# taz.de -- Kunst in Autos in Berlin: Die Stunde der Art Cars | |
> Das Projekt „Carpark“ lässt Pkws zum Kunstort werden. Installationen im | |
> öffentlichen Raum und ein Filmprogramm drehen sich um die fahrenden | |
> Gefährten. | |
Bild: Im Auto, ums Auto und ums Auto herum. Sill aus Peng Zuqiangs Kurzfilm „… | |
Eingeschneit verstärkt sich der naturgewaltige Effekt von Nike Kühns | |
Autoinstallation noch: Die Scheiben sind von Schnee bedeckt, jedoch einen | |
Spalt breit offen gelassen, sicher damit der Japanische Staudenknöterich, | |
der im Innern des Fahrzeugs gedeit, wenigstens etwas Sauerstoffzufuhr | |
abseits der Photosynthese hat, an der er in Berlin oft bewusst gehindert | |
wird. | |
In der Stadt schmiegt sich so ein zum Pflanzenkübel umfunktioniertes Auto | |
weniger vertraut ins Bild als auf dem Land, wo schon mal der ein oder | |
andere alte Käfer pflanzenbewachsen auf einem Grundstück steht, so als | |
Memento an die Fahrten zu Rockkonzerten in den 70ern oder dem einen Date, | |
das alles veränderte. | |
Beim Kunstprojekt CARPARK – unter Beteiligung von Dennis Dizon, Anna | |
Ehrenstein & Rebecca Korang, EVBG (Marie Sophie Beckmann & Julie Gaspard), | |
Luki von der Gracht, Tara Habibzadeh, Kinga Kielczynska, Nike Kühn und | |
Göksu Kunak – sind dafür gleich mehrere der Autos bewachsen, die sich als | |
Installationsräume auf diverse Parkplätze in Mitte und Kreuzberg verteilen. | |
Auf dem Dragonaareal (Seite Mehringdamm) ist das Kühns Installation „Alien | |
Species“ mit dem Staudenknöterich. Dass hier mal Menschen zu Werk waren, | |
lässt sich nur noch am grellgrünen Duftbäumchen erkennen, das hier mit der | |
Aufschrift „Wunderbaum – Grüner Apfel“ vom Spiegel baumelt. In der | |
Fahrerkabine schaut gerade noch so der Schaltknauf aus der Erde, der Rest | |
gehört bereits der Pflanze. Neophyten wie sie sind oft mit bedrohlichen | |
Adjektiven wie „invasiv“ belegt, gleichzeitig zeigen sie in der | |
Klimakatastrophe besondere Widerstandskräfte. Mitschuld an dieser | |
Klimakrise tragen ja auch nicht die Autos per se, sondern die Treibstoffe, | |
die traditionell für sie verwendet werden. | |
Auf der anderen Seite des Dragonerareals gibt es zur Finissage des von | |
Savannah Thümler kuratierten und unter der künstlerischen Leitung von | |
Marenka Krasomil organisierten Projekts eine Performance von Göksu Kunak | |
und ein Filmscreening des kuratorischen Kollektivs EVBG voller Autofilme. | |
Dort wird als Gegengewicht zu Kühns kürzlich noch eingeschneitem Pkw auch | |
Dennis Dizons dampfende Autoinstallation „hotboxx“ (2023) zu sehen sein, | |
die nach Harz riecht (Eingang über Auto Klas). | |
## Brandneue Kraftstoffe | |
Die Installation ist Teil von Dizons künstlerischem Forschungsprojekt „too | |
cool to burn“ über die Harzgewinnung aus Kiefern im Mittelmeerraum. Dieser | |
Harz steht ganz oben auf der Liste der Ersatzstoffe für Erdöl und wird | |
bereits bei bestimmten Tinten und Farben, sowie, je nach Gewinnungsart, | |
sogar als Biokraftstoff gehandelt. Allerdings ist er extrem entflammbar, | |
was bei der steigenden Anzahl an Waldbränden nichts Gutes heißt. | |
Autos sind aber nicht nur Umweltfresser und Platzräuber, sondern auch | |
Freiheitsschenker und Rückzugsorte. Zweite Zuhause können nicht nur Lkws, | |
sondern auch Pkws sein. Die imaginäre Fahrer*in von Tara Habibzadehs | |
Wagen muss wohl am liebsten „Freed From Desire“ auf ihren*seinen Fahrten | |
gehört haben, dazu für die Pausen Bücher der Genderforscherin Afsaneh | |
Najmabadi. In GALAs Song mischt sich schließlich die Stimme eines jungen | |
Mannes, der Arbeiter in der Ölraffinerie in Abadan beim Streik filmte. | |
Ab Mittwoch, den 15. 2., kommt noch für einige Tage Kinga Kielczynskas | |
Installation „XVII“ zur dezentralen Ausstellung dazu. Die Künstlerin wird | |
ihr Vehikel auf dem Gelände der Bauhütte Kreuzberg parken. Sie arbeitete | |
bereits filmisch zum Bialowicza-Urwald in Polen und kennt sich mit | |
bewachsenen Autos aus, die sie zum Beispiel auf der Manifesta 12 in Palermo | |
zeigte oder aber in nicht weiter identifizierten Wäldern ausstellt und | |
fotografisch dokumentiert: Die Welt ohne Mensch, frei nach Alan Weisman. | |
Kassettendeck, Platz für etwas Kleingeld und die Hand vom Beifahrersitz aus | |
dem Fenster gestreckt, um mit ihr auf der Luft zu surfen. So könnte auch | |
die Fahrt der zwei Männer in Peng Zuqiangs Super-8-Film „keep in touch“ | |
verlaufen sein bevor sie hier im Wald geparkt haben, um sich – das Auto | |
zwischen ihnen – unentschlossen, aber voneinader angezogen, gegenüber zu | |
stehen. Der experimentelle Kurzfilm, der für die gesamte Projektlaufzeit | |
auf der Webseite zu sehen, ist ein queeres Zeugnis der Zärtlichkeit. | |
11 Feb 2023 | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kunst Berlin | |
Installation | |
Videokunst | |
Kunst im öffentlichen Raum | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Kunst der Woche für Berlin: Gang auf dem Zahnfleisch | |
Niemand fletschte beim Sellerie Weekend so eindrücklich die Zähne wie Clara | |
Bahlsen und Sophie Aigner im Kleinen Raum für aktuelles Nichts. | |
Die Kunst der Woche: Wo die Liebe hinfällt | |
Eine Gruppenausstellung in der Galerie Molitor erkundet Kunst als Werk der | |
Liebe, Isabella Bortolozzi verkuppelt Chakaia Booker mit Carol Rama. | |
Die Kunst der Woche: Wessen Zuhause? | |
Mit „Vidéothèque“ zeigt Tanja Wagner Videokunst in vier Kapiteln. Die Fil… | |
laufen je eine Woche vor Ort und im Netz. Sie brennen, beißen und beben. | |
Die Kunst der Woche in Berlin: Der Krieg verändert das Kunstwerk | |
Die Schau „Früchte des Zorns“ kommentiert die Ereignisse in der Ukraine. | |
Wie es derzeit um ein Museum in Odessa steht, erzählt Ekatetrina | |
Mikheitrva. | |
Die Kunst der Woche: In magischer Begleitung | |
Die Ausstellung “Surrealismus und Magie“ zeigt Künstler-Magierinnen wie | |
Leonora Carrington. Fotograf Matthias Hagemanns prägt den New Yorker | |
Himmel. | |
Die Kunst der Woche: Die Rabenkinder | |
Explodierendes Archiv: „Exzentrische 80er“ im Kunstverein Tiergarten zeigt | |
Arbeiten von Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe perplexum. |