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# taz.de -- Covid-19 in China: Pekings verheimlichte Todeswelle
> Seit dem Ende der „Null Covid“-Politik hat China keinen Todesfall
> gemeldet. Währenddessen laufen Krematorien in Peking auf Hochbetrieb.
Bild: Arbeiter laden Leichensäcke in einen Lastwagen, der vor einem Beerdigung…
Peking taz | Dieser Tage fühlt sich Peking wie zu Beginn der Pandemie an:
Die Straßen der Hauptstadt sind erneut gespenstisch leer. Genau wie damals
haben die offiziellen Regierungsinformationen ihren Bezug zur Realität
vollkommen verloren. Die nationale Gesundheitskommission meldete am Freitag
keinen einzigen Corona-Toten. Mehr noch: Seit der [1][Öffnung des Landes
Anfang Dezember] ist laut den Statistiken niemand an Covid-19 gestorben.
Diplomatisch formuliert, sind die staatlichen Statistiken wenig
glaubwürdig. Wie hoch die Dunkelziffer an Corona-Toten ist, lässt sich zwar
nicht seriös einschätzen, aber einzelne Fälle wurden öffentlich und tauchen
trotzdem nicht in den offiziellen Daten auf.
Zum Beispiel der ehemalige Fußballspieler Wang Ruoji. Er litt bereits seit
längerem an Diabetes und starb nun nach einer Corona-Infektion mit nur 37
Jahren. Sein Fall ist überaus gut dokumentiert, selbst Parteizeitungen
griffen ihn in dieser Woche auf.
Welches Ausmaß die Corona-Welle in Peking wirklich hat, haben erstmals
Reporter der Financial Times unter die Lupe genommen. In den vergangenen
Tagen haben sie sich sowohl in den Covid-Kliniken als auch in den
Krematorien der Stadt umgeschaut. Was die Reporter der britischen Zeitung
sahen, deutet ohne Zweifel auf eine signifikante Übersterblichkeit hin.
## Corona nicht aufzuhalten
Laut ihrem [2][Bericht beerdigen Bestattungsinstitute] derzeit das
Vielfache an Toten als sonst für die Saison üblich. Viele Leichen seien
„coronapositiv“ vermerkt. Die Mitarbeiter eines Krematoriums berichten
zudem, sie würden derzeit bis nachts um zehn Uhr in Betrieb sein.
Die niederländische Tageszeitung Volkskrant beschreibt die Zustände
ähnlich. Sie zitiert einen Pekinger Bestatter mit den Worten: „Wegen Covid
ist diese Woche die Nachfrage viel höher. Wir haben bereits jetzt keinen
Platz mehr“. Und laut Radio Free Asia ist die Warteliste für einen Termin
bei den Pekinger Krematorien auf über 6 Tage angestiegen.
In den nächsten Wochen werden wohl weitere solcher Enthüllungsberichte
folgen, doch derzeit ist es vor allem das Virus selbst, welches Recherchen
im Feld unmöglich macht: Genau wie die meisten Pekinger sitzt ein Großteil
der Korrespondenten mit Covid-Symptomen in Heimisolation. „Es ist schwer,
jemanden in der Stadt zu finden, der sich in den letzten Wochen nicht mit
Corona angesteckt hat“, beschreibt Stephen McDonell von der BBC in einem
Tweet die Situation.
## Studie geht von knapp einer Million Toten aus
In nur wenigen Tagen ist die chinesische Hauptstadt von einer nahezu
uneinnehmbaren „Null Covid“-Festung mit rigiden Lockdowns zum weltweiten
Corona-Hotspot avanciert. Die [3][Öffnung erfolgte plötzlich] und
vollkommen unvorbereitet: Nach wie vor sind Selbsttests und fiebersenkende
Medikamente auf dem freien Markt ausverkauft; und auch in den
Krankenhäusern haben sich große Teile des Personals infiziert.
Pekings radikale Kehrtwende hat vielfältige Gründe: Der öffentliche Druck
stieg und [4][gipfelte in einer landesweiten Protestwelle]. Parallel waren
die wirtschaftlichen Indikatoren für dieses Jahr katastrophal.
Der entscheidende Punkt könnte jedoch ein trivialer gewesen sein: Trotz der
restriktiven Maßnahmen konnte die Regierung nicht verhindern, dass sich das
Virus verbreitet. Wie der Epidemiologe Mike Ryan von der
Weltgesundheitsorganisation WHO am Mittwoch sagte, habe sich die derzeitige
Covid-Welle in China bereits lange vor der Öffnung zusammengebraut.
Wie viele Personen in den nächsten Wochen und Monaten an Covid-19 sterben
werden, versuchen Forscher mit Modellrechnungen zu prognostizieren. Eine
aktuelle Studie der Universität Hongkong geht von knapp einer Million Toten
aus – es sei denn, die Senioren würden zeitnah eine vierte Booster-Impfung
erhalten und hätten Zugang zu ausreichend Medikamenten. Doch beides scheint
derzeit utopisch: Zwar werden derzeit bereits über 200.000 Impfspritzen
täglich verabreicht, doch auch das ist nach wie vor zu wenig.
16 Dec 2022
## LINKS
[1] /Covid-in-China/!5902539
[2] https://www.ft.com/content/73eba78a-1bdb-4b32-be3e-b0329470b946
[3] /Das-Ende-von-Chinas-Null-Covid-Politik/!5899999
[4] /Proteste-in-China/!5897272
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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