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# taz.de -- Kinder denken über Frieden nach: Die Wünsche der Kinder
> Kinder und Jugendliche, die nach Berlin geflüchtet sind, erzählen von
> ihrer Sehnsucht nach Frieden. Oder sie malen Bilder dazu.
Bild: Yeva, 16 Jahre, aus der Ukraine
Weihnachten gilt als Fest der Familie und des Friedens. Dieses Jahr bleibt
das, wofür Weihnachten steht, für viele auch in Europa ein Traum – da ist
keine Familie mehr und kein Frieden. Deshalb haben wir Kinder und
Jugendliche, die geflüchtet sind und jetzt in Berlin leben, gefragt, was
ihnen zu Frieden einfällt. Manche schrieben es auf, manche malten.
## Bohdana, 15 Jahre, aus der Ukraine
Seit Russlands Angriff auf die Ukraine hat das Wort „Frieden“ eine
besondere Bedeutung für mich. Frieden heißt, sicher sein zu können, dass
ich mit den Leuten, die ich liebe, auch morgen noch sprechen kann. Dass ich
meinen Vater anrufen kann, und er sagt: „Liebe Tochter, ich bin bei der
Arbeit, ich rufe dich in zehn Minuten zurück.“
Frieden ist echt wertvoll, aber man schätzt ihn erst, wenn man ihn
verliert. Und der Krieg ist bestimmt das Schlimmste, was der Mensch sich
ausgedacht hat. Bald ist Neujahr und ich will gar nicht glauben, dass diese
Hölle so lange anhält. Aber ich glaube daran, dass wir siegen, egal, wie
lange es noch dauert.
## Sahar, 16 Jahre, aus Afghanistan
Es gibt keinen Frieden in Afghanistan, dem Land, wo ich lebte. Seit ich
mich erinnern kann, wurden dort jeden Tag unschuldige Menschen getötet. Ein
Vater, der morgens weggeht, um zu arbeiten und auf ein Stück Brot für seine
Familie hofft, kommt abends nicht zurück. Von Mädchen, die in der Hoffnung
auf Bildung und eine gute Zukunft zur Schule gehen, gibt es mittags keine
Nachricht mehr. Nur leblose Körper. Familien, die an einem Tag zwei Kinder
verlieren, das ist mein Land.
Afghanistan mein Land. Wo Frauen keine Rechte haben, Mädchen nicht zur
Schule gehen können und sehr jung Männer heiraten müssen, die sie nicht
mögen. Ich weiß nicht, wann die Menschen meines Landes den Geschmack des
Friedens schmecken werden, den Geschmack eines Lebens fernab von Krieg.
## Rana, 13 Jahre, aus Afghanistan
Frieden ist für mich so etwas wie bei kaltem Wetter mit meiner Familie
zusammenzusitzen und heißen Tee zu trinken. Ohne Angst vor einer Explosion.
Ohne Tote zählen zu müssen. Frieden ist die Hoffnung meines Lebens. Frieden
ist, sich Wissen aneignen zu dürfen. Frieden ist für mich ein Leben mit
gender equality*. Frieden ist für mich Glück. Frieden ist für mich
Freiheit. Ich wünsche der Welt Frieden.
* Ich habe gerade keine Ahnung, wie gender equality auf Deutsch heißt.
## Diana, 13 Jahre, aus der Ukraine
Ich fühle mich in Berlin wohl und geschützt. Aber manchmal bin ich traurig,
wenn ich mir schöne Gebäude und Parks anschaue und verstehe: Es gibt keine
Gewissheit, dass es immer so schön sein wird. Wegen des Krieges haben wir
gelernt, alles zu schätzen.
Ich vermisse meine Verwandten und bin sehr traurig, dass meine Ukraine
zerstört wird. Es darf nicht sein, dass Leute aus jemandes Laune heraus
sterben müssen. Es tut mir so leid, dass unsere Soldaten sterben und die
Menschen ihre Familien und Häuser verlieren.
Andererseits hat der Krieg den Geist der Ukraine gezeigt: Die Menschen
halten zusammen, helfen einander. Ich bin stolz auf meine Heimat und mein
Volk. Ich hoffe so sehr, dass der Krieg bald zu Ende ist.
Ich bin dankbar, dass ich hier in Sicherheit bin. Manchmal aber fühle ich
mich schuldig, dass ich ruhig herumlaufen und alles Notwendige kaufen kann
und die Menschen in der Ukraine nicht. Sie müssen in Kellern sitzen, sie
haben keine Arbeit, und Lebensmittel sind so teuer, dass sie kaum
überleben. Es ist so schwer zu ertragen und zu verstehen, dass 2.000
Kilometer entfernt von Berlin die Menschen unter Hunger, Kälte und
Raketenangriffen leiden.
## Narges, 15 Jahre, aus Afghanistan
In meiner Heimat Afghanistan gibt es keinen Frieden wie hier in
Deutschland. Hier in Deutschland können Frauen studieren und arbeiten,
Frauen sind frei. Aber in meiner Heimat haben Mädchen kein Recht auf ein
Studium und eine Arbeit. Frauen in Afghanistan werden gezwungen, einen
Hidschab zu tragen, und wenn sie keinen Hidschab tragen, werden sie von den
Taliban getötet. In Afghanistan ist es ein Verbrechen, eine Frau zu sein.
Ich hoffe, dass eines Tages Frieden in Afghanistan ist und die Frauen frei
sind.
## Princess Joy, 14 Jahre, aus Nigeria
Frieden ist, wenn kein Krieg herrscht. Frieden kann es auch geben, wenn
zwei Nationen oder zwei Völker sich vereinen zur Freude aller. Frieden ist
wertvoll und wo kein Frieden herrscht, gewinnt die Gewalt. Ich denke, ohne
Frieden gibt es kein Vertrauen und keine Zusammenarbeit. Frieden ist am
wichtigsten in meinem Leben. Frieden bringt Freude, Liebe, Glück.
Vielleicht verstehen nicht alle, wie ich Frieden beschreibe. Aber wenn zwei
Nationen sich bekriegen, dann wissen alte Leute und Kinder auf der Flucht
nicht, wie sie überleben können. Sie müssen ihre Familien wieder finden.
Sie flehen morgens und abends um Frieden. Afghanistan zum Beispiel braucht
Frieden. Frieden muss ein Menschenrecht sein. Die Ukraine zum Beispiel
braucht Frieden.
In Länder, wo Krieg ist, kannst du nicht fahren. Warum? Weil getötet wird.
Weil Menschenleben verloren sind. Weil gehungert wird. Alle brauchen
Frieden. Ich wiederhole, es muss Frieden sein auf der ganzen Welt.
Ich habe auch Krieg erlebt und kann bezeugen, was das heißt: Menschen
schreien, Kinder werden verletzt, Schwangere rennen, Alte an Krücken
fliehen. Deshalb brauchen wir Frieden. Wenn Frieden ist, gibt es kein
Kidnapping, keine Verschleppung, keine Angriffe, keine verlorenen Kinder,
keinen Kinderhandel, keinen Raub und all das. Ich hoffe, dass es allen
hilft, wenn sie diesen Brief lesen.
Fröhliche Weihnachten
PEACE.
24 Dec 2022
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Kolumne Poetical Correctness
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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