| # taz.de -- Landwirtschaft in Juli Zehs Roman: Fiktion und Fakt | |
| > Im neuen Roman von Juli Zeh und Co-Autor Simon Urban geht's viel um | |
| > Landwirtschaft. Sind die Darstellungen der Biobäuerin realistisch? | |
| Bild: Simon Urban und Juli Zeh | |
| Der neue Roman von Juli Zeh und ihrem Co-Autor Simon Urban mit dem Titel | |
| „[1][Zwischen Welten]“ rückt auch die Landwirtschaft in den Blick: Eine | |
| Protagonistin ist Biobäuerin aus Brandenburg. Das Buch erweckt den | |
| Eindruck, ziemlich realistisch zu sein. Aber zentrale Szenarien sind eher | |
| unwahrscheinlich. Ein paar Beispiele: | |
| Fiktion: Den Bauern im Buch geht es wirtschaftlich katastrophal. Der | |
| Biomilchviehbetrieb der Protagonistin Theresa ist beinahe pleite. Ein | |
| Biogasbauer bringt sich um, weil er vor dem Ruin steht. | |
| Fakt: Gerade im Jahr 2022, in dem die Handlung spielt, haben | |
| Agrarunternehmen im Schnitt so viel verdient wie lange nicht mehr. | |
| Beispielsweise im [2][Agrarland Nummer eins] der Bundesrepublik, in | |
| Niedersachsen, erzielte jeder Betrieb [3][im Schnitt 103.000 Euro Gewinn,] | |
| wie der Verband der Landwirtschaftskammern errechnet hat. Im Großen und | |
| Ganzen könnten die Landwirte zufrieden sein. Grund waren vor allem die | |
| drastisch gestiegenen Preise etwa für Getreide und Rohmilch im | |
| Wirtschaftsjahr bis Ende Juni. Biogas boomt zwar nicht mehr, aber die Zahl | |
| der Anlagen ist seit Jahren stabil. 2022 ist sie nach einer [4][Prognose | |
| des Fachverbands Biogas] sogar um 1 Prozent auf knapp 9.880 gestiegen. | |
| Fiktion: Theresa beklagt sich, die Landwirte würden „diskriminiert“ und | |
| nicht „respektiert“. | |
| Fakt: In Umfragen zum Ansehen von Berufen schneiden Bauern regelmäßig sehr | |
| gut ab. Auf die Frage, welche Berufe auch in Zukunft besonders wichtig sein | |
| werden, landeten im Jahr 2022 [5][Landwirte auf Platz 3] – hinter Ärzten | |
| und Pflegern. Kaum eine Branche subventioniert der Staat gemessen an | |
| ihrem Gewinn so stark: Die Landwirtschaft bekommt laut | |
| Bundesagrarministerium seit Jahren [6][rund 50 Prozent ihres Einkommens] | |
| aus steuerfinanzierten Zuschüssen speziell für die Branche. | |
| Fiktion: Bauern in Ostdeutschland würden ihr Pachtland verlieren, weil der | |
| Bund es etwa an Investoren aus den Niederlanden verkaufe, die die | |
| ortsansässigen Landwirte überbieten. | |
| Fakt: Diese Praxis gab es zuweilen, aber [7][nur bis Ende 2021]. Damals | |
| verfügte die gerade gewählte Ampelkoalition zunächst, dass die | |
| Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) des | |
| Finanzministeriums vorerst kein Agrarland mehr verkaufen darf. Verpachtet | |
| werden durften die ehemals „volkseigenen“ Flächen zunächst nur an | |
| Ökobetriebe wie den der Protagonistin Theresa. Im November 2022 entschieden | |
| die zuständigen Ministerien dann, [8][nur noch einen kleinen Teil] der | |
| BVVG-Agrarflächen zu verkaufen. Etwa 74 Prozent der in Bundesbesitz | |
| verbliebenen 91.000 Hektar sollen „vorrangig an ökologisch bzw. nachhaltig | |
| wirtschaftende Betriebe“ verpachtet werden. | |
| Fiktion: Theresa stellt Biogasstrom mehrmals als umwelt- und | |
| klimafreundlich dar. Er sei „grüner Strom“. | |
| Fakt: In Wirklichkeit ist die Klimabilanz von Biogas [9][laut | |
| Umweltbundesamt] (UBA) schlecht. 75 Prozent des Biogases stammten aus | |
| Pflanzen wie Mais, die extra für die Kraftwerke angebaut werden, so die | |
| Behörde. Wenn diese Pflanzen auf Flächen wachsen, auf denen vorher zum | |
| Beispiel Futter erzeugt wurde, muss jenes möglicherweise importiert werden | |
| aus Ländern, in denen dafür Wald abgeholzt wurde. Zwar dürfen die | |
| Emissionen wegen dieser indirekten „Landnutzungsänderungen“ laut EU-Recht | |
| nicht in den offiziellen Bilanzen auftauchen. | |
| „Sie sind jedoch gemäß der Mehrheit von Studien dazu signifikant hoch und | |
| können unter Umständen die positive Klimabilanz gegenüber der fossilen | |
| Referenz völlig zunichtemachen“, so das UBA. Selbst nach der offiziellen | |
| Statistik verursacht Biogas mehr Treibhausgase als andere erneuerbare | |
| Energien wie Windkraft oder Solar. Abgesehen davon wird der Mais für die | |
| Biogasanlagen oft in Monokulturen oder sehr engen Fruchtfolgen angebaut. | |
| Dadurch sinkt die Artenvielfalt. | |
| 12 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neuer-Roman-von-Juli-Zeh-und-Simon-Urban/!5908955 | |
| [2] https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/themen/landwirtschaft/landwirtsc… | |
| [3] /Landwirtschaft-mit-guter-Bilanz/!5896350 | |
| [4] https://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE_Branchenzahlen/$file/22-10-06… | |
| [5] https://www.ima-agrar.de/wissen/image-der-landwirtschaft/22-wissen/1066-ima… | |
| [6] https://www.bmel-statistik.de/fileadmin/daten/BFB-0111001-2021.pdf | |
| [7] /Agrarministerium-gegen-Privatisierung/!5836696 | |
| [8] /Privatisierung-von-Agrarflaechen-im-Osten/!5895970 | |
| [9] /Umweltschuetzer-zu-Strom-aus-Mais/!5841880 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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