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# taz.de -- Vor den Wahlen in Tschechien: Freispruch für Babiš
> Tschechiens Ex-Premier war wegen Erschleichens von EU-Geldern angeklagt.
> Nun ist er freigesprochen worden – kurz vor den Präsidentschaftswahlen.
Bild: Will in die Prager Burg: Andrej Babiš, Bewerber ums Präsidentenamt in T…
Prag taz | Freispruch für Andrej Babiš: Nach 15 Verhandlungstagen erklärte
das Prager Stadtgericht den ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten
und Oligarchen für nicht schuldig.
Dem Milliardär war vorgeworfen worden, sich vor 15 Jahren Fördermittel der
Europäischen Union in Höhe von umgerechnet zwei Millionen Euro erschlichen
zu haben. Laut Staatsanwaltschaft habe Babiš damals veranlasst, sein
Luxusanwesen „Storchennest“ aus dem Portfolio seiner Agrofert-Holding
herauszulösen und auf Familienmitglieder zu übertragen, um so an
EU-Subventionen für kleine und mittelständische Unternehmen zu gelangen.
[1][Die Ermittlungen dauerten Jahre an], die Akte des Falls enthält etwa
35.000 Seiten. Die Anklage forderte schließlich drei Jahre Haft sowie eine
Strafzahlung von umgerechnet knapp 400.000 Euro.
Doch Richter Jan Šott kam zu einem anderen Urteil: “Die Tat, die in der
Anklage dargestellt wird, ist keine Straftat“, betonte der Richter zum
Abschluss seiner Urteilsverkündung. Die Staatsanwaltschaft habe nicht
eindeutig beweisen können, dass das Herumreichen von Aktien um das
Storchennest zweckmäßig war.
## Einer der drei Favoriten bei der Präsidentschaftswahl
„UNSCHULDIG!“, frohlockte Babiš, der nicht zur Urteilsverkündung vor
Gericht erschienen war, sondern seine Gefühle „lieber in seinem
Schlafzimmer ausleben“ wollte, [2][nach dem Richterspruch auf Twitter].
Später äußerte er sich zum Freispruch bei einer Pressekonferenz: „Ich habe
wiederholt erklärt, dass ich nie etwas Illegales getan habe, ich habe
nichts gegen das Gesetz verstoßen. Dieser Fall wurde schon immer bei
verschiedenen Wahlen verwendet“, sagte er. Babiš bemerkte, dass die ganze
Affäre ein großes Trauma für ihn und seine Familie war. Ihm zufolge mussten
sie sechs Jahre lang mit der Unwahrheit kämpfen.
Der 68-Jährige hat das Verfahren, das sich seit 2015 hinzog, schon immer
als politisch betrachtet: „Es freut mich sehr, dass wir eine unabhängige
Justiz haben und dass das Gericht das bestätigt hat, was ich von Anfang an
gesagt habe. Nämlich, dass ich unschuldig bin und nichts Illegales getan
habe.“
Noch ist das Urteil nicht rechtmäßig, doch dass die Staatsanwaltschaft
Berufung einlegen wird, ist unwahrscheinlich.
Der Freispruch sei eine gute Nachricht für die gesamte Tschechische
Republik, erklärte Babiš weiter. Es beweise, dass „wir in einem Rechtsstaat
leben“ und „ein Gericht haben, das eine unabhängige Entscheidung getroffen
hat“. Vor allem aber bestätige das Urteil seine Version, dass die Causa
Storchennest allein durch seinen Einstieg in die Politik bedingt war.
Jeder habe sich seine Meinung über den Fall gebildet, [3][der seit Jahren
in der Öffentlichkeit steht], sagte der derzeitige tschechische
Ministerpräsident Petr Fiala in seiner Reaktion auf das Urteil. „Das Urteil
eines unabhängigen Gerichts muss akzeptiert werden“, meinte Fiala und lobte
den Rechtsstaat. „In der Demokratie“, so der Regierungschef, „finden die
wahren politischen Kämpfe bei den Wahlen statt, nicht im Gerichtssaal.“
Der politische Kampf geht dieser Tage auf einen weiteren Höhepunkt zu:
Schon Ende dieser Woche, am Freitag und Samstag, findet die erste Runde der
tschechischen Präsidentschaftswahlen an. Einer der drei Favoriten für das
höchste Amt im Staat ist dabei Andrej Babiš.
Sein Freispruch könnte sich auf das Wahlresultat in seinem Sinne auswirken.
Denn das Hauptargument seiner Gegner, ein strafrechtlich verurteilter
Präsident könne unmöglich im Sinne des Wählers liegen, ist nun hinfällig.
Umso mehr wird sich bald auf direktem Weg zeigen, welches Urteil die Wähler
Babiš bereiten werden.
9 Jan 2023
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-tschechischen-Ex-Premier/!5881252
[2] https://twitter.com/AndrejBabis/status/1612368580254769152
[3] /Regierung-in-Tschechien/!5861912
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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