Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Coming-out im Fußball: Ersehnte Normalität
> Unzählige Vertreter des Fußballs sagen dem tschechischen Nationalspielers
> Jakub Jankto ihre Unterstützung zu. Warum gibt es dennoch ein Problem?
Bild: Jakub Jankto im Einsatz bei der EM 2021 im Spiel gegen England
Bei der Pride Parade durch die sozialen Netzwerke waren zahllose
Profifußballvereine dabei. Nachdem am Montag der tschechische
Nationalspieler Jakub Jankto via Instagram [1][und Twitter] ein Video
verbreitete mit der Kernbotschaft „Ich bin homosexuell – und ich möchte
mich nicht länger verstecken“, reihten sich gerade auch die Vertreter der
deutschen Fußballprofivereine mit ihren Bekenntnissen zur Vielfalt in der
Liebe in den virtuellen bunten Umzug mit ein.
Neben der Erstligaprominenz nahezu auch sämliche unterklassigen Profiklubs
wie der 1. FC Kaiserslautern („We’re with you“), Hannover 96 („Ein ganz
wichtiger Schritt in die richtige Richtung“), Erzgebirge Aue („Love is for
everyone“) oder der 1. FC Magdeburg („You’ve got our support“).
Diese freundlichen, einmütigen Reaktionen werfen die Frage auf, weshalb
schwule Fußballer dennoch nach wie vor die Widrigkeiten und Vorbehalte in
ihrem Berufsumfeld so hoch einschätzen, dass sie lieber ein Geheimnis aus
ihrer Gefühlswelt machen. Zumal doch auch die aktive Fanszene sich in den
deutschen Stadien schon seit vielen Jahren lange vor den Funktionären gegen
die Diskriminierung von Homosexualität eingesetzt hat.
Im konkreten Fall von Jakub Jankto reagierte sein Verein Sparta Prag, an
den er vom spanischen Erstligisten FC Getafe ausgeliehen ist, ebenfalls
positiv: „Du hast unsere Unterstützung. Lebe dein Leben, Jakub.“ Dieser
hatte zuvor erklärt, er wolle sein Leben in Freiheit führen, „ohne Angst,
ohne Vorurteile, ohne Gewalt, aber mit Liebe“.
## Blick bleibt auf den einzelnen
Die vielfachen Zusagen der anderen Vereine auf Social Media, Jankto zu
„unterstützen“, „solidarisch“ mit ihm zu sein, weisen indes bereits
abstrakt auf eine Drohkulisse hin. Für potenzielle Nachahmer kann das
beruhigend und abschreckend zugleich wirken. Bayern Münchens Trainer Julian
Nagelsmann erklärte auf Nachfrage zur Entscheidung von Jankto: „Ich erachte
es als mutig, aber es sollte Normalität sein.“
Das fasst ganz gut die derzeitige Crux der so heteronormativen Fußballwelt
zusammen. Das menschlich Normale bleibt immer noch das Besondere, das
Mutige. Der 27-jährige Jakub Jankto, heißt es, ist erst der dritte
Fußballprofi, der zu seiner aktiven Zeit seine Homosexualität öffentlich
gemacht hat.
Nach dem Australier Josh Cavallo (2021) und dem englischen
[2][Juniorenspieler Jake Daniels] ist es nun der erste Nationalspieler, der
sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Irgendwann wird es gewiss auch den
ersten deutschen Profi, den ersten deutschen Nationalspieler geben.
## Eine kollektive Aktion wäre wünschenswert
Wünschenswerter wäre eine große konzertierte kollektive Aktion
homosexueller Fußballer. Ansonsten bleibt die Perspektive auf
Homosexualität im Fußball immer eine individuelle, besondere. Das wird sich
auch nach dem 15. oder 30. Coming-out und den damit einhergehenden
Bekenntnissen der Vereine, dass das alles ganz normal sei, kaum ändern.
Der ehemalige deutsche Nationalspieler [3][Thomas Hitzlsperger], der nach
dem Karriereende als erster prominenter deutscher Fußballer erklärt hat,
dass er schwul ist, schrieb über Jankto: „Was für ein Spieler! Was für eine
Persönlichkeit!“ Wer die scheinbar reine Heterowelt des Fußballs
demaskiert, wird nicht zu Unrecht wie ein Freiheitskämpfer gefeiert. Dass
dieser Heroismus aber nicht massentauglich ist, verwundert wenig.
Zu bedenken ist, dass die veröffentlichte Meinung von Fußballklubs und
ihren Medienabteilungen sowie die Statements engagierter Fangruppierungen
nicht deckungsgleich sind mit den Denkweisen, die im Alltag in den Vereinen
und in der Kurve wiederzufinden sind.
Der Weltfußballverband hat übrigens ebenfalls recht prompt reagiert. Die
Fifa erklärte auf Twitter: „Wir sind alle bei dir, Jakub. Fußball ist für
alle da.“ Dazu gab es ein Herz sowie eine Regenbogen-Flagge. Bei der
Weltmeisterschaft in Katar hatte die Fifa noch vor wenigen Wochen dem
Gastgeber zuliebe derartige Bekenntnisse untersagt. Auch das ist ein
Zeichen gewesen, das schwule Fußballer gewiss nicht so schnell vergessen
werden.
14 Feb 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/jakubjanktojr/status/1625117590182928384
[2] /Coming-out-im-englischen-Fussball/!5852144
[3] /Hitzlsperger-ueber-Homosexualitaet-im-Sport/!5039494
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Homosexualität im Profisport
Fußball
Tschechien
Queer
Coming-Out
Sport
GNS
Schwerpunkt LGBTQIA
FLINTA*
Fußball-Bundesliga
Turnen
Menschenrechte
## ARTIKEL ZUM THEMA
Internationaler Flinta-Fußball: Fußballaudienz in Rom
Pichanga feminista sind ein Flinta-Fußballteam aus Neukölln. In der kurzen
Vereinsgeschichte steht bereits ein Auswärtsspiel gegen eine
Vatikanauswahl.
Mode-Marotten in der Fußball-Bundesliga: Der aus der Kälte kam
Köln-Coach Steffen Baumgart treibt die Männlichkeitsrituale an der
Seitenlinie ins Absurde.
Turnen im Umbruch: Attraktion auf der Matte
Heath Thorpe gehört zu den besten 50 Turnern der Welt. Er mischt die Szene
auf, weil er anders turnt als die Konkurrenz – und weil er schwul ist.
Katars WM-Botschafter gegen Homosexuelle: Denken kann er, was er will, aber …
Die Fußball-WM findet in einem Land statt, in dem Homosexualität verboten
ist. Das allein hätte Grund genug sein sollen gegen Katar als Ausrichter.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.