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# taz.de -- Hundekot-Attacke am Staatstheater Hannover: Ballettchef muss Stuhl …
> Nach der Hundekot-Attacke auf eine Kritikerin trennt sich das
> Staatsballett Hannover mit sofortiger Wirkung von Marco Goecke. Doch die
> Werke bleiben.
Bild: Der preisgekrönte und viel gelobte Choreograph hat sich selbst ins Aus g…
Hannover taz | Die Attacke war so bizarr und ekelhaft, [1][dass sie
weltweit Schlagzeilen machte]. Am Samstagabend rieb Hannovers Ballettchef
Marco Goecke in der Premierenpause der FAZ-Kritikerin Wiebke Hüster
[2][einen offenen Beutel mit Hundekot seines Dackels Gustav ins Gesicht].
Das Staatstheater suspendierte ihn umgehend und erteilte ein Hausverbot, am
Donnerstag gab es in einer Pressekonferenz bekannt, der Vertrag werde „in
gegenseitigem Einvernehmen“ mit sofortiger Wirkung aufgelöst, Goeckes
Stücke blieben aber auf dem Spielplan.
Dazwischen liegen drei Tage, eine Entschuldigung Goeckes, die nicht
wirklich eine war, und sehr viele, sehr intensive Gespräche, wie
Intendantin Laura Berman betont. Es ist ihr anzumerken, wie sehr sie die
Ereignisse mitgenommen haben, und wie intensiv alle um eine Lösung gerungen
haben.
Berman hatte Goecke persönlich nach Hannover geholt – [3][und damit erst
einmal viel Glanz für das Staatsballett.] Sie bezeichnet ihn außerdem als
Freund. Nun müsse sie versuchen, zwischen den Ebenen Führungskraft,
Künstler, Mensch und Kollege Goecke zu differenzieren, sagte die
Intendantin.
## Nun versucht man das Werk vom Künstler zu trennen
Als Führungskraft, so viel sei schnell klar gewesen, ist Goecke untragbar
geworden. Das betont auch Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD),
der hier nach 100 Tagen im Amt seine erste öffentliche Feuerprobe zu
bestehen hat. Er geißelt die Attacke mit klaren Worten als inakzeptabel und
hält die Vertragsauflösung für konsequent.
Leicht fällt sie am Staatstheater aber wohl niemandem. „Viele
Tänzer*innen sind nur wegen Marco Goecke hierher gekommen“, sagt Berman.
Auch diese Compagnie sei sein Werk, die Entwicklung der Stücke stets eine
Gemeinschaftsleistung.
Auch deshalb wolle man die Stücke im aktuellen Spielplan behalten und eine
Wiederaufnahme nicht ausschließen. Für die kommende Spielzeit war keine
weitere Ballettpremiere geplant, sondern eine Opernproduktion – die fällt
nun aus.
Das Ringen fällt auch deshalb so intensiv aus, weil man hier diese
aggressive Attacke als vollkommen wesensfremd empfindet, versucht Berman zu
erläutern. „Wir haben Marco Goecke als mitfühlenden, rücksichtsvollen,
humorvollen, gelegentlich sehr verletzlichen Menschen kennen- und schätzen
gelernt.“ Man habe bisher „kollegial, konstruktiv und ohne irgendeine Form
von Aggression von seiner Seite zusammengearbeitet“. Auch deshalb sei sein
Verhalten so verstörend.
Von der Compagnie mag sich bei dieser Pressekonferenz gleichwohl niemand
äußern, obwohl die Intendantin sagt, sie fände das wichtig und habe darauf
gedrängt. Die Scherben zusammenkehren muss nun der stellvertretende
Ballettdirektor Christian Blossfeld, bis auf Weiteres und kommissarisch –
die Nachfolgersuche wird sicher nicht einfach.
## Gesundheitliche Probleme und der öffentliche Druck
[4][Dass Goecke in Interviews zwar eine Entschuldigung formuliert,] dann
aber gleich wieder gegen die ihm verhasste Kritikerin austeilt, habe sie
überrascht, sagt Berman. Sie habe einen anderen Marco Goecke erlebt, einen,
der am Boden zerstört sei und um den man sich als Menschen große Sorgen
mache.
Zu Gerüchten um seine Gesundheit könne sie nichts sagen, verweist aber
[5][auf die WDR-Dokumentation „Thin Skin“ aus dem Jahr 2017], die online
weiter verfügbar sei. In der spricht Goecke ausführlich über seine
Angststörungen und Panikattacken und wird gleichzeitig porträtiert als
sanfter, leiser Exzentriker, der vor allem viel raucht und überallhin
seinen Dackel mitschleppt.
Als Berman ansetzt, die Grundsatzdebatte weiterzuführen, die Goecke
angestoßen haben will, über die Rolle von Kritik und den Umgang mit
öffentlichem Druck, der brutal zugenommen habe und vor dem man Künstler
auch schützen müsse, wird es einem der anwesenden Journalisten gleichwohl
zu bunt. „Ist das ihr Ernst? In dieser Situation?“, platzt er heraus.
## So ganz ins Bodenlose will man Goecke nicht fallen lassen
Kurz darauf erhebt eine wohl eingefleischte Goecke-Anhängerin ihre Stimme
und versucht sich im Victim Blaming – man solle sich doch auch einmal
angucken, wer diese Kritikerin überhaupt sei, bevor man so einen großen
Künstler verbanne. Die Debatte lässt offensichtlich niemanden unberührt.
So ganz ins Bodenlose, so viel deutet sich immerhin an, wird man Goecke
wohl nicht fallen lassen. „Wir sind im Austausch mit ihm und hoffen, dass
wir ihm trotz dieses Bruchs über diese Zeit hinweghelfen können“, sagt
Berman.
Über eine eventuelle Abfindung ist Stillschweigen vereinbart worden, aber
Tantiemen für seine Stücke wird er weiter erhalten. Sie wolle auch nicht
für alle Ewigkeit ausschließen, dass man in ferner Zukunft nicht vielleicht
doch wieder mit dem Choreografen zusammenarbeiten könne, sagt Berman. Nur
im Moment sei das eben schwer vorstellbar.
Auch die Stuttgarter Tanzcompagnie von Eric Gauthier hält bisher an der
Zusammenarbeit mit Goecke fest, genauso wie das Nederlands Dans Theater.
Die vernichtende FAZ-Kritik an der Premiere von „In the Dutch Mountains“ in
Den Haag war wohl der Auslöser für Goeckes Ausfall ins Primatenhafte.
Einem Strafverfahren muss sich der Mann allerdings auch noch stellen:
Wiebke Hüster hat Anzeige erstattet wegen Körperverletzung und Beleidigung.
Die Ermittlungen laufen noch.
16 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2023/02/16/arts/dance/goecke-dog-feces-critic.html
[2] /Nach-Hundekot-Angriff-an-der-Staatsoper/!5912544
[3] /Ballett-ueber-Oscar-Wilde/!5891297
[4] https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/hundekot-attacke-kritikerin-wiebke-hu…
[5] https://www.ardmediathek.de/video/wdr-klassik/thin-skin-der-choreograph-mar…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Hannover
Ballett
Zeitgenössischer Tanz
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