# taz.de -- Menschenrechte in Georgien: Keine Gnade für Saakaschwili | |
> Ein Urteil lässt Michail Saakaschwili trotz schwerer Krankheit in Haft. | |
> Dies führt zu weiteren Verwerfungen zwischen der Ukraine und Georgien. | |
Bild: Ein Schatten seiner selbst: Michail Saakaschwili Anfang Februar | |
BERLIN taz | Der frühere georgische Präsident Michail Saakaschwili muss | |
weiter in Haft bleiben. Am Montag lehnte ein Gericht in der georgischen | |
Hauptstadt Tblissi eine Berufung von Saakaschwilis Anwälten sowie seinen | |
Angehörigen ab, [1][die Haftstrafe gegen den 55jährigen] wegen seines | |
schlechten Gesundheitszustandes auszusetzen und so eine medizinische | |
Behandlung im Ausland zu ermöglichen. | |
Kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung meldete sich Saakaschwili über | |
Facebook zu Wort. „Die Gerichtsverhandlung hat sich als kompletter Witz | |
entpuppt. Unsere Beweise basieren auf einer detaillierten Studie, die eine | |
Gruppe führender Ärzte aus den USA, Großbritannien, der Schweiz und | |
Georgien durchgeführt hat. Fast alle haben mich gesehen, manche mehrmals. | |
Regierungsexperten haben mich kein einziges Mal gesehen. Jetzt habe ich ein | |
Todesurteil erhalten und werde im Gefängnis bleiben – mit all den tödlichen | |
Krankheiten und einem Gerichtsurteil, das niemand auf der Welt außer | |
Russland anerkennt“, schrieb er. | |
Georgiens größte Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung (ENM), die | |
Saakaschwili 2001 gegründet hatte, rief zu Massenprotesten auf und | |
erklärte, ihre Arbeit im Parlament einstellen zu wollen. Zudem kündigte | |
ENM-Chef Levan Khabeischwili Treffen mit internationalen Partnern und | |
Botschaftern an, um den Druck auf die Regierungspartei „Georgischer Traum“ | |
zu erhöhen und das Leben von Michail Saakaschwili zu retten. | |
Saakaschwili war nach seiner Abwahl 2013 ins Exil gegangen und wegen | |
Machtmissbrauchs in Georgien (unter anderem ging es um die gewaltsame | |
Auflösung von Protesten der Opposition im November 2007 in Tblissi) zu | |
sechs Jahren Haft verurteilt worden. Unter dem damaligen ukrainischen | |
Präsidenten Petro Poroschenko war er 2015/16 Gouverneur von Odessa und | |
besitzt die ukrainische Staatsbürgerschaft. | |
## 50 Tage im Hungerstreik | |
Am 29. September 2021, nur wenige Tage vor der Kommunalwahl, war | |
Saakaschwili illegal nach Georgien eingereist und [2][umgehend festgenommen | |
worden]. Kurz darauf war er in einen 50tägigen Hungerstreik getreten. | |
Seitdem geht es mit seiner Gesundheit stetig bergab. Im vergangenen Mai | |
wurde er in ein privates Krankenhaus in Tblissi verlegt. Doch sein Zustand | |
verschlechterte sich weiter, was eine Teilnahme an Gerichtsverhandlungen | |
unmöglich machte. | |
Am 29. Dezember 2022 gab der US-amerikanische Toxikologe David Smith, der | |
als Zeuge bei Gericht auftrat, zu Protokoll, dass Saakaschwili im Gefängnis | |
vergiftet worden sein könnte. So seien in Proben Schwermetalle nachgewiesen | |
worden – darunter Quecksilber und Arsen. Angaben weiterer | |
Mediziner*innen zufolge soll der Ex-Präsident mittlerweile 40 | |
Kilogramm an Gewicht verloren sowie große neurologische Probleme haben. | |
Man brauche sich zum Vergleich nur Fotos von vor einem Jahr anzusehen. | |
Saakaschwili sei jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst, zitiert der | |
russischsprachige Dienst der BBC Saakaschwilis US-Anwalt Massimo D'Angelo. | |
In der vergangenen Woche hatte auch das EU-Parlament die Kausa Saakaschwili | |
auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem er per Video bei einer Verhandlung | |
zugeschaltet worden war. Dabei waren auch Sätze gefallen, der Ex-Präsident | |
sei ein politisches Opfer, dessen Leben in Gefahr sei. Für seine Gesundheit | |
trage die georgische Regierung die Verantwortung. | |
## Öffentlich gefoltert | |
Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte sich zu dem Fall | |
geäußert und Saakaschwilis Freilassung gefordert. Er wolle über die | |
Verhaftung des ukrainischen Staatsbürgers Michail Saakaschwili sprechen, | |
der täglich öffentlich gefoltert werde. Das Ziel dabei sei, Saakaschwili zu | |
töten“, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine Selenski. | |
Dass auch Selenskis Einlassung in Tblissi ungehört blieb, schreibt Wladimir | |
Krawtschenko, Journalist des ukrainischen Webportals Zerkalo nedeli, den | |
ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Kijiw und Tblissi zu, die sich | |
seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg stetig verschlechterten. Obwohl | |
die georgische Regierung ständig ihre Solidarität mit der Ukraine erkläre, | |
so Krawtschwenko, sei ein Abdriften des Landes in Richtung Russland | |
unübersehbar. | |
7 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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