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# taz.de -- Weihnachten mit Mozarts „Zauberflöte“: Damals leider gang und …
> Sich mit Kindern die „Zauberflöte“ von Mozart in der Staatsoper Unter den
> Linden anzusehen, ist eine schöne Sache. Es bedarf aber Vorbereitungen.
Bild: Julian Prégardien bei Proben zu Mozarts „Zauberflöte“ in der Inszen…
Natürlich ist es immer gut, mit Kindern schon Tage vorher über das zu
sprechen, was ansteht. Im Fall von [1][Mozarts „Zauberflöte“], die wir seit
zwei, drei Jahren jedes Weihnachten mit Mann, 14-jähriger Tochter und fast
9-jährigem Sohn in verschiedenen Ausführungen an verschiedenen Orten
besuchen, bietet sich das ganz besonders an. Noch mal die Geschichte
durchgehen, noch mal die Musik hören, ein bisschen über Mozart und seine
Geschlechterklischees plaudern – von wegen standhafter Jüngling und
machtgierige Mutter und so.
„Und wie sie den Monostatos wohl dieses Mal angemalt haben?“, fragt die
politisch interessierte Tochter dann auf dem Weg. „Wer war noch mal
Monostatos?“, fragt der Sohn. Ich schaue kurz ins Handy: Monostatos,
erkläre ich dann, ist der schwarze Mann, der Tamina haben will, notfalls
mit Gewalt, und in den meisten Inszenierungen wird er als dumm, hässlich
und gefährlich dargestellt. Mozart hat in seiner Oper, die wir trotzdem
alle sehr lieben, rassistische Denkweisen, die damals leider gang und gäbe
waren, wiedergegeben. „Hm“, sagen die Kinder.
Ich scrolle weiter. Oft erscheint Monostatos auf der Bühne heute nicht mehr
als „Mohr“, sondern als abstraktes Monster oder gar als [2][Nosferatu] oder
Spielzeugroboter mit einem Schlüssel zum Aufziehen im Rücken. Letzteres
gefällt vor allem dem Sohn. Eigentlich kann sich ja heute niemand mehr
damit begnügen, mache ich weiter, dass Mozart in der Zauberflöte auch hin
und wieder zart den Rassismus kritisiert. Einmal beschwert sich
beispielsweise Monostatus, dass auch schwarze Menschen Gefühle haben. Ein
andermal denkt Papageno, der Vogelfänger, darüber nach, warum er Angst vor
schwarzen Männern hat, nicht aber vor schwarzen Vögeln wie beispielsweise
Amseln.
Wir sind gespannt, als wir endlich in der [3][Staatsoper Unter den Linden]
in Berlin sitzen, wo gleich der Klassiker im Repertoire gezeigt wird:
[4][August Everdings] Inszenierung, die hier 1994 Premiere feierte,
inklusive der Rekonstruktion der 1816 für die damalige Hofoper Unter den
Linden entstandenen Dekorationen von Karl Friedrich Schinkel.
## Das liegt eher an ihrer tollen Stimme
Es geht ein Raunen durch die Reihen, als die Sopranistin Victoria Randem
als Tamina zum ersten Mal auftaucht. Das liegt wahrscheinlich eher an ihrer
tollen Stimme als an ihrer Hautfarbe. „Ist das eine Person of Color?“, will
die Tochter trotzdem wissen. Ich kann es ihr erst nach einem Telefonat am
nächsten Tag beantworten, in den Worten der Leiterin des Pressebüros der
Staatsoper Victoria Dietrich: „Victoria Randem ist nicht als Tamina besetzt
worden, weil sie eine Person of Color ist, sondern aufgrund ihres
künstlerischen Könnens.“
Die Rolle sei übrigens bei der Premiere der Everding-Inszenierung 1994 von
Janet Williams gesungen worden, ebenfalls eine Person of Color. Dennoch
liege auch eine Kraft in der Präsenz von People of Color auf der
Opernbühne, wobei „wir hoffentlich in der Zukunft irgendwann an einem Punkt
sind, wo das auf der Opernbühne in diesem Repertoire auch nicht mehr als
überraschend angesehen wird“.
Trotzdem ergibt es einen merkwürdigen Effekt, als plötzlich der filigrane
Florian Hoffmann als Monostatos auf der Bühne erscheint, mit einem
schwarz-blauen abstrakten Fantasie-Make-up, das von der Stirn bis zu den
Augen geht und dann verläuft. In der ursprünglichen Everding-Inszenierung
wurde Monostatos komplett geblackfaced. „Fauler Kompromiss“, sagt die
Tochter. Als Papageno dann auch noch Tamina als „schön Mädchen, jung und
fein, viel weißer noch als Kreide“ ansingt, muss die Tochter grinsen. „Das
hätte man irgendwie alles anders machen müssen“, findet sie.
Es gibt in der Staatsoper nicht nur Workshops für Schulklassen, wo über
Geschlechterklischees und rassistische Textpassagen diskutiert wird,
sondern eine weitere Inszenierung der „[5][Zauberflöte“ von Yuval Sharon],
bei der die Auseinandersetzung innerhalb der Inszenierung stattfindet. Die
schauen wir uns nächstes Jahr an.
23 Dec 2022
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Zauberfl%C3%B6te
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Nosferatu_(Sagengestalt)
[3] https://www.staatsoper-berlin.de/de/
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/August_Everding
[5] https://www.staatsoper-berlin.de/de/veranstaltungen/die-zauberfloete-sharon…
## AUTOREN
Susanne Messmer
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