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# taz.de -- Die Verständnisfrage: Es hat sich ausgedoktort!
> Warum werden Doktortitel hoch angesehen, fragt eine Zehntklässlerin. Weil
> viel Fleiß in einer Doktorarbeit steckt, antwortet ein Karriereberater.
Bild: Sie hat wohl nicht ganz durchgehalten für den Doktortitel
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
Maya, 15, Zehntklässlerin aus Hamburg, fragt:
Liebe Erwachsene, warum werden Menschen mit Doktortitel höher angesehen?
***
Jens Hohensee, 59, Karriereberater, antwortet:
Wer eine Doktorarbeit geschrieben hat, hat vor allem eines bewiesen:
Durchhaltevermögen. Je nach Fachgebiet kann das nämlich mehrere Jahre
dauern. Man muss bereit sein, sich dafür die Zeit zu nehmen und finanziell
zurückzustecken. Während ich meine Doktorarbeit geschrieben habe, gab es
definitiv auch trübe Tage, an denen ich am liebsten einfach aufgegeben
hätte. Als ich es dann geschafft hatte, war ich sehr stolz. Und deshalb
habe ich heute – wie vermutlich andere Akademiker und Akademikerinnen auch
– Respekt vor jedem, der sich durch diese Zeit gequält und es geschafft
hat.
Ich hatte schon damals die Wahrnehmung, dass es ein Privileg ist, eine
Doktorarbeit zu schreiben. Nicht jeder hat den gleichen Zugang zu Bildung
oder kann es sich leisten, zum Schreiben der Doktorarbeit eine Auszeit zu
nehmen. Grundsätzlich finde ich es auch nicht fair, wenn Menschen mit
Doktortitel von Beginn an ein höheres Einstiegsgehalt bekommen.
Vor rund zehn Jahren war es noch Standard, dass sie ein bis zu 15 Prozent
höheres Gehalt bekommen haben. In manchen Fällen mag es gerechtfertigt
sein, wenn beispielsweise die Doktorarbeit so viel mit der neuen Stelle zu
tun hat, dass sie tatsächlich einen besseren Einstieg in den Job
ermöglicht. Aber pauschal nur aufgrund des Doktortitels mehr Gehalt zu
bekommen, halte ich nicht für angemessen.
Ganz generell verliert die Anerkennung [1][für akademische Abschlüsse]
meines Erachtens zunehmend an Wert, wenn immer mehr Menschen studieren.
Doktortitel betrifft das hier noch nicht ganz so stark. Das mag aber auch
eine deutsche Besonderheit sein. Zum Vergleich: Der PhD, das
angloamerikanische Pendant zum Doktortitel, taucht im Namen nicht auf. In
Deutschland kann man sich dagegen seinen Doktortitel sogar in den
Personalausweis eintragen lassen. Auch das könnte ein Grund sein, warum der
Titel noch immer so eine große Wertschätzung erhält.
## Es dreht sich nicht mehr alles um den Abschluss
Ich arbeite als Leiter Karriere Services bei einem Beratungsunternehmen und
betreue mit meinem Team ausscheidende Kolleginnen und Kollegen und unsere
Ehemaligen bei der beruflichen Neuorientierung. Der Arbeitsmarkt wandelt
sich rasant. Das liegt zum einen am demografischen Wandel. Wir erleben
aktuell [2][nicht nur einen Fachkräfte-], sondern auch einen
Führungskräftemangel. In den Chefetagen findet ein Generationenwechsel
statt und viele Stellen müssen neu besetzt werden. Unternehmen können daher
nicht mehr so wählerisch sein wie früher.
Es geht nicht mehr nur darum, welche Abschlüsse ein Mensch hat, sondern
auch, was sich links und rechts seines Berufsweges abgespielt hat. Hat sich
die Person vielleicht politisch, sozial oder wohltätig engagiert? Solche
Dinge werden wichtiger. Und das ist auch gut so, weil dadurch auch Menschen
mit bewegteren Lebenswegen berücksichtigt werden können: Menschen, die sich
Auszeiten genommen haben oder die beispielsweise von Großunternehmen in
Start-ups gewechselt sind, bringen ganz andere, aber nicht weniger
bereichernde Fähigkeiten in ihre Jobs mit.
Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um
alles in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn
Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre
Frage an [3][[email protected]].
19 Feb 2023
## LINKS
[1] /Anerkennung-von-Berufsabschluessen/!5914559
[2] /Politik-und-Fachkraeftemangel/!5884026
[3] /[email protected]
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
## TAGS
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Zukunft
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Skifahren
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