Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Putschversuch in Brasilien: Aufklärung nach dem Schock
> In ganz Brasilien gehen Menschen auf die Straßen und fordern harte
> Strafen für die Putschisten. Präsident Lula besichtigt den zerstörten
> Plenarsaal.
Bild: „Keine Amnestie. Gefängnis für Putschisten“: Protest in Rio de Jane…
Rio de Janeiro taz | Als Luciane Costa – 46 Jahre, kurze blondgefärbte
Haare, bunte Bluse – die Bilder der marodierenden Demonstrant*innen im
Fernsehen sah, habe sie Angst verspürt. „Es war ein Angriff auf unsere
Demokratie“, sagt sie. „Die Verantwortlichen müssen mit der vollen Härte
des Gesetzes bestraft werden.“
Costa steht auf dem Cinelândia-Platz im Zentrum Rio de Janeiros. Einige
tausend Demonstrant*innen haben sich zwischen dem hell angestrahlten
Gebäude des Stadtrates und dem altehrwürdigen Stadttheater eingefunden.
Immer wieder schallte es über den Platz: „Keine Amnestie, keine Amnestie!“
Viele sind wütend. Denn am Sonntag erlebte Brasilien eine der dunkelsten
Stunden seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1985.
Tausende Anhänger*innen des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair
Bolsonaro hatten [1][das Regierungsviertel gestürmt]. Einige hundert
drangen in das Kongressgebäude, den Obersten Gerichtshof und den
Präsidentenpalast ein. Sie legten Feuer, zerstörten Kunstwerke, urinierten
in Büros und prügelten auf Journalist*innen ein. Es entstand ein
erheblicher Sachschaden an, wie Videos und Fotos in den sozialen Medien
zeigen.
Am 30. Oktober hatte Bolsonaro die Stichwahl gegen den [2][Sozialdemokraten
Luiz Inácio Lula da Silva] verloren. Seit der Niederlage demonstrieren die
Anhänger*innen Bolsonaros gegen die Wahlergebnisse. Viele glauben, die
[3][Wahl sei gestohlen worden] – obwohl es dafür keinerlei Anhaltspunkte
gibt. Am Neujahrstag war Lula feierlich in Brasília vereidigt worden,
Hunderttausende bejubelten den Regierungswechsel.
## 1.200 Bolsonaro-Fans festgenommen
Besonders in der Kritik stehen Teile der Sicherheitskräfte. Einige
Polizist*innen paktierten mit den rechtsextremen Demonstrierenden,
ließen sie in das Regierungsviertel vordringen und posierten sogar gut
gelaunt mit rechten Fanatiker*innen. Dennoch gelang es noch am
Sonntagabend, [4][die Lage unter Kontrolle] bringen. Am Montagabend
erklärte Justizminister Flávio Dino: „Wir glauben, dass das Schlimmste
vorbei ist.“
Fast alle politischen Kräfte Brasiliens verurteilten die Angriffe scharf.
In den brasilianischen Medien werden die Angreifer*innen als
„Terroristen“ bezeichnet. Regierungsvertreter*innen versprachen eine
lückenlose Aufklärung und fordern eine harte Bestrafung für die
Eindringlinge.
Am Montagmorgen ordnete Verfassungsrichter Alexandre de Moraes an,
Protestcamps von Bolsonaro-Anhänger*innen räumen zu lassen. Rund 1.200
Bolsonaro-Fans wurden in Brasília festgenommen und in ein Gebäude der
Bundespolizei gebracht. Die Beschuldigten könnten unter anderem wegen
terroristischer Aktivitäten und Bildung einer krimineller Vereinigung
angeklagt werden.
Justizminister Dino erklärte, man werde die Hintermänner der
Putsch-Proteste finden. Laut Dino sollen bereits in zehn Bundesstaaten
Auftraggeber*innen ermittelt worden sein, die die Gewaltakte
finanziert haben sollen. „Die entschiedene Reaktion unseres Justizministers
war in dieser angespannten Situation extrem wichtig“, sagte Elika Takimoto,
Landtagsabgeordnete der Arbeiterpartei PT, der taz.
## US-Abgeordnete wollen Bolsnoaro ausweisen
Auch Internetnutzer*innen wollen bei der Aufklärung helfen. In den
sozialen Medien erschufen sie Profile, wo sie Fotos von Eindringlingen
posteten, um so Täter*innen ausfindig zu machen. Brasiliens Präsident
Lula traf sich am Montagabend mit den 27 Gouverneur*innen der
Bundesstaaten und erklärte: „Sie wollen einen Putsch, aber es wird keinen
Putsch geben.“ Nach dem Treffen liefen Lula und die Gouverneur*innen
händehaltend zum Obersten Gerichtshof und besichtigten den zerstörten
Plenarsaal.
Ex-Präsident Bolsonaro hatte sich bereits am 30. Dezember in die USA
abgesetzt, offenbar aus Angst vor einer Strafverfolgung wegen seiner
Coronapolitik. Mehrere US-amerikanische Abgeordnete wollen nun versuchen,
ihn aus den USA auszuweisen. Ende Januar dürfte sein Visum auslaufen.
Am Sonntag kritisierte Bolsonaro bei Twitter zwar die Angriffe seiner
Unterstützer*innen, allerdings machen ihn viele für die Gewalt
mitverantwortlich. So auch Luciane Costa, die Demonstrantin aus Rio de
Janeiro. „Er hat die volle Verantwortung und muss bestraft werden.“
10 Jan 2023
## LINKS
[1] /Sturm-auf-Kongress-in-Brasilien/!5907306
[2] /Brasilien-nach-Bolsonaro/!5903636
[3] /Praesidentschaft-in-Brasilien/!5897798
[4] /Nach-dem-Putschversuch-in-Brasilien/!5904906
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Brasilien
Jair Bolsonaro
Luiz Inácio Lula da Silva
Rechtsextremismus
Brasilien
Brasilien
Brasilien
Brasilien
Brasilien
Brasilien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Angeblicher Putschversuch in Brasilien: Ermittlungen gegen Bolsonaro
Nach seiner Abwahl im Jahr 2022 soll der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro
zum Staatsstreich aufgerufen haben. Dies bestätigen nun ranghohe
Ex-Militärs.
Rechte Revolte in Brasilien: Armee des Wahns
In Brasilien ist der Sturm auf das Parlament gescheitert. Wie schon 2021 in
Washington hat populistisches Gift die Bevölkerung angestachelt.
Sturm auf Kongress in Brasilien: Verpatzter Putsch
Nach dem Sturm auf den Kongress in Brasilien gehören die Teilnehmer vor
Gericht. Dabei geht es nicht um Vergeltung, sondern um Demokratie.
Nach Sturm auf Kongress in Brasilien: Haftbefehl gegen Ex-Sicherheitschef
Dem Bolsonaro-Vertrauten wird Fehlverhalten beim Sturm auf den Kongress in
der Hauptstadt Brasília vorgeworfen. Während des Angriffs urlaubte er in
den USA.
Nach dem Putschversuch in Brasilien: Mob und Machtprobe
Die Attacke auf Kongress, Gericht und Präsidentenpalast in Brasilien ist
gescheitert. Was bleibt, ist eine fanatische und gewaltbereite Bewegung.
Sturm auf Kongress in Brasilien: Angriff mit Ansage
Der Sturm auf den Kongress in Brasília war gut vorbereitet. Doch der
Bolsonaro-Mob ist mit dem Putschversuch gescheitert – dank wehrhafter
Demokratie.
Brasilien nach Bolsonaro: 38 Stunden für Lula
Maria Monteiro Gomes ist weit gereist, um der Amtseinführung Lula da Silvas
beizuwohnen. Sie jubelt. Doch was bedeutet der neue Präsident für
Brasilien?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.