Organ entfernen lassen. Sie müssen
entweder beweisen, dass sie auf eine Entfernung warten, oder die
Beibehaltung des Glieds begründen.
## Trans Frauen erfahren ein erhöhtes Risiko von Gewalt
In Schottland gelten seit 2014 Richtlinien für Transpersonen in Haft, die
gemeinsam mit der Gruppe Trans Alliance erarbeitet wurden. Diese erlauben
die Unterbringung in Strafanstalten laut dem selbstdeklarierten Geschlecht
als Ergebnis einer Einzelfallprüfung. Dahinter stecken tatsächliche
Bedürfnisse von Transpersonen wie Hormontherapie oder Rechte auf
kosmetische Versorgung.
Transfrauen erfahren in Strafanstalten für Männer ein erhöhtes Risiko von
Gewalt und sexuellen Angriffen, mit teils verheerenden Konsequenzen. Laut
der schottischen Gruppe Translucent nahmen sich aufgrund solcher
Erfahrungen zwischen 2015 und 2017 vier Transfrauen innerhalb britischer
Strafanstalten das Leben. Zählen Bryson und Scott unter die Gruppe
veritabler Transfrauen, auch wenn man das Recht ihre Selbstidentifikation
ernst nehmen muss, oder handelt es sich in ihren Fällen um dubiose
Täuschungsmanöver?
9 Feb 2023
## LINKS
[1] /Transrechte-in-Schottland/!5900869
[2] /Aktivistin-ueber-Schottlands-Trans-Gesetz/!5906396
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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