# taz.de -- Spannungen in Jerusalem: Einpeitschen am Heiligtum | |
> Itamar Ben-Gvir ist Israels Minister für Nationale Sicherheit. Nun war | |
> der rechte Politiker am Tempelberg – offenbar eine bewusste Provokation. | |
Bild: An einer Eskalation interessiert? Israels Minister für Nationale Sicherh… | |
Tel Aviv taz | Es war eine seiner ersten Amtshandlungen: Der neue | |
israelische Minister für Nationale Sicherheit, [1][Itamar Ben-Gvir,] | |
besuchte am Dienstagmorgen den Tempelberg in Jerusalem. Der Chef der | |
rechtsextremen Partei Jüdische Stärke hat damit in der ersten Woche seines | |
Amtes klargemacht, dass er auch in seiner Funktion als Minister seine | |
Agenda durchziehen und den dort herrschen Status quo verändern will. | |
Der [2][Tempelberg], auf dem die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen, | |
ist einer der am meisten umkämpften Orte im palästinensisch-israelischen | |
Konflikt. | |
Für Jüdinnen und Juden ist der Berg heilig, weil dort bis zu seiner | |
Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. der Zweite Tempel stand. Mit | |
der Zerstörung begann die jüdische Diaspora – womit Jerusalem zum | |
Sehnsuchtsort vieler Jüdinnen und Juden wurde. | |
Im Islam stellt er die drittheiligste Stätte dar. Das Gelände ist außerdem | |
zu einem Symbol eines erhofften palästinensischen Staates geworden und | |
verbindet die Palästinenser*innen im Gazastreifen, im Westjordanland, | |
in Israel und weltweit symbolisch miteinander. | |
## Ben-Gvir: Zeiten haben sich geändert | |
Verwaltet wird der Tempelberg von der jordanischen Waqf-Stiftung. Derzeit | |
gilt laut ungeschriebenem Status quo, dass nur Muslime auf dem Tempelberg | |
beten dürfen. Nichtmuslime dürfen den Tempelberg zu bestimmten Zeiten | |
besuchen, jedoch nicht dort beten. | |
Besuche von jüdisch-israelischen Politiker*innen auf dem Plateau | |
werden von palästinensischer Seite als besondere Provokation und als | |
Bedrohung des Status quo verstanden. Gleichwohl räumen seit einigen Jahren | |
verschiedene extrem rechte jüdische Knessetabgeordnete dem Tempelberg | |
Priorität ein und besuchen den Ort regelmäßig – sie müssen diese jedoch | |
zuvor genehmigen lassen. Zuletzt besuchte Ben-Gvir den Tempelberg im | |
vergangenen März. | |
Die militante Organisation Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert und | |
sich den Schutz von al-Aksa auf die Fahnen geschrieben hat, warnte, dass | |
ein Besuch des Ministers für Nationale Sicherheit auf dem Tempelberg „die | |
Situation in die Luft jagen“ werde. | |
Ben-Gvir twitterte kurz nach seinem Besuch: „Die israelische Regierung, der | |
ich angehöre, wird sich einer abscheulichen Mordorganisation nicht ergeben. | |
[…] Wenn die Hamas denkt, dass sie mich abschrecken wird, wenn sie mich | |
bedroht, dann lasst sie verstehen, dass sich die Zeiten geändert haben.“ | |
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich zu dem | |
Tempelberg-Besuch seines Ministers zunächst nicht, aber er wird nicht wie | |
geplant nächste Woche nach Abu Dhabi (Vereinigten Arabischen Emirate) | |
fliegen. Es wäre der erste öffentliche Besuch des neuen Regierungschefs in | |
dem Golfstaat gewesen. Diese Ankündigung kam Stunden nach dem | |
Tempelberg-Besuch, der international, auch in den Emiraten, auf breite | |
Ablehnung stieß. | |
## Sorgen vor dem Frühjahr: Ramadan und Pessach gleichzeitig | |
Auch die palästinensische Autonomiebehörde kritisierte den Besuch als | |
„beispiellose Provokation“. Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid | |
und verschiedene israelische Nichtregierungsorganisationen verurteilten den | |
Besuch ebenfalls scharf. | |
„Ben-Gvir ist an einer Eskalation interessiert“, erklärt Aviv Tatarsky von | |
der Nichtregierungsorganisation Ir Amim, die sich auf den | |
israelisch-palästinensischen Konflikt in Jerusalem konzentriert: „Ben-Gvir | |
hat in der Vergangenheit erklärt, dass die Moscheen auf dem Tempelberg | |
vorübergehend seien. Sein politisches Lager glaubt, dass Eskalation der Weg | |
ist, um ihre Ziele zur jüdischen Vorherrschaft auch auf dem Tempelberg | |
durchzusetzen – jüdische Vorherrschaft, so wie sie in der | |
Koalitionsvereinbarung dieser neuen extrem rechten Regierung festgehalten | |
ist.“ | |
Mit Sorge blicken viele Israelis und Palästinenser*innen außerdem auf | |
das kommende Frühjahr. Wie schon im vergangenen Jahr überschneiden sich | |
auch in diesem Ramadan und [3][Pessach] im April. Ramadan ist für | |
gewöhnlich ohnehin eine Zeit erhöhter Spannung in Jerusalem, zumal wenn es | |
mit dem höchsten jüdischen Fest zusammenfällt. | |
3 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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