| # taz.de -- Baerbock im UN-Menschenrechtsrat: Straffes Programm in Genf | |
| > Die Außenministerin wirbt im UN-Menschenrechtsrat für Allianzen gegen | |
| > Russland. Die Vereinten Nationen seien mehr als der „blockierte | |
| > Sicherheitsrat“. | |
| Bild: Oberste Diplomatin: Außenministerin Baerbock am Montag beim Treffen des … | |
| Genf taz | Als Feindbild steht Annalena Baerbock hoch im Kurs: Die grüne | |
| Außenministerin rede sich in einen „Kriegsrausch“, sagte [1][CSU-Chef | |
| Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch]. „Baerbock muss weg“, riefen | |
| [2][russlandaffine Demonstrant*innen am Wochenende vor dem | |
| Brandenburger Tor.] Und schon vor Monaten forderte SPD-Fraktionschef Rolf | |
| Mützenich: Als oberste Diplomatin müsse sie endlich mehr Diplomatie | |
| betreiben. | |
| Wie eine Antwort auf die Vorwürfe wirken Baerbocks Reiseaktivitäten dieser | |
| Tage: Erst am Freitag kehrte sie aus New York zurück, wo sie [3][für eine | |
| UN-Resolution] warb, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt. | |
| Am Montagmorgen hob sie schon wieder aus Berlin in Richtung Vereinte | |
| Nationen ab. Diesmal ist das Ziel deren zweiter Sitz in Genf. | |
| Das Programm ist straff: Auf einer Geberkonferenz für den Jemen sagt sie | |
| neue Hilfen aus Deutschland zu. Zuvor spricht sie vor dem Menschenrechtsrat | |
| und der Genfer Abrüstungskonferenz. Ein Signal der Unterstützung für UNO | |
| und Völkerrecht soll dieser Kurztrip sein: Die Vereinten Nationen seien | |
| „weit mehr als der blockierte Sicherheitsrat“, sagt Baerbock. | |
| Das stimmt einerseits, ist andererseits aber nicht die ganze Wahrheit: | |
| Nicht nur der Sicherheitsrat tut sich durch die Konkurrenz der Großmächte | |
| schwer, auch manch anderes UN-Organ ist seit Jahren lahmgelegt. Das gilt | |
| auch für das erste Gremium, vor dem Baerbock am Mittag spricht: Die | |
| Abrüstungskonferenz, 1978 einberufen und seitdem ständig tagend, muss all | |
| ihre Beschlüsse einstimmig fassen – und hat deshalb schon seit einem | |
| Vierteljahrhundert gar nichts mehr entschieden. | |
| Es geht daher auch nicht um Resolutionen, als die deutsche Außenministerium | |
| am Montag vor das Gremium tritt – sondern eher um ein Statement. Wie zuvor | |
| schon in New York zeigt sie, worin Diplomatie für sie im Kontext des | |
| Ukrainekrieges vor allem besteht: Bündnisse gegen Moskau schmieden und den | |
| Druck auf den Kreml erhöhen. „Seit einem Jahr verletzt Russland die | |
| Grundsätze der UN-Charta und des Völkerrechts“, sagt Baerbock. Und: | |
| „Russland untergräbt die Architektur der Rüstungskontrolle, auf die wir | |
| alle angewiesen sind. Lassen Sie uns Wladimir Putin gemeinsam darauf | |
| drängen, zu New Start zurückzukehren.“ | |
| Vergangene Woche hat der russische Präsident die Beteiligung am | |
| New-Start-Vertrag ausgesetzt, in dem sich die USA und Russland die | |
| Begrenzung ihrer Nukleararsenale zugesagt hatten. Andere Vereinbarungen | |
| zwischen Moskau und dem Westen sind schon in den letzten Jahren kollabiert. | |
| Gleichzeitig modernisieren sowohl Russen als auch Amerikaner ihre | |
| Atomwaffenarsenale. „Die Ära der bilateralen Nuklearwaffenkontrolle geht zu | |
| Ende“, stellte vergangene Woche Ulrich Kühn fest, der am Hamburger Institut | |
| für Friedensforschung und Sicherheitspolitik forscht. Die Welt stehe vor | |
| einer neuen Ära der Unsicherheit. | |
| Das gilt nicht nur für Atomwaffen und den Konflikt mit Russland. Insgesamt | |
| ist die Rüstungskontrolle in der Krise. Baerbock spricht in ihrer Rede die | |
| Atomprogramme des Irans und Nordkoreas an, dann redet sie über | |
| Cyber-Attacken und autonome Waffensysteme, die ohne menschliches Zutun | |
| töten können – und für die internationale Vereinbarungen fehlen. | |
| „Rüstungskontrolle ist eine der Säulen der internationalen Ordnung. Wir | |
| müssen sie heute entschiedener verteidigen als je zuvor“, appelliert sie in | |
| Genf. | |
| Was aber trägt die Bundesregierung bei? Immerhin beteiligt sie sich selbst | |
| im Rahmen der Nato an der atomaren Abschreckung und bestellt dafür gerade | |
| neue Kampfjets. „Gerade in Zeiten, in denen wir in unsere Wehrhaftigkeit | |
| investieren, müssen wir dringender denn je auch über Abrüstung sprechen“, | |
| sagt Baerbock später auf Nachfrage. Das seien zwei Seiten derselben | |
| Medaille. Konkreter wird sie nicht. | |
| Zu ihren Gunsten hätte sie sagen können, dass die Bundesrepublik 2022 als | |
| Beobachterin an der Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag teilgenommen | |
| hat. Mit ihm will eine Gruppe von Staaten erreichen, dass Nuklearwaffen | |
| international geächtet werden. Auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie, | |
| an der die Bundesregierung gerade feilt, wird die Rüstungskontrolle wohl | |
| auftauchen. | |
| Kritiker*innen ist allerdings auch das zu wenig. „Deutschland hat als | |
| größtes Land in Europa und eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt | |
| eine besondere Verantwortung, mit gutem Beispiel und diplomatischen | |
| Initiativen stärker als bisher voranzugehen“, sagt beispielsweise der | |
| SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner. | |
| ## Kritik von Rüstungsgegnern | |
| Unzufrieden ist auch Thomas Küchenmeister, der für die Kampagne „Stop | |
| Killer Robots“ spricht: Deutschland gehöre leider nicht zu denjenigen | |
| Staaten, „die im Rahmen der Genfer Abrüstungsgespräche zu autonomen | |
| Waffensystemen explizit Verbote und Regulierungen fordern“, sagt er. 33 | |
| Staaten aus Südamerika und der Karibik hätten das gerade getan. | |
| Für solche Detailfragen hat Baerbock an diesem Montag allerdings keine | |
| Zeit. Sie muss nach ihrem Pressestatement schnell weiter in den | |
| Menschenrechtsrat, wo sie über die Lage in Afghanistan und dem Iran | |
| spricht. „Wir stehen jeden Tag an eurer Seite“, sagt sie in Richtung der | |
| iranischen Protestbewegung, die [4][nach Auffassung der Opposition im | |
| Bundestag zu wenig Unterstützung] aus dem Auswärtigen Amt erhält. | |
| Dann wirbt Baerbock auch im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wieder | |
| für ihren Ansatz: Allianzen gegen Russland. Es geht ihr um das Thema von | |
| gekidnappten Kindern im Krieg. Medienberichten zufolge entführt Russland | |
| ukrainische Kinder aus besetzten Gebieten und lässt sie durch russische | |
| Familien adoptieren. „Wir werden nicht ruhen, bis jedes einzelne zurück | |
| ist“, sagt Baerbock dazu in Genf. | |
| 27 Feb 2023 | |
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| [4] /Kritik-an-Baerbocks-Iran-Politik/!5915616 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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