# taz.de -- Deutsche Getreidewirtschaft: Wer verdient vom Korn bis zum Brot? | |
> Von der Mühle zur Bäckerei: Welchen Weg nimmt Getreide – und profitieren | |
> dabei die Richtigen? Ein Überblick in fünf Schritten. | |
Bei der Grünen Woche diskutieren in diesen Tagen Bäuer*innen, | |
Politiker*innen und Firmen den Stand der Landwirtschaft in | |
Deutschland. Ein besonders wichtiges Thema dabei im Anbetracht weltweiter | |
Nahrungsmittelknappheit: Getreide. Aber wie funktioniert der Weg vom | |
Saatgut bis zum Brot in Deutschland eigentlich genau? | |
## Das Saatgut | |
Boden und Klima bieten fast überall in Deutschland paradiesische | |
Bedingungen für Weizen, Gerste, Roggen und Hafer. Aber welche Sorte wächst | |
auf welchem Acker am besten? Den Landwirten stehen hierzulande knapp 400 | |
Getreidesorten zum Anbau zur Verfügung. Manche sind für Backwerk geeignet, | |
andere zum Brauen, als Futtermittel oder Kraftstoff. Weltweit wandert ein | |
Fünftel des Getreides in den Futtertrog von Nutztieren, [1][in Deutschland | |
ist es etwa die Hälfte]. | |
Eine Getreidepflanze muss dabei viel können: schnell wachsen, gut keimen, | |
widerstandsfähig und winterhart sein und möglichst viele nährstoffreiche | |
Ähren schieben. Circa 40 Prozent des Saatguts ziehen die Landwirte selbst, | |
die übrigen 60 Prozent werden eingekauft. Während weltweit die vier | |
Großkonzerne Bayer, Corteva, ChemChina und Limagrain den Markt | |
kontrollieren, züchten in Deutschland eher mittelständische Betriebe die | |
Pflanzen. | |
## Der Anbau | |
Auf rund 40 Prozent der deutschen Felder wird Getreide angebaut, [2][die | |
Hälfte davon ist Weizen]. Um die Pflanzen optimal zu versorgen, muss der | |
Boden nach der Aussaat fit gehalten werden. Er wird teilweise gedüngt und | |
muss die immer häufigeren längeren Dürrezeiten überstehen. Je nach Getreide | |
vergehen knapp zehn Monate Feldarbeit bis zur Ernte. | |
Entscheidend für die langfristige Fruchtbarkeit des Bodens ist dabei der | |
[3][Wechsel zwischen Saatgut], das im Frühling oder Herbst ausgesät wird, | |
sowie der Fruchtwechsel. Da es auf einem landwirtschaftlichen Feld meist | |
kein Nebeneinander der Pflanzen gibt, muss ein zeitliches Nacheinander | |
geplant werden. Sonst gibt es Probleme mit Krankheiten, Schädlingen und | |
Unkraut, wodurch die Erträge sinken. Auch wenn aufgrund des Kriegs in der | |
Ukraine aktuell noch Weizen nach Weizen angebaut werden darf: Immer | |
dieselben Pflanzen hält kein Boden auf Dauer aus. | |
## Der Handel | |
Die Ernte sollte schnell verkauft werden. Ansonsten muss das Korn in Silos | |
gelagert und ständig auf Temperatur und Feuchtigkeit überprüft werden, | |
damit es nicht schlecht wird. Ein kleiner Teil des Getreides geht direkt an | |
lokale Mühlen, ein weiterer wird im eigenen Betrieb als Saatgut, Futter | |
oder Energieträger genutzt. [4][Der Großteil aber wird an den Agrarhandel | |
verkauft], einer Zwischenstation zwischen Erzeugenden und Markt. | |
Der Preis für das Getreide richtet sich dabei nach Qualität, Reinheit, | |
Feuchtigkeit sowie nach Angebot und Nachfrage, regional und weltweit. Die | |
Folge: Der Preis schwankt heftig und häufig ohne erkennbares Muster. 2022 | |
lag es allerdings zweifelsfrei am [5][Krieg in der Ukraine]: Die Preise | |
stiegen um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Mai erreichten sie den | |
höchsten Stand seit 1990. Seitdem fallen die Preise wieder. Eine | |
Orientierung für den Preis geben die [6][Getreidebörsen], an denen | |
Spekulierende mit großen Mengen handeln. | |
## Die Mühle | |
Ein paar Landwirtschaftsbetriebe mahlen und backen ihr Getreide selbst. Sie | |
wissen genau, wo die Körner gewachsen sind, die im Brot stecken. Aber auch | |
sonst stammt das Mehl in Deutschland vorrangig aus der Region, denn der | |
teure Transport lohnt sich nicht. Nur etwa 5 Prozent des Weizens werden | |
importiert. Der Großteil des Getreides wird in Mühlen gemahlen. Gab es 1950 | |
bundesweit noch rund 19.000, [7][sind es heute nur noch wenige hundert | |
Mühlen]. Und 20 davon kaufen über 80 Prozent der Getreideernte auf. | |
Die Mühlen prüfen das Getreide zunächst im Labor auf Reinheit und | |
Eiweißgehalt und testen es bei Backversuchen. Wie viel Wasser nimmt es auf? | |
Wie sehr klebt es? Nach der Reinigung wird das Getreide gemahlen: erst zu | |
Schrot, dann zu Grieß, schließlich zu feinem Mehl. Für das beliebte | |
Weizenmehl wird nur der Mehlkörper des Korns gemahlen. Es ist lange | |
lagerfähig, aber nährstoffarm. Für das reichhaltigere Vollkornmehl werden | |
auch Getreideschalen und Keimlinge vermahlen. | |
## Die Bäckerei | |
In Säcken und Paketen abgefüllt, landet das Mehl schließlich in den | |
Bäckereien und Großbetrieben für Backmischungen, Pizza und Co. Sie kaufen | |
etwa 90 Prozent Weizenmehl ein, weil es am einfachsten zu verarbeiten und | |
zu lagern ist und die Kundschaft Weißbrot liebt. Der Mehltyp einer | |
Mehlsorte – zum Beispiel 405, 610 oder 1150 – richtet sich nach den | |
enthaltenen Mineralstoffen: Mehl vom Typ 405 hat auf 100 Gramm gerechnet | |
405 Milligramm Mineralstoffe. | |
Die Qualität des Mehls zeigt sich spätestens beim Backen. Saatgut, | |
Bodenqualität und Wetterverhältnisse wirken sich auf den Gehalt der Stärke, | |
der Proteine und des Feuchtklebers im Mehl aus. Diese Eigenschaften | |
entscheiden später, wie luftig das Backwerk ist, welchen Biss es hat, wie | |
es schmeckt – aber natürlich nicht nur. Aus demselben Mehl lassen sich mit | |
unterschiedlichem Aufwand verschiedene Backwerke herstellen. Manchmal darf | |
ein Teig tagelang ruhen, mal rattert er rastlos durch die Backstraße. | |
24 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Getreide_Getr… | |
[2] https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Getreide_Getr… | |
[3] https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-foerste… | |
[4] https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Getreide_Getr… | |
[5] /Getreideexporte-aus-der-Ukraine/!5898475 | |
[6] https://vdg-ev.de/ueber-uns/hamburger-getreideboerse/ | |
[7] https://www.mein-mehl.de/getreide/muehlen-in-deutschland | |
## AUTOREN | |
Philipp Brandstädter | |
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