# taz.de -- Wahlkampf in Tschechien: Hauptsache, nicht Babiš | |
> Am Freitag wählen die Menschen in Tschechien den künftigen Präsidenten. | |
> Keiner der drei Favoriten hat eine wirklich weiße Weste. | |
Bild: Pünktlich zur Wahl von den „Storchennest“-Vorwürfen freigesprochen:… | |
PRAG taz | Vorhang auf: Am Freitag den 13., Punkt 14 Uhr, öffnen die | |
Wahllokale. Das tschechische Volk ist aufgerufen zur Abstimmung über sein | |
neues Oberhaupt. Zum dritten Mal in fünfjähriger Folge stimmen Tschechinnen | |
und Tschechen in einer direkten Wahl selbst darüber ab, wer in den | |
kommenden fünf Jahren, inklusive einmaliger Wiederwahlmöglichkeit, in der | |
Rolle des Präsidenten schlüpfen darf, der im tschechischen Idealismus als | |
Väterchen der Nation von der Prager Burg aus die Geschicke der Republik im | |
Auge behält. | |
Mutterfiguren sind dabei keinesfalls ausgeschlossen: Die Brünner | |
Akademikerin Danuše Nerudová gilt als eine der drei heißen FavoritInnen im | |
Wettlauf um den Platz in der Burg. Neben ihr stehen in der ersten Reihe: | |
Ex-Armeegeneral Petr Pavel und der inzwischen allseits bekannte | |
Ex-Ministerpräsident und Oligarch Andrej Babiš. | |
Der 68-Jährige hat in den vergangenen Wochen vor allem durch eine eher | |
hybride Wahlkampagne auf sich aufmerksam gemacht. Zum einen, weil er im | |
eigentlich üblichen Zirkus der Vorwahldebatten durch Abwesenheit glänzte. | |
Im Hinblick auf das vulgäre Auftreten des gebürtigen Slowaken, der Mitte | |
der 1990er nach Tschechien übergesiedelt war, ein weiser Zug. | |
Umso mehr, als Babiš am Montag vor den Wahlen gerichtlich von [1][den | |
Vorwürfen freigesprochen wurde], die ihm seit Beginn seiner politischen | |
Laufbahn anhafteten: Die Aktienschacherei um das [2][Luxusprojekt | |
„Storchennest“] stellt keine Straftat dar. | |
## Oligarch gegen Militär gegen Akademikerin | |
Am Tag nach dem Freispruch wurde Andrej Babiš vom französischen Präsidenten | |
Emanuel Macron im Élysée-Palast empfangen. Man wolle über Frieden in der | |
Ukraine reden, ließ Babiš mit entsprechend siegreichem Unterton über | |
sämtliche sozialen Medien wissen. Am Tag vor Öffnung der Wahllokale | |
stilisierte er sich auf den Titelseiten der ihm nahestehenden Massenpresse | |
in einer dramatisierten Zeichnung zum „einzig möglichen Präsidenten“, weil | |
„unser Land leidet“. | |
Während Babiš auf Staatsmann macht, spielen die beiden anderen FavoritInnen | |
etwas wie „Schwiegertochter gesucht“. Andrej Babiš mag von Macron empfangen | |
worden sein, er aber sei Träger des französischen Militärverdienstkreuzes, | |
kommentierte Kandidat Petr Pavel die [3][PR-Aktion Babiš’ mit dem | |
französischen Präsidenten]. Als Befehlshaber der Unprofor in der Republik | |
Serbische Krajina in den Jahren 1992/93 war es Pavel gelungen, eine | |
französische Einheit aus der Gefahrenzone der Gefechte zu evakuieren. | |
Der 61-Jährige hat eine aalglatte Militärkarriere hinter sich: ausgebildet | |
in Camberley und London, stellvertretender Oberbefehlshaber der | |
tschechischen Streitkräfte, Chef des Generalstabs, Vorsitzender des | |
Nato-Militärausschusses. Den Kratzer im Image gibt der Beginn seiner | |
Militärkarriere. | |
Als hoffnungsvoller Rekrut aus einer regimetreuen Familie erhielt Pavel | |
schnell das Angebot in die Elite: Teil der militärischen Aufklärung zu | |
werden, die die Vorfront des kommunistischen Regimes bildete. Auch nach | |
innen hin. Dass Pavel diese Möglichkeit nutzte und dafür ohne zu zögern der | |
Kommunistischen Partei beitrat, macht ihn bis heute, 33 Jahre nach der | |
Wende, für viele unwählbar. | |
## Doktortitel im Angebot | |
Danuše Nerudová kann zumindest mit der Gnade der späten Geburt aufwarten. | |
Die 44-Jährige will die erste wahrlich postkommunistische Generation | |
Tschechiens verkörpern. Sie sei die einzige ernsthafte Kandidatin, die | |
nicht Mitglied der Kommunistischen Partei war, betonte Nerudová, die 1989 | |
gerade mal zehn Jahre alt war, in ihrer Wahlkampagne. | |
Die Ökonomin hat ihr bisheriges Leben seit ihrem Abitur auf die Brünner | |
Mendel Universität beschränkt, bis sie an derselben zu Professorin und | |
Rektorin berufen wurde. Trotz Verbundenheit und Führungspositionen sieht | |
sie sich allerdings nicht in der Verantwortung dafür, dass die | |
Mendel-Universität über Agenturen in Deutschland und Österreich | |
[4][Doktortitel bei minderer akademischer Anforderung] verkauft. Kein | |
Wunder, dass Nerudová vielen als ein um noch viel künstlicheres Produkt | |
gilt als General Pavel. | |
Neben dem favorisierten Dreier aus Babiš, Pavel und Nerudová, kandidieren | |
weitere vier Kandidaten: Ex-Minister Jaroslav Bašta fabuliert schon jetzt | |
davon, die Regierung par ordre du mufti auszutauschen. Zwei weitere | |
Kandidaten, Marek Hilšer und Pavel Fischer, waren schon bei den letzten | |
Wahlen unter den Verlierern. Schon jetzt jammern viele Tschechinnen und | |
Tschechen, in der Wahl ginge es um das kleinste Übel. Alles nur nicht | |
Babiš. | |
Wenn am Samstag die Wahllokale schließen, ist noch nichts entschieden. Die | |
Frage, die den ersten Wahlgang beherrscht, lautet nicht: Wer macht in der | |
Stichwahl das Rennen? Sondern: Wer hat die besten Chancen gegen Andrej | |
Babiš? | |
12 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Vor-den-Wahlen-in-Tschechien/!5904863 | |
[2] /Vorwuerfe-gegen-Tschechiens-Premier/!5801470 | |
[3] https://www.lemonde.fr/en/international/article/2023/01/11/andrej-babis-mak… | |
[4] https://deutsch.radio.cz/betriebswirtschaftliche-fakultaet-der-mendel-unive… | |
## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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