# taz.de -- Coming-out im englischen Fußball: Der Fußball wird frei | |
> Der englische Zweitligaspieler Jake Daniels vom FC Blackpool outet sich. | |
> Ich bin schwul, sagt der 17-Jährige und bahnt nicht nur sich einen Weg. | |
Bild: Berührungsängste? Bullshit! Jake Daniels gibt einem Kicker von Petersbo… | |
Am Montagabend hatte der FC Blackpool etwas Wichtiges mitzuteilen. [1][Eine | |
„Nachricht von Jake Daniels“] wurde auf die Internetseite des englischen | |
Fußballzweitligisten gestellt. Es ging nicht etwa um eine Verletzung des | |
erst 17-jährigen Angreifers oder die Verkündung einer | |
Vertragsunterzeichnung, nein, der junge Kicker teilte mit, dass er schwul | |
ist. | |
Er rekurrierte zuerst kurz auf seine Erfolge in der vergangenen Saison, | |
dann kam er zur Sache: „Abseits des Spielfeldes habe ich mein wahres Ich | |
versteckt und wer ich wirklich bin. Ich habe mein ganzes Leben lang | |
gewusst, dass ich schwul bin, und ich habe jetzt das Gefühl, dass ich | |
bereit bin, herauszukommen und ich selbst zu sein.“ | |
Daniels ist damit in England der zweite aktive Profi, der diesen Schritt | |
wagt. Vor über 30 Jahren ging Justinus Soni Fashanu an die Öffentlichkeit. | |
Damals waren noch keine Regenbogenfahnen am Eck der Fußballplätze montiert, | |
und die Kapitäne der Mannschaften trugen die bunten Farben auch nicht als | |
Armbinde, wie das heute recht oft passiert. Das Fußballmilieu war eng und | |
repressiv, homophobes Geraune an der Tagesordnung, und so endete [2][die | |
Geschichte des Justinus Fashanu] tragisch. | |
Nachdem er seine Story für 80.000 Pfund an die englische Sun verkauft | |
hatte, belastete ihn vor allem die Quertreiber aus der eigenen Familie. | |
Sein Bruder bezeichnete ihn in einem Zeitungsinterview als „Ausgestoßenen“. | |
Aus der schwarzen Community schlug ihm nach seinem Coming-out eine Welle | |
von Unverständnis und Verachtung entgegen. Ein Trainer, der bereits in den | |
80er Jahren Nachforschungen in Fashanus Privatleben angestellt hatte, | |
bezeichnete ihn vor versammelter Mannschaft als „verdammte Schwuchtel“. | |
## „Ich will lieber sterben“ | |
Nach einer wohl ungerechtfertigten Anklage wegen Vergewaltigung eines | |
jungen Mannes brachte sich Fashanu im Jahr 1998 um. In seinem | |
Abschiedsbrief schrieb er: „Nicht immer ist die Justiz gerecht. Ich fühlte, | |
dass ich wegen meiner Homosexualität kein faires Verfahren bekommen würde. | |
Ihr wisst, wie das ist, wenn man in Panik gerät. Bevor ich meinen Freunden | |
und meiner Familie weiteres Unglück zufüge, will ich lieber sterben.“ | |
All diese Demütigungen und das seelische Leid dürften Jake Daniels heute | |
erspart bleiben. Im Gegenteil: Die Entscheidung, seine sexuelle | |
Orientierung öffentlich zu machen, findet im Jahr 2022 zumeist Anerkennung | |
und Zuspruch. Der ehemalige deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, | |
der sich nach seiner Karriere ebenfalls als schwul geoutet hatte, begrüßte | |
Daniels’ Schritt im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: „Gut | |
gemacht, Jake Daniels! Hab eine wunderbare Karriere!“ | |
Er lobte auch den FC Blackpool für dessen Unterstützung. Der britische | |
Premierminister Boris Johnson dankte Daniels für dessen „riesigen Mut“ und | |
ergänzte: „Du wirst viele Menschen auf dem Feld und außerhalb davon | |
inspirieren.“ Auch Fußballer Harry Kane stimmte in diesen Kanon des | |
Wohlwollens mit ein. | |
Damit herauszukommen als einer der ersten aktiven englischen | |
Fußballspieler, das sei für ihn ein „Schritt ins Ungewisse“, sagte Daniel… | |
der in der laufenden Saison seinen ersten Profi-Einsatz absolviert und für | |
das Jugendteam 30 Tore geschossen hat. Er sei unter anderem vom Australier | |
Josh Cavallo sowie dem Wasserspringer Tom Daley inspiriert worden und habe | |
große Unterstützung von seinem Klub, seiner Familie und auch seinen | |
Mitspielern erfahren. | |
Cavallo, 22, hatte im Herbst des vergangenen Jahres reinen Tisch gemacht. | |
Sein Klub, Adelaide United, hatte ihm gleichfalls geholfen. Auf der | |
Plattform des Vereins war damals [3][ein Video (Josh’s Truth“)] erschienen, | |
das die NZZ „theatralisch“ fand, aber das doch eher dem Anlass angemessen | |
war: „Ich bin ein Fußballer, und ich bin schwul“, sagte der australische | |
Profi: „Alles, was ich möchte, ist Fußball spielen und dabei wie jeder | |
andere behandelt werden.“ | |
Ganz ähnlich äußert sich Daniels nun in seinem Statement. „Ich hasste es�… | |
bekennt er, „mein ganzes Leben lang zu lügen und das Bedürfnis zu | |
verspüren, mich zu ändern, um hineinzupassen. Ich möchte selbst ein Vorbild | |
sein, indem ich das tue.“ Jahrzehntelang war es im Fußball verpönt oder | |
extrem angstbesetzt, sich als schwul zu outen. Jetzt tun es Fußballer nicht | |
nur nach der Karriere, sie tun es sogar zu Beginn. Das ist ein | |
Paradigmenwechsel. Der Muff scheint verflogen, die Freiheit der | |
Selbstentfaltung greift auch im Fußball Raum. | |
17 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.blackpoolfc.co.uk/news/2022/may/16/a-message-from-jake-daniels/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Justin_Fashanu | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=coxomhj1JRo | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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