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# taz.de -- Uni Hamburg knickt Kriminologie-Studium: Kritische Polizei-Forschun…
> Lange konnte man in Hamburg Kriminologie als kritische Sozialwissenschaft
> studieren. Nun wird der deutschlandweit einzigartige Studiengang
> abgeschafft.
Bild: Was die Polizei tut bewegt die Gesellschaft: Demo gegen Polizeigewalt im …
Hamburg taz | Nun ist die endgültige Entscheidung gefallen: Der renommierte
Masterstudiengang Internationale Kriminologie, der seit Mitte der
1980er-Jahre an der Universität Hamburg bestand, wird abgeschafft. Nach
einem längeren Prozess in der Universität erteilte der Fakultätsrat als
oberste Instanz Mitte Juli seine Zustimmung. Ein Gegenantrag zur Bildung
einer Arbeitsgruppe, die Möglichkeiten evaluieren sollte, den Studiengang
zu erhalten, wurde abgelehnt.
[1][Racial Profiling], [2][Polizeigewalt] oder auch geschlechterspezifische
Kriminalität sind einige der gesellschaftlichen Probleme, die im Rahmen des
Kriminologie-Masters behandelt werden. Der Studiengang richtet unter
anderem einen Fokus auf die kritische Erforschung von Sicherheitsbehörden.
Gerade diese Perspektive wird aktuell eigentlich dringend benötigt: Erst
vor wenigen Monaten hat die Stadt Hamburg beschlossen, die Aufklärung zum
hier erfolgten NSU-Mord nicht im Rahmen eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses, sondern [3][wissenschaftlich betreiben zu
lassen]. Dass jetzt ausgerechnet die Kriminologie als Fachbereich mit der
hierfür erforderlichen Expertise abgebaut wird, passt dazu nicht.
Im vergangenen Wintersemester wurden ein letztes Mal Bewerber*innen für
den Studiengang zugelassen, pro Jahrgang werden nur 30 Personen angenommen.
Bis spätestens 2028 müssen die letzten Studierenden ihren Master
abschließen, dann wird die Universität das Lehrangebot einstellen. Die
wenigen übrig bleibenden Stellen werden dem Fachbereich Soziologie
angegliedert.
Der Entscheidung geht [4][ein breiter Protest voraus]: Im vergangenen Jahr
veröffentlichte das von Wissenschaftler*innen betriebene
Internetportal [5][Criminologia.de] eine Stellungnahme der kriminologischen
Fachöffentlichkeit zur drohenden Abschaffung des Masters, die von 362
Menschen unterzeichnet wurde.
Auch international ist der Studiengang renommiert: Er ist einer von nur
zehn der rund 170 Studiengänge an der Universität Hamburg, die das
Gütesiegel einer Akkreditierung haben und damit auch im Ausland vollständig
anerkannt werden. Die Qualität des Studiengangs wurde dafür von einer
externen Agentur nach internationalen Standards überprüft und bestätigt.
Der Kriminologe [6][Nils Zurawski], der seit 2003 immer wieder am
Hamburger Institut gelehrt und geforscht hat und zu den Initiator*innen
der Unterschriftenaktion gegen die Abschaffung gehört, zeigt sich bestürzt:
„Persönlich finde ich es eine wissenschaftliche Katastrophe, dass der
Master abgeschafft wird“, sagt er auf taz-Nachfrage. Es gäbe zwar ähnliche
Studiengänge in Regensburg und Bochum, die aber bei
rechtswissenschaftlichen Fakultäten angesiedelt seien.
Das sei in Hamburg anders, deshalb sei es tragisch, dass die
[7][Kriminologie] künftig nicht mehr durch einen Studiengang auch als Zweig
sozialwissenschaftlicher Forschung sichtbar sei: „Es wird weiterhin
Personen in Deutschland geben, die Kriminologie, kritische Kriminologie und
die dort vertretenen Themen bearbeiten werden, aber eben nicht sichtbar
verbunden mit einem dezidierten Studiengang“, sagt Zurawski.
Studierende des Masters betrachten die Auflösung als bitteren Auswuchs der
Kürzungspolitik der Universität. Jasper Janssen und Maria Seeligmüller
gehören zu einer Gruppe von Studierenden, die deshalb die Initiative
„Care4criminology“ ins Leben gerufen haben. Die Initiative hat in den
vergangenen zwei Jahren Öffentlichkeitsarbeit über Twitter und einen
eigenen Blog zur Auflösung des Studiengangs betrieben und auch innerhalb
universitärer Gremien dagegen protestiert.
Aus der Sicht von Janssen und Seeligmüller sind es drei Faktoren, die dazu
führten, dass „Care4criminology“ am Ende keinen Erfolg hatte: Zum einen
habe der Protest überwiegend bei den Studierenden gelegen. Von Seiten der
Professor*innen habe es zwar Bemühungen gegeben, den Wert des
Studiengangs universitätsintern beispielsweise durch die Anwerbung von
Drittmittelprojekten aufzuzeigen. Sie hätten sich jedoch nicht
öffentlichkeitswirksam für einen Erhalt eingesetzt. Dass die
Professor*innen sogar selbst die Auflösung beantragten, ist für Janssen
und Seeligmüller unverständlich: „Wir nehmen da auch viel Irritation aus
der Fachwelt wahr.“
Hinzu käme, dass auch viele Studierende sich nicht aktiver in den Protest
hätten einbringen können. „Ein Großteil unserer Kommiliton*innen muss
arbeiten, manche haben Kinder und wir alle müssen irgendwie unsere 30
Creditpoints pro Semester zusammenkriegen“, erzählt Janssen. Zeitmangel,
Sorge vor negativen Konsequenzen im Studium oder die Frage, welche
Perspektiven der Protest überhaupt hätte, habe viele verunsichert.
Wichtig ist den beiden zu betonen, dass sie niemandem aus dem Fachbereich
einen persönlichen Vorwurf machen. Alles sei in größere Strukturen und den
allgemeinen Sparzwang der Universität eingebettet. Fachbereichsrat und
Fakultätsrat hätten zwar die formale Kompetenz, den Studiengang zu
erhalten. Diese Gremien verfügten aber nicht über die materiellen
Ressourcen, ihre Entscheidung zu tragen: Sie könnten die Kriminologie
materiell gar nicht nachhaltig mit einer Professur ausstatten, ohne an
anderer Stelle zu kürzen. Damit waren die Lehrenden am Ende gezwungen,
ihren eigenen Studiengang aufzugeben.
Eine Rettung des Kriminologie-Masters wäre wohl nur noch durch ein
Bekenntnis des Präsidiums der Universität möglich gewesen. Doch das ist
schon seit Jahren auf Sparkurs zugunsten der Exzellenzcluster.
„Letztlich bleibt bei mir auch die Erkenntnis, dass an Universitäten, nicht
nur in Hamburg, diese Art der Forschung eher am Rande steht und nicht zu
den Kernaufgaben gezählt wird“, sagt Nils Zurawski, „im längst überhitzt…
Wettlauf um Exzellenz und andere quantitative Kennzahlen.“
27 Jul 2023
## LINKS
[1] /Racial-Profiling/!t5009754
[2] /Polizeigewalt/!t5708537
[3] /NSU-Komplex-in-Hamburg/!5924645
[4] /Aus-fuer-Hamburger-Kriminologie-Studium/!5827952
[5] https://criminologia.de/
[6] /Kriminologe-ueber-Unsicherheitsgefuehle/!5487308
[7] /Kriminologie/!t5032907
## AUTOREN
Marta Ahmedov
## TAGS
Universität Hamburg
Kriminologie
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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