# taz.de -- Katastrophenhelfer, Arzt und Politiker: Wjahat Waraich hilft Geflü… | |
> Der Hannoversche SPD-Bezirksbürgermeister Wjahat Waraich ist Arzt und | |
> Katastrophenhelfer. Seine Motivation bezieht er aus seiner | |
> Familiengeschichte. | |
Bild: Wjahat Waraich vor seinem improvisierten Testzentrum auf einem Parkplatz | |
HANNOVER taz | Eigentlich ist [1][Wjahat Waraich] schon wieder auf dem | |
Sprung ins nächste Katastrophengebiet – dieses Mal zu den Erdbebenopfern in | |
der Türkei. Aber für ein kurzes Gespräch mit der taz nimmt er sich noch | |
Zeit. Und wenn er von seinen Einsätzen an der ukrainischen Grenze redet, | |
klingt es, als wäre das gestern gewesen. | |
Zwei Wochen seines Jahresurlaubes reserviert der Gynäkologe für | |
[2][humanitäre Einsätze mit der Organisation „Humanity First“.] Im | |
vergangenen Jahr wurden dann doch mehr als drei daraus: Dreimal für jeweils | |
zehn Tage war er an der polnischen Grenze zur Ukraine im Einsatz. | |
Er sah, wie zuerst die Frauen und Kinder kamen, gezeichnet von der | |
strapaziösen Flucht durch die Kälte, dann die Alten und chronisch Kranken, | |
die länger brauchten, noch später die ersten Rückkehrer*innen, die ihre | |
Gefallenen selbst beerdigen wollten, in ihrer Trauer die Trennung von | |
Heimat und Familie nicht länger aushalten konnten. | |
Auch als [3][SPD-Bezirksbürgermeister im Hannoverschen Stadtteil | |
Bothfeld-Vahrenheide] hat er mit Geflüchteten zu tun. Er ist nach dem | |
Medizinstudium und der Promotion bewusst in sein altes Viertel | |
zurückgekehrt, den Sahlkamp, eines der ärmsten Viertel Hannovers – auch | |
wenn Ärztekollegen darüber die Nase rümpfen. | |
## Keine ganz bruchlose Aufstiegsgeschichte | |
Er fühlt sich verpflichtet, etwas zurückzugeben, sagt Waraich. Seine Eltern | |
mussten vor der religiösen Verfolgung aus Pakistan fliehen. Und auch wenn | |
er selbst hier geboren sei: Die Erfahrung, wie es ist, alles zu verlieren | |
und in einem fremden Land bei Null anfangen zu müssen, steckt ihm in den | |
Knochen. | |
Dabei ist die Geschichte seiner Familie auch keine ganz bruchlose | |
Aufstiegsgeschichte: Sein Vater schuftete erst als Torfstecher, dann in der | |
Reinigung von Chemiefässern, dann in der Zeitungsdruckerei der | |
Verlagsgruppe Madsack. | |
Als die geschlossen wurde, entließ man ihn in die Arbeitslosigkeit – keine | |
Chance auf einen neuen Job als Ü50-Jähriger und immer noch studierende | |
Kinder zu versorgen. „Das war keine leichte Zeit für meine Eltern“, sagt | |
Waraich. Und trotzdem: Ein vergleichbarer sozialer Aufstieg wäre für die | |
Familie in Pakistan nie möglich gewesen, sagt er. | |
Als Corona kam, [4][stampfte er im Stadtteil ein Testzentrum aus dem | |
Boden,] half die Impfaktionen zu organisieren – und das alles neben seinem | |
Vollzeitjob als angestellter Arzt. | |
Bei der Betreuung und Integration der Geflüchteten kann er auf ein breites | |
Netz aus Ehrenamtlichen und die karitativen Einrichtungen vor Ort bauen, | |
sagt er. „Das sind die gleichen Leute, die das schon 2015 gemacht haben. | |
Die waren sofort wieder da, die muss man nicht rufen.“ | |
Trotzdem sieht er auch mit Sorge, dass Städte wie Hannover an ihre Grenzen | |
geraten. „Bezahlbarer Wohnraum, Kita- und Schulplätze – wir haben von allem | |
zu wenig. Das ist eine Riesen-Herausforderung.“ Er wünscht sich – ganz | |
klassischer Sozialdemokrat – mehr staatliches Engagement, zum Beispiel im | |
Bausektor. | |
Aber auch bei der Förderung von humanitärem Engagement: Sonderurlaub | |
gesetzlich festzuschreiben, wäre hilfreich, sagt er. Oder eine Stiftung, | |
die für bestimmte Kosten aufkommt, immerhin können Sanitäter und | |
Pflegekräfte nicht mal eben so locker auf Teile des Gehaltes verzichten. | |
26 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://waraich.de/ | |
[2] /Engagierter-Ersthelfer/!5847401 | |
[3] https://www.haz.de/lokales/hannover/bothfeld-vahrenheide-bezirksbuergermeis… | |
[4] /Soziale-Ungleichheit-und-Corona/!5775255 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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