# taz.de -- Spranger fordert nach Silvester Bodycams: „Hat mit Silvester weni… | |
> Die SPD-Innensenatorin will 4.000 Kameras für Polizei und Feuerwehr. | |
> Niklas Schrader (Linke) spricht von Wahlkampf und kritisiert den | |
> Rassismus der CDU. | |
Bild: Bodycams sind Grundrechtseingriffe | |
taz: Herr Schrader, als eine Konsequenz aus den Angriffen auf | |
Ordnungskräfte in der Silvesternacht fordert Innensenatorin Iris Spranger | |
(SPD) die sofortige Anschaffung von 4.000 Bodycams für Einsatzkräfte von | |
Polizei und Feuerwehr. Ist das sinnvoll? | |
Niklas Schrader: Mit der Silvesternacht haben Bodycams wenig zu tun. | |
Offensichtlich versucht die Innensenatorin im Rückenwind der Ereignisse, | |
die Aufrüstung der Polizei voranzutreiben. Wir haben ein [1][vereinbartes | |
Verfahren für einen Testlauf mit 300 Bodycams] bis 2024, und ich sehe | |
keinen Grund, daran etwas zu ändern. | |
Hätten Bodycams bei den Angriffen mit Böllern und Raketen oder der | |
Strafverfolgung helfen können? | |
In solchen Situationen, in denen viele Emotionen, Alkohol oder andere | |
Drogen im Spiel sind, hat das keine Abschreckungswirkung. Auch sind bei | |
Dunkelheit und der teilweisen Vermummung der Täter die Bedingungen für die | |
Beweissicherung nicht gut. Insofern ist diese Debatte schon sehr weit | |
hergeholt. | |
Was bringen Bodycams grundsätzlich und welche Gefahren sehen Sie? | |
Erstmal ist das ein Grundrechtseingriff, weil Daten erhoben werden, auch | |
sehr private. Es werden Menschen aufgenommen und das gesprochene Wort | |
aufgezeichnet. Insofern muss man diesen Eingriff so gering wie möglich | |
halten. Andererseits haben wir in Berlin den Probelauf so konzipiert, dass | |
nicht nur die staatliche Seite die Daten nutzen kann, sondern auch | |
Betroffene von Polizeimaßnahmen – wenn sie der Meinung sind, ihnen sei | |
Unrecht geschehen. Das ist so aber noch nicht ausprobiert worden, daher | |
lassen wir es unabhängig und wissenschaftlich evaluieren. Man muss | |
abwarten, was da herauskommt. | |
Bedeutet Ihre Ablehnung von Sprangers Vorstoß, dass es keine Ausweitung des | |
Bodycams-Tests geben wird? Die [2][Bestellung von 300 Tasern] trotz | |
Probelaufs hat Spranger doch auch gegen Ihren Willen veranlasst. | |
Wir haben eine befristete Regelung für den Einsatz der Bodycams im | |
Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Um sie auch danach einsetzen | |
zu können, braucht auch Frau Spranger die Koalition. Die Evaluation ist für | |
300 Kameras konzipiert. Bei mehr Geräten müsste die neu gestartet werden – | |
und dafür braucht es die Zustimmung des Innenausschusses. Außerdem kosten | |
tausende neue Kameras viel Geld, das wir nicht eingeplant haben. Da käme | |
der Hauptausschuss ins Spiel. Insofern verbuche ich die Forderung unter | |
Wahlkampf. | |
Am Montag wird es im Innenausschuss um die Silvester-Ereignisse gehen. Die | |
CDU hat per Anfrage nach den Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher | |
Staatsbürgerschaft gefragt. Was sagen Sie dazu? | |
Ich finde es schockierend, wie schnell diese ganze Debatte ins Rassistische | |
gedreht wurde und auf einmal nur noch der Migrationshintergrund im | |
Vordergrund steht. Die CDU hat sich mit ihrem Fragenkatalog an die Spitze | |
gesetzt und kocht ein rassistisches Wahlkampfsüppchen. Sie hat die Methoden | |
der AfD übernommen und betreibt deren Geschäft. Wenn die CDU die Debatte | |
auf diese Weise führen will, hat sie an einer Aufklärung kein Interesse. | |
Welche Form von Aufklärung braucht es in den nächsten Tagen? | |
Wir müssen wissen, wie viele Festnahmen und wie viele Straftaten welcher | |
Art es gegeben hat, wie die Polizei aufgestellt war, welche Vorfälle mit | |
der Feuerwehr zu verzeichnen sind. Bei der Struktur der Täter interessiert | |
in erster Linie, was für Motive sie haben, was für Wertvorstellungen, woher | |
diese Wut gegen den Staat kommt. Da muss man schauen, inwiefern fehlende | |
Teilhabechancen und Ausgrenzungserfahrungen, aber auch Erfahrungen mit | |
Rassismus eine Rolle spielen. Das kann man sich alles anschauen, findet man | |
aber nicht über die Vornamen heraus. | |
SPD-Innensenatorin Spranger hat außerdem die Ausweitung von | |
Böllerverbotszonen sowie strengere Regeln für den Verkauf von | |
Schreckschusswaffen gefordert. Was sagen Sie dazu? | |
Es wäre besser, den Verkauf von Böllern ab einer gewissen Sprengkraft zu | |
unterbinden und so zu erreichen, dass diese ganzen Sprengmittel gar nicht | |
erst in Umlauf gelangen. Die Verbotszonen kann man nur punktuell begrenzt | |
einrichten; sie sind kaum durchsetzbar und verlagern das Problem. Der | |
Vorschlag, den ganzen S-Bahn-Ring zur polizeilichen Verbotszone zu | |
erklären, ist willkürlich und rechtlich nicht gut begründbar. Die | |
Verbreitung von Schreckschusswaffen zu reduzieren, halte ich für völlig | |
richtig. Hier ist die Bundesregierung gefragt. In der Vergangenheit hat es | |
auch die CDU verschlafen oder bewusst nicht gemacht, das enger zu regeln. | |
5 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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