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# taz.de -- Institut soll in Leibniz-Gemeinschaft: Kriminologische Fernsehstars
> Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen kennen alle. Weil
> alle Medien bei ihm nachfragen, wenn es um Verbrechen geht.
Bild: Christian Pfeiffer in seinem ehemaligen Büro im Kriminologischen Forschu…
Überraschend [1][viele miese Rezensionen] hat das Kriminologische
Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) bei Google bekommen: „Kein Institut
mit Glaubwürdigkeit oder seriöser Arbeit“, schreibt einer, ein anderer:
„Ach ja, was soll man nur zu euch sagen.“ Oder: „Unvergessen bleibt eure
auf alternativen Fakten basierende Hetze gegen Ego-Shooter.“
Solche Killerspiele enthemmten beim Töten und trügen „zur Radikalisierung
junger Muslime“ bei, hatte der langjährige Instituts-Direktor Christian
Pfeiffer immer wieder behauptet – obwohl nicht eine Studie dafür
stichhaltige Hinweise gefunden hatte. Damit hat er sich nicht nur unter den
gemeinten und Internet-Rezensions-erfahrenen [2][Gamern richtige Feinde
gemacht]. Aber es gibt auch die Anerkennung: „Eines der führenden Institute
auf dem Gebiet der Kriminologie in Europa“, beziehungsweise: „10/10 –
Forschung ist immer gut.“ Im Ganzen gibt es nur 2,5 von fünf Sternen – aber
die wenigen kriminologischen Uni-Institute, die es auch noch gibt, die
rezensiert ja gar niemand.
Dass das KFN auch mal Missgunst auf sich zieht, hat mit der Ausrichtung der
Einrichtung zu tun, die heute im schicken Bürohauskubus im [3][Business
Park Welfenplatz] in Hannover-List sitzt: Gegründet 1979 vom damaligen
niedersächsischen CDU-Justizminister Hans-Dieter Schwind, selbst
Kriminologe und bekannter noch als Verfasser einer praxisorientierten
Einführung in die Kriminologie, soll die Forschung des Instituts, das
außeruniversitär von einem Verein getragen wird, ausdrücklich
praxisorientiert sein. Es soll also auch gesellschaftliche Debatten nicht
meiden und muss sich entsprechend auch Kritik gefallen lassen.
Vor allem aber ist das KFN e. V. der Fernsehstar unter den kriminologischen
Instituten. Dieser Ruhm gründet wesentlich auf Christian Pfeiffers
unermüdlicher Medienpräsenz. Jahrzehntelang haben alle Redaktionen des
Landes zuerst bei ihm angeklingelt, wenn es darum ging, Verbrechen oder
kriminologische Phänomene wie Jugendkulturen mit Gewaltaspekten
einzuschätzen. Pfeiffer war seit 1985 stellvertretender Direktor und von
1988 bis 2015 Direktor des Instituts – mit einer Unterbrechung von 2000 bis
2003, weil er da für die SPD in Niedersachsen den Justizminister gab.
## Thermometer für Kriminalität
Und Pfeiffer lieferte immer, was für zum Beispiel eine Nachrichtensendung
benötigt wurde: prägnante sachliche Einschätzungen und Warnungen, nicht
zuletzt vorm Fernsehen selbst, in dem er so oft auftauchte: vorm privaten
vor allem, weil die [4][„Kriminalitätstemperatur“ von dessen
Konsument:innen] sich „von der Wirklichkeit entfernt, weil im
Privatfernsehen das Verbrechen noch mehr dramatisiert wird“. Sowas.
Neben Pfeiffer saßen nie viele im KFN, das seit 2015 vom Psychologen Thomas
Bliesener geleitet wird. Fünf weitere wissenschaftliche Vollzeitstellen und
weitere drittmittelfinanzierte Stellen hat es, als freie Mitarbeiterin ist
Pfeiffers Schwester Regine beschäftigt. Die Grundlagenfinanzierung kommt
vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Dieses Jahr aber kommt noch eine Anschubfinanzierung von drei Millionen
dazu, denn das KFN soll [5][in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen
werden], den großen Zusammenschluss deutscher außeruniversitärer
Forschungsinstitute. Das Geld soll dem Institut laut Niedersachsens
Wissenschaftsminister Falko Mohrs helfen, „mit dem Ausbau seiner
grundlagen- und praxisorientierten Forschungsleistungen die Ausgangslage
für die angestrebte Aufnahme“ zu verbessern. Bliesener will nun die „Arbeit
an aktuellen kriminologischen Fragen wie beispielsweise der
Radikalisierung, der Cyberkriminalität oder dem Umgang mit Opfern von
Straftaten auf höchstem methodischem Niveau“ intensivieren. Damit dürfte
für die kommenden Jahre auch die Fernsehkarriere des KFN gesichert sein.
18 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.google.com/search?q=Kriminologische+Forschungsinstitut+Niedersa…
[2] https://www.pcgames.de/Killerspiele-Thema-158840/News/Killerspiele-Deutschl…
[3] http://businesspark-welfenplatz.de/
[4] https://www.deutschlandfunk.de/kriminologe-christian-pfeiffer-wir-haben-die…
[5] https://www.mwk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/l…
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Kriminologie
Niedersachsen
Leibniz-Gemeinschaft
Universität Hamburg
Innere Sicherheit
Polizei Niedersachsen
Schwerpunkt Femizide
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