# taz.de -- Transrechte in Schottland: Debatte über Transrechte | |
> Ein Gesetzentwurf soll erleichtern, den Geschlechtseintrag in Dokumenten | |
> zu ändern. Schottlands Parlament debattierte ausführlich darüber. | |
Bild: Abstimmung über die Rechte von trans Menschen: Nicht nur im Parlament wi… | |
DUBLIN taz | Es war die längste Sitzung des schottischen | |
Regionalparlaments, sie endete erst nach Mitternacht am Mittwochmorgen. Es | |
debattierte über den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes: Wer künftig den | |
eigenen Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten ändern lassen möchte, | |
braucht demnach kein medizinisches Gutachten mehr. | |
Das Mindestalter wird von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt und der | |
Mindestzeitraum [1][ab Beginn der Transition] wird von 2 Jahren auf 3 | |
Monate – für 16- und 17-Jährige auf sechs Monate – reduziert. | |
Doch die Sitzung war nicht nur lang, sondern auch äußerst turbulent. Die | |
Tory-Abgeordneten versuchten von Anfang an, durch Anträge zur | |
Geschäftsordnung zu erwirken, dass die Entscheidung über das Gesetz auf das | |
nächste Jahr vertagt wird. Aber auch einige Befürworter des Gesetzes | |
kritisierten, die Zeit genüge nicht, um alle Änderungsanträge zu | |
diskutieren. 153 Änderungsanträge waren eingereicht worden. Bis zum Ende | |
der Sitzung behandelte das Parlament nur die Hälfte dieser Anträge. | |
Zuschauer waren zum Schluss nicht mehr dabei. Nachdem ein Änderungsantrag | |
der Tories, wonach verurteilte Sexualstraftäter von der Änderung des | |
Geschlechtseintrags ausgeschlossen werden sollten, abgelehnt worden war, | |
rief ein Zuschauer: „Schande über euch, hier herrscht keine Demokratie!“ | |
Daraufhin wurde die Zuschauergalerie geräumt. | |
## Weniger traumatisierend | |
Kritiker argumentieren, dass das Gesetz es jedem Mann erlaube, seinen | |
Geschlechtseintrag zu ändern, um das Recht zu erlangen, in für Frauen | |
reservierte Räume einzudringen – etwa in Gefängnissen oder in | |
Frauenhäusern. | |
Auch die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, | |
Reem Alsalem, äußerte Bedenken. Sie schrieb in ihrem Bericht, dass die | |
schottische Gesetzesreform „möglicherweise die Tür für gewalttätige Männ… | |
öffne: „Das ist ein potenzielles Risiko für die Sicherheit von Frauen.“ | |
Die [2][Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling ist ebenfalls] gegen das | |
Gesetz. Sie bezeichnete die Regierungschefin Nicola Sturgeon von der | |
Schottischen Nationalen Partei (SNP) als „Zerstörerin von Frauenrechten“. | |
Das Gesetz werde „den vulnerabelsten Frauen der Gesellschaft schaden: | |
denen, die nach von Männern begangenen Gewaltakten oder Vergewaltigungen | |
Hilfe suchen“. | |
Sturgeon antwortete darauf: „Es geht darum, die Änderung des | |
Geschlechtseintrags weniger traumatisierend und weniger menschenunwürdig | |
für die trans Personen zu gestalten, einer der am meisten stigmatisierten | |
Minderheit unserer Gesellschaft.“ | |
Maggie Chapman von den Grünen, dem Koalitionspartner der SNP, sagte, es sei | |
„sehr [3][beunruhigend, trans Menschen mit Sexualstraftätern] | |
gleichzusetzen“. | |
Bisher werden rund 30 Änderungszertifikate im Jahr ausgestellt. Die | |
schottische Regierung schätzt, dass die Zahl nach der Gesetzesreform auf | |
250 bis 300 steigen könnte. | |
Die Abstimmung über das Gesetz sollte ursprünglich am Mittwoch stattfinden, | |
wurde aber auf den Donnerstag verschoben. Die SNP-Regierung verfügt jedoch | |
im Regionalparlament über eine deutliche Mehrheit und es besteht kein | |
Zweifel daran, dass sie das Gesetz verabschiedet wird. In der ersten Lesung | |
im Oktober wurde es mit 88 zu 33 Stimmen angenommen – trotz der größten | |
Revolte der SNP-Hinterbänkler in der Parteigeschichte: Sieben Abgeordnete | |
stimmten dagegen, zwei enthielten sich. | |
Ob das Gesetz allerdings in Kraft tritt, ist eine andere Frage: Die | |
Regierung in London erwägt, rechtliche Schritte einzulegen. Das würde | |
allerdings das Devolutionsgesetz verletzen, das den Regionen in dieser | |
Frage Entscheidungsfreiheit zusichert. Die außerdem geäußerte Drohung, | |
schottische Dokumente mit geändertem Geschlechtseintrag im Rest des | |
Vereinigten Königreichs nicht anzuerkennen, würde gegen internationale | |
Vereinbarungen zum Beispiel mit Irland verstoßen, wo ein | |
Selbstbestimmungsgesetz bereits seit 2015 gilt. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Fassung des Artikels | |
stand, das Regionalparlament werde am Mittwoch über das Gesetz abstimmen. | |
Nach Redaktionsschluss verschob das Parlament allerdings den Termin. Wir | |
haben die Stelle im Artikel angepasst. | |
21 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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