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# taz.de -- Homophobie im Fußball: "Steh auf, du Schwuchtel!"
> Der englische Stonewall FC ist der erfolgreichste schwule Fußballklub der
> Welt. Seine Spieler haben die Angst hinter sich gelassen, doch die
> Homophobie bleibt.
Bild: in Deutschland noch nicht anerkannt: Bekennende schwule Fußballspieler.
LONDON taz | "Suche nach Möglichkeiten, mit Gleichgesinnten im Ligabetrieb
Fußball zu spielen." Was zunächst wie eine Einladung zum Sonntagskick
klingt, ist eine Kontaktanzeige, die im März 1991 die Runde in der schwulen
Community Englands machte.
Eine Plattform für Schwule, die Fußball spielen wollen, sollte geschaffen
werden. Kurz darauf traf sich tatsächlich eine Handvoll Männer im Osten
Londons. Viele von ihnen hatten früher einmal gespielt, sich seit ihrem
Outing aber nicht mehr getraut.
"Das war die Geburt unseres Klubs", denkt Eric Najib zurück, der damals ein
Teenager war. Heute ist Najib Trainer und Torwart des ersten schwulen
Fußballvereins in England. Als Najib 2001 vom Stonewall FC hörte, kündigte
der ehemalige Jugendfußballer spontan seine Dauerkarte bei Manchester
United.
Jahrelang hatte er in dessen Stadion Anfeuerungsrufe gehört, von denen
nicht wenige den Hass auf Homosexuelle schürten. "Es hat am Anfang große
Überwindung gekostet. Als Schwuler wieder selber auf dem Platz zu stehen,
war unheimlich."
Denn nur drei Jahre zuvor hatte sich nicht weit von Stonewalls Heimstätte
Justin Fashanu, der bis heute einzige Fußballprofi, der sich als schwul
geoutet hat, in einer Garage erhängt. Für Fashanu war der öffentliche Druck
zu groß geworden. Morddrohungen, Beschimpfungen und Diskriminierung waren
zum Alltag geworden. "Beim Training haben wir oft darüber gesprochen",
erinnert sich Najib. "Einige Spieler von uns hatten Angst. Auch wenn wir
nicht so berühmt waren, könnte uns ja etwas passieren."
Immer wieder hagelte es Beschimpfungen von Gegnern und Zuschauern. Einmal
weigerte sich die gegnerische Mannschaft sogar, aus ihren Kabinen zu
kommen, bevor die Kicker von Stonewall das Gelände verlassen hatten. Häufig
pfiffen auch die Schiedsrichter parteiisch.
Doch der Mut der Spieler wurde belohnt. Vor zehn Jahren stieg die
Mannschaft in die Middlesex County Premier Division auf; seitdem spielt sie
nur noch eine Liga unter den halbprofessionellen Klassen. Zwei
Meisterschaften und zwei Pokalsiege im letzten Jahrzehnt haben Stonewall
zum wohl erfolgreichsten schwulen Fußballklub weltweit gemacht. In Köln
konnten die Londoner in diesem Jahr zum dritten Mal die Gay Games gewinnen.
Mittlerweile hat der Stonewall FC zudem einen Sponsor, von dem sogar
Profivereine träumen würden: die englische Großbank Barclays - jenes
Institut, das zugleich Namensgeber der Premier League ist, Englands
höchster Spielklasse.
Angenehm ist das Spiel dennoch nicht immer für Stonewalls Kicker. "Wir
werden schon oft beschimpft", erzählt Najib. "Fußball gilt als der
Männersport schlechthin. und der Prototyp des Mannes wird in den Medien
nach wie vor als harter, heterosexueller Kerl dargestellt. Viele Leute
hinterfragen das nicht." Najib meint, die Medien trügen Mitverantwortung an
der Marginalisierung von Schwulen im Fußball.
Homophobie ist eine der wenigen Arten von Diskriminierung, die in England
noch salonfähig sind. Während etwa rassistische Äußerungen gewöhnlich
Anlass zu Debatten geben, bleibt die Diffamierung von Schwulen und Lesben
oft folgenlos.
Vor fünf Jahren organisierte die BBC eine Talkrunde, um über Fußball und
Homophobie zu diskutieren, und hatte dazu diverse Londoner Fußballklubs
befragt, ob diese denken, dass Schwulenhass ein Problem für den englischen
Fußball darstelle. Die Antwort war deutlich: Kaum ein Verein reagierte.
Aber auch der BBC selbst wurde bereits mehrmals vorgeworfen, homophobe
Berichterstattung zu leisten. Zuletzt in einem Bericht über die lesbische
Schauspielerin Lindsay Lohan, in dem es hieß, Lohan solle lieber für Männer
aufgehoben bleiben.
Doch wenn Najib die Situation heute mit der vor zehn Jahren vergleicht,
"dann fühlt es sich an wie zwei Welten". Und es liege nicht nur daran, dass
die Gesellschaft offener geworden sei.
"Das Schöne am Fußball ist, dass man sich Respekt erarbeitet. Das haben wir
mittlerweile geschafft. Es gibt heute deutlich weniger schwulenfeindliche
Beschimpfungen, wenn einer unserer Spieler eine Schwalbe macht", lacht
Najib. Und wenn es doch wieder einmal "Steh auf, du Schwuchtel!" von den
Gegnern tönt, so gebe es nach dem Spiel immerhin häufiger eine
Entschuldigung.
24 Sep 2010
## AUTOREN
Felix Lill
## TAGS
Homophobie
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