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# taz.de -- Nach dem Berliner Wahlchaos: Karlsruhe hat die Wahl
> Das Verfassungsgericht muss über Klagen zum Wahlchaos bei
> Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl entscheiden. Es dürfte kein
> einheitliches Ergebnis geben.
Bild: Am 12. Februar steht für die Berliner*innen wieder Wahlsport auf dem Pro…
Karlsruhe taz | Die Wahlen in Berlin sind derzeit gleich doppelt Thema beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In zwei verschiedenen Verfahren geht
es zum einen um die [1][Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl], zum anderen
um die [2][Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Berliner
Wahlkreisen].
Die Grundfrage ist in die beiden Verfahren die gleiche: Muss die Wahl
komplett wiederholt werden oder genügt eine Teilwiederholung in besonders
betroffenen Stimmbezirken? Auf den ersten Blick könnte man daher meinen,
beide Verfahren müssten auch mit dem gleichen Ergebnis enden. Denn in
beiden Fällen geht es um das gleiche [3][Wahlchaos in den gleichen
Wahllokalen am gleichen Tag, dem 26. September 2021]: Stimmzettel fehlten
oder wurden unzulässig kopiert, Wahllokale mussten zeitweise geschlossen
werden oder [4][blieben unzulässig lange offen].
Dennoch ist sehr wahrscheinlich, dass am Ende unterschiedliche Ergebnisse
stehen: komplette Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl, aber keine
Wiederholung in allen Berliner Bundestagswahlkreisen. Dies liegt nicht nur
an unterschiedlichen Verfahren der Wahlprüfung, sondern auch am
unterschiedlichen Charakter der Wahlen.
Die Wahlprüfung zur Abgeordnetenhauswahl findet nach Berliner Recht
einstufig statt. Über die Einsprüche entschied der Berliner
Verfassungsgerichtshof: Am 16. November 2022 [5][hat das Verfassungsgericht
angeordnet], dass die gesamte Abgeordnetenhauswahl wiederholt werden muss.
Nur so sei „angesichts der Vielzahl und Schwere der Wahlfehler“ wieder ein
verfassungsgemäßer Zustand herzustellen. Aufgrund des Berliner Wahlrechts
muss binnen 90 Tagen neu gewählt werden, außerdem müssen auch die Wahlen zu
allen zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) wiederholt werden.
Gemeinsamer Wahltermin ist der 12. Februar.
Gegen diese Entscheidung des Landesverfassungsgerichts sind nach Berliner
Recht keine Rechtsmittel möglich. Dennoch wurden dagegen beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fünf Verfassungsbeschwerden nach
Bundesrecht erhoben. [6][Die bekannteste Beschwerde wird von 43 Personen
getragen,] unter denen 8 gewählte Mitglieder des Abgeordnetenhauses und
weitere gewählte Mitglieder aus BVVen sind. Die meisten von ihnen wollen
anonym bleiben.
Offen aufgetreten sind allerdings zum Beispiel der frühere Finanzsenator
Matthias Kollatz (SPD), der im Stadtteil Steglitz direkt gewählt wurde, und
der Grüne Bertram von Boxberg, der in der BVV Tempelhof-Schöneberg sitzt.
Die Kläger machen vor allem geltend, dass es im September 2021 in ihren
Wahlgebieten – wie übrigens in den meisten Berliner Wahlgebieten – kaum
Wahlfehler gegeben hat. Es sei daher nicht vertretbar, so die
Argumentation, dass die Wahl in ganz Berlin wiederholt werden muss, also
auch in Wahlkreisen mit unproblematischem Wahlverlauf.
Die Verfassungsbeschwerde hat gute Argumente, aber keine Aussicht auf
Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht stellt in ständiger Rechtsprechung auf
die „Verfassungsautonomie“ der Bundesländer ab, zuletzt im Dezember 2021
in einem Fall aus Thüringen. Die Länder gewähren demnach den Schutz des
Wahlrechts für ihre Wahlen „grundsätzlich allein und abschließend“. Sowe…
es um die Einhaltung der Wahlgrundsätze bei Wahlen auf Landesebene geht,
gebe es deshalb keine Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
## Der Wahlkampf geht weiter
Dementsprechend hat Karlsruhe auch die auf vollen Touren laufenden Berliner
Wahlvorbereitungen nicht gestoppt, obwohl ein entsprechender Eilantrag der
Kläger:innen vorlag. Es wird also höchstwahrscheinlich bei der
Wahlwiederholung am 12. Februar bleiben.
Die Wahlprüfung zur Bundestagswahl verläuft anders. Hier entscheidet
zunächst der Bundestag über Einsprüche. Zu den Vorgängen in Berlin gingen
insgesamt 1.959 Einsprüche ein, die aber überwiegend identisch waren. Der
Bundestag entschied daraufhin am 10. November mit den Stimmen der
Ampelkoalition, dass in 431 von 2.256 Berliner Stimmbezirken, sprich
Wahllokalen, die Bundestagswahl wiederholt werden muss.
Gegen diese Entscheidung kann das Bundesverfassungsgericht mit der
Wahlprüfungsbeschwerde angerufen werden. Bisher sind erst 8 entsprechende
Beschwerden eingegangen. Die Frist läuft aber noch bis zum 10. Januar. Es
fehlen zudem noch die bereits angekündigten Beschwerden der
Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und AfD.
Das Bundesverfassungsgericht wird hier eine volle eigene Prüfung der
Vorwürfe vornehmen. Es prüft also nicht nur, ob die Entscheidung des
Bundestags vertretbar war. Dabei geht es in drei Schritten um die Fragen:
Welche Wahlfehler lagen vor? Welche Fehler waren mandatsrelevant? Was sind
die Rechtsfolgen?
## Eine kurzfristige Entscheidung ist unwahrscheinlich
Es spricht viel dafür, dass das Bundesverfassungsgericht hierzu in einigen
Monaten eine mündliche Verhandlung durchführt. Es wird also keine
kurzfristige Entscheidung geben. Eine Wiederholung von Teilen der
Bundestagswahl am 12. Februar, parallel zur Wiederholung der
Abgeordnetenhauswahl, ist damit schon deshalb nicht möglich, bisher aber
auch nicht geplant.
Zum Ausgang dieser Prüfung kann bereits jetzt prognostiziert werden: Eine
Komplettwiederholung der Berliner Bundestagswahl wird es nicht geben. Es
geht lediglich um die Frage, ob es bei der Wiederholung in 431 Wahllokalen
bleibt oder ob noch einige hundert Wahllokale mehr dazukommen. Auch die
CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat keine Wiederholung der Wahl in allen
bislang zwölf Berliner Wahlkreisen beantragt, sondern nur in sechs von
zwölf Wahlkreisen. In weiteren zwei Wahlkreisen soll laut CDU/CSU die
Erststimmenwahl wiederholt werden und in weiteren Stimmbezirken die
Zweitstimmmenwahl.
Das Berliner Wahlchaos wird also bei der Abgeordnetenhauswahl deutlich
größere Folgen haben als bei der Bundestagswahl. Das ist aber auch
naheliegend. Denn das Argument des Berliner Verfassungsgerichtshofs, nur
eine komplette Wiederholung der Wahl könne die Akzeptanz des Wahlvorgangs
wiederherstellen, war für die Bundestagswahl von vornherein irrelevant.
Schließlich stand eine Wiederholung der Bundestagswahl in ganz Deutschland
nie zur Debatte.
6 Jan 2023
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## AUTOREN
Christian Rath
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