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# taz.de -- Alternative Bestattungsmethode: Leichnam zu Erde in nur 40 Tagen
> Ein Start-up bietet eine Bestattung an, bei der Verstorbene in einer
> Anlage in Mölln zu Humus zersetzt werden. Drei Rechtsmediziner haben
> Bedenken.
Bild: Gebettet auf Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle: Zuerst liegt der Leichnam…
Hamburg taz | Den Leichnam in einen Sarg aus Pilzen legen? Die Asche zu
einem Diamanten verarbeiten? Oder gar die Asche mit Bodensubstrat vermengen
und einen Baum darin pflanzen? Nein, diese kreativen Alternativen zur
Sargbestattung oder der Einäscherung, die bereits in vielen Ländern
praktiziert werden, sind in Deutschland verboten.
Doch das hält das junge Berliner Unternehmen „Meine Erde“ nicht davon ab,
auf den deutschen Bestattungsmarkt zu drängen. Mit seinem Angebot der
„Reerdigung“ verspricht es, dass im schleswig-holsteinischen Mölln ein
Leichnam innerhalb von 40 Tagen zu Erde zersetzt wird. Dabei betont das
Unternehmen, dass eine solche Reerdigung nachhaltig sei, da sie keine
fossilen Brennstoffe benötigt und ressourcenschonender sei als eine
traditionelle Erdbestattung.
In Mölln hat das Unternehmen eine Friedhofskapelle zum europaweit ersten
Alvarium – lateinisch für Bienenstock – umfunktioniert. In der Kapelle
steht ein Kasten aus Holz und Metall mit einer großen Pforte, auch als
„Wabe“ bezeichnet. In der Wabe wiederum steht der „Kokon“, eine Metallt…
mit abgerundeten Enden und je einer Holzstange links und rechts. In diesem
temporären Sarg wird der Leichnam auf ein Gemisch aus natürlichen
Materialien wie Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle gebettet, erklärt
Geschäftsführer Pablo Metz. So seien hier bereits vier Reerdigungen
durchgeführt worden, die fünfte ist seit Anfang Dezember im Gange.
Während das Unternehmen mit anderen Bundesländern noch in Verhandlungen
steht, ist diese Reerdigung in Schleswig-Holstein schon für eine Pilotphase
[1][bis Ende 2023 zugelassen]. Metz betont der taz gegenüber, dass die
Zulassung im Rahmen der bestehenden Gesetze geschah.
## Skepsis bei den Stadtvertreter:innen
Die Zersetzung geschehe durch die „natürlichen Mikroorganismen“, die im und
auf dem menschlichen Körper leben. Von Berlin aus steuert das Unternehmen
die Zersetzung mit Hilfe von Sensoren. Die Regulierung der Feuchtigkeit,
der Temperatur und des Sauerstoffgehalts im Kokon sorgten für die optimalen
Bedingungen für die Mikroorganismen.
Jedoch löste nun die Veröffentlichung eines Artikels in der Zeitschrift
Archiv für Kriminologie bei Möllner Stadtvertreter*innen Skepsis
gegenüber der alternativen Bestattungsform aus. Die drei Rechtsmediziner
Benjamin Ondruschka, Marcel Verhoff und Klaus Püschel bemängeln darin die
fehlende Transparenz des Unternehmens bezüglich der Inhaltsstoffe, die es
für den Zersetzungsprozess beifügt. Auch fehle es an „belastbaren
Informationen, Messwerten oder Dokumenten zur Evaluation“.
Metz entgegnet, dass den zuständigen Ministerien und Gesundheitsbehörden
alle verwendeten Zutaten vorliegen. Der Öffentlichkeit gegenüber wolle das
junge Unternehmen nicht alle Inhaltsstoffe „in der genauen Zusammensetzung
offenlegen“, um es zukünftigen Wettbewerbern nicht zu leicht zu machen. Die
relevante Information für die Öffentlichkeit sei, dass keine Geheimzutaten
und keine Insekten, sondern „nur natürliche Stoffe“ beigefügt würden,
betont Metz. Eine wissenschaftliche Begleitung des neuen Verfahrens
befürwortet er.
Neben den grundlegenden Zweifeln der Möllner Stadtvertretung am neuen
Bestattungsverfahren gibt es auch infrastrukturelle Schwierigkeiten vor
Ort: Das Bestattungs-Start-up will ein Alvarium mit einer Kapazität von 30
Kokons auf einer Erweiterungsfläche des Friedhofs errichten. Pächterin des
Grundstücks ist bislang jedoch die evangelische Kirche. Nun müsse die Stadt
klären, ob die Kirche es weiter nutzen wird oder ob sich die Stadt als
Eigentümerin für eine neue Nutzung entscheidet, sagt Mechthild Rosker, die
für die Grünen im Möllner Bauausschuss sitzt.
Sollte die Kirche die Fläche nicht weiter nutzen, müsse die Stadt
entscheiden, wie die teilweise bewaldete Fläche am sinnvollsten verwendet
wird. Neben einer Firmenansiedlung von „Meine Erde“ seien sozialer
Wohnungsbau und ein Kindergarten im Gespräch, sagt Rosker. Bäume müssten
für den potenziellen Bau eines geplanten 400 Quadratmeter großen Alvariums
nicht gefällt werden, versichert Metz. Der Beschluss der Möllner
Stadtvertretung war zunächst auf Ende November und nun auf Januar vertagt
worden.
30 Dec 2022
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/wissenschaft/leichen-kompostieren-expertenstreit-um-…
## AUTOREN
Jasper von Römer
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