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# taz.de -- Null-Covid-Politik in China: Der Coronafrust steigt
> Auf die steigenden Coronazahlen reagiert der Staat mit bekannten Mitteln:
> Lockdowns. Viele verängstigt das – doch manche haben genug davon.
Bild: Protestierende Arbeiter des Foxconn-Werks in Zhengzhou werden am 23. Nove…
Peking taz | Erneut sind die Arbeiter des Foxconn-Werks in Zhengzhou auf
die Straße gezogen: Am Mittwochmorgen strömten Hunderte aus ihren
Wohnheimen und zerschlugen Überwachungskameras, Covid-Teststationen und
Polizeiautos. Die chinesische Staatsmacht reagierte darauf mit Härte: 20
Mannschaftswagen fuhren binnen Minuten zum Ort des Geschehens, wo die
Polizisten – in weiße Seuchenschutzanzüge gekleidet – mit Schlagstöcken …
Fußtritten auf die Fabrikarbeiter eindroschen.
Da die Zensoren sämtliche Aufnahmen umgehend aus dem chinesischen Internet
löschten, zeigten sich die unwissenden Anwohner in der Provinzhauptstadt
Zhengzhou irritiert: Manche gingen davon aus, dass es sich bei der blutigen
Massenschlägerei um ein Filmset handeln würde.
Bei den Arbeitern hat sich nach bald [1][drei Jahren Null-Covid-Politik]
wohl ein enormer Frust angestaut. In der riesigen Foxconn-Anlage, wo über
200.000 Arbeiter einen Großteil der neuesten iPhone-Modelle für die ganze
Welt produzieren, herrschen laut Augenzeugen menschenunwürdige Bedingungen.
Die Werktätigen leben seit Monaten in einem sogenannten „closed
loop“-System: isoliert, ohne ausreichende medizinische Versorgung und nur
mit dem Nötigsten an Essen. Ausbleibende Bonuszahlungen brachten das Fass
endgültig zum Überlaufen.
## Lockdowns und Quarantäne-Lager
Doch trotz der massiv zunehmenden Lockdowns steigen die Coronainfektionen
in China seit Wochen weiter an. Hält der Trend an, erreicht die
Volksrepublik noch diese Woche die höchsten Infektionszahlen seit Beginn
der Pandemie. Und der Staat reagiert mit altbekannten Mitteln: Lockdowns
und Quarantäne-Lager.
Zu den Corona-Epizentren des [2][Landes zählt auch die Hauptstadt Peking].
Dort ist der Alltag der Leute zu einem tristen Dasein verkommen: Nur
Geschäfte, die als essenziell gelten, öffnen noch. Bars, Museen, Parks oder
Schulen sind geschlossen.
Neben den wirtschaftlichen Schäden, die die Bevölkerung zunehmend zu spüren
bekommt, hat sich bei vielen Pekingern ein tiefes Ohnmachtsgefühl
breitgemacht. So berichtet zum Beispiel eine junge Europäerin, dass sie
über Nacht in der Wohnung ihres Freundes eingesperrt wurde, nachdem dort
einer der Nachbarn positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
Eine Chinesin in ihren Zwanzigern, die nach ihrer Infektion umgehend in ein
Quarantänekrankenhaus transferiert werden sollte, erzählt, wie sie
verzweifelt sämtliches Trockenfutter sowie Katzensand auf den Boden ihres
WG-Zimmers gestreut habe – in der Hoffnung, dass ihre Haustiere die Zeit
überleben, bis sie wieder entlassen wird.
Etliche Lieferkuriere können derzeit nicht in ihren Wohnunterkünften
bleiben. Sie hausen notgedrungen in Zelten oder schließen sich zusammen, um
sich in günstigen Herbergen Zimmer zu teilen.
In einem Wechat-Posting hat ein chinesischer Nutzer den Frust der
Bevölkerung mit dem Titel „zehn Fragen an die nationale
Gesundheitskommission“ aufgeschrieben. Sein Text wurde umgehend
millionenfach geteilt. „Welchen Preis müssen wir zahlen, um ein
unsichtbares Virus zu eliminieren?“, heißt es in dem Posting. Oder: „Denkt
die Gesundheitskommission, dass es in Ordnung ist, ganze Regionen wie
Xinjiang oder Tibet monatelang abzuriegeln?“
Doch wie zu erwarten haben die Behörden die Debatte gar nicht erst
zugelassen. Statt Antworten zu geben, reagierten sie mit flächendeckender
Zensur: Nach wenigen Stunden waren sämtliche Postings gelöscht.
## 300 Wohnhäuser abgeriegelt – an einem Tag
Nordöstlich des fünften Stadtrings in Peking, wo die Metropole allmählich
in staubtrockene Landstraßen und ärmliche Dörfer ausfranst, betreiben die
Behörden mehrere Quarantäne-Lager. Eines von ihnen befindet sich
ausgerechnet in jenem Kongresszentrum, in dem noch vor [3][über zwei Jahren
die Pekinger Automesse stattfand] – und als fulminanter Sieg Chinas gegen
das Coronavirus gefeiert wurde.
Nun sind in den Messehallen rund 1.500 Betten für „milde Coronafälle“
aufgestellt worden. An einem Novembernachmittag wirkt das Gelände wie eine
Geisterstadt. Wer durch die weißen Gitterstäbe auf das riesige Areal
schaut, sieht ein paar vereinzelte Gesundheitsmitarbeiter in ihren
Ganzkörperanzügen, die die Abfälle der Covid-Infizierten in knallgelben
Mülltüten hinausbringen. An einem Ausgang sitzen ein paar dutzend Chinesen
hockend am Straßenrand, ihr Hab und Gut in riesige Plastikbeutel verteilt.
Doch immer mehr Siedlungen werden Tag für Tag abgesperrt. Allein am
Mittwoch sind im Bezirk Chaoyang rund dreihundert Wohnhäuser abgeriegelt
worden. Auch das noble Westin Hotel hat es unverhofft getroffen: Keiner der
Hotelgäste durfte mehr das Gebäude verlassen. Nur wer zufällig gerade
draußen unterwegs war, als die Lockdown-Order ausgegeben wurde, konnte sich
in ein anderes Hotel flüchten – freilich ohne Gelegenheit, vorher das
Gepäck abzuholen.
Sämtliche Schließungen belegen, dass China – entgegen den jüngsten
Hoffnungen auf eine Öffnung – zu seiner altbewährten Lockdown-Strategie
zurückkehrt.
23 Nov 2022
## LINKS
[1] /Coronamassnahmen-in-China/!5886592
[2] /Corona-Lockdown-in-Peking/!5896146
[3] /Peking-treibt-E-Mobilitaet-voran/!5712899
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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