| # taz.de -- Die Verständnisfrage: Lasst eure Emotionen zu! | |
| > Warum wollt ihr die Menschen nicht im Herzen berühren?, fragt eine | |
| > Leserin. Weil das nicht ausreicht, antwortet eine | |
| > Letzte-Generation-Aktivistin. | |
| Bild: Aktivisten der Organisation „letzte Generation“ blockieren eine Stra�… | |
| In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren | |
| Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine | |
| Person, die antwortet. | |
| Anna W., 70, Rentnerin aus Mecklenburg-Vorpommern fragt: | |
| Liebe Letzte Generation, warum startet ihr keine Aktionen, die Menschen im | |
| Herz berühren, anstatt sie aufzuregen? | |
| *** | |
| Carla Rochel, 20, Aktivistin aus Berlin antwortet: | |
| Uns war von Anfang an klar, was uns an Hass, Ablehnung und Empörung | |
| entgegenschlagen würde. Wir sind nicht davon ausgegangen, dass wir uns | |
| beliebt machen, das war nie unser Ziel und dafür auch nicht relevant. | |
| Wir haben [1][nach den Demonstrationen von Fridays for Future] verstanden, | |
| dass das einfach nicht ausreichen wird. Damals waren über eine Million | |
| Menschen in Deutschland auf der Straße und sie hatten die Sympathien der | |
| gesamten Bevölkerung hinter sich. Doch auch das hat nicht ausgereicht, um | |
| die Regierung dazu zu bewegen, endlich effektiven Klimaschutz umzusetzen. | |
| Dass wir den brauchen, steht ja außer Frage. | |
| Die Personen, [2][die 2021 mit dem Hungerstreik starteten], haben sich | |
| vorher viel mit der Geschichte des zivilen Widerstands beschäftigt. Zum | |
| Beispiel mit dem Frauenwahlrecht, das wurde auch erkämpft, indem Gesetze | |
| gebrochen wurden. Diesen Punkt haben wir in der Klimakrise jetzt auch | |
| erreicht. Wir haben nur noch wenige Jahre, um das Ruder herumzureißen. | |
| Deshalb brauchen wir jetzt dringend mehr Maßnahmen von der Bundesregierung | |
| und haben uns bewusst für diese Form des friedlichen Widerstands | |
| entschieden. | |
| Wir versuchen schon, die Menschen im Herzen zu berühren. Das gelingt uns | |
| auch oft. Die Voraussetzung ist aber, dass die Menschen ihre Emotionen auch | |
| zulassen, dass sie sich damit beschäftigen, was unsere Aktionen bei ihnen | |
| auslösen. Die Menschen dürfen Gefühle wie Angst nicht abblocken. Das ist | |
| ganz wichtig für uns. | |
| Unsere Leute, die da jetzt gerade auf die Straße gehen, lassen ihre | |
| Emotionen zu. Und diese sind so stark, dass es sich anfühlt, als würde | |
| ihnen jemand den Boden unter den Füßen wegreißen. [3][Das tragen sie dann | |
| nach außen,] zum Beispiel indem sie protestieren. | |
| ## Miteinander sprechen hilft | |
| Ich habe häufig erlebt, dass die Autofahrer*innen, die in den ersten Reihen | |
| stehen, aussteigen und nach vorne kommen. Die sind dann erst mal wütend und | |
| schreien uns an. Wenn man dann aber mit ihnen ins Gespräch kommt, ist da | |
| oft auch viel Verständnis. | |
| Letztens ist ein Autofahrer ganz knapp an der Blockade vorbeigerast und ist | |
| dabei einer Freundin fast über die Hand gefahren. Er ist erst | |
| weitergefahren, kam aber nach zwanzig Minuten zurück. Er hat dann gesagt, | |
| er habe nicht so recht gewusst, was ihn dazu gebracht habe, und hat sich | |
| entschuldigt. Wenige Wochen später saß er dann mit uns gemeinsam auf der | |
| Straße. | |
| Unsere Aktionen lösen auch deshalb viele Emotionen aus, weil wir bereit | |
| sind, in Kauf zu nehmen, [4][ins Gefängnis zu kommen]. Wir sind bereit, | |
| hohe Strafen auf uns zu nehmen und vielleicht unser Leben lang verschuldet | |
| zu leben. Das geht anderen sehr nahe und macht für sie spürbar, wie | |
| dramatisch die Situation ist. | |
| Die Autobahn ist kein Ort, an dem man gerne sein möchte. Da sitzen nicht | |
| nur Jugendliche, sondern auch Menschen, die mitten im Berufsleben oder kurz | |
| vor der Rente stehen oder sogar schon Rentner*innen sind. Wir wären | |
| wirklich dankbar, wenn wir diese Proteste nicht machen müssten, wenn wir | |
| uns nicht immer und immer wieder in die Schusslinie begeben und uns diesem | |
| Konflikt aussetzen müssten. Aber uns bleibt keine andere Wahl. | |
| Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum sind | |
| andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen | |
| besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an | |
| [5][[email protected]]. | |
| 15 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pia Pentzlin | |
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