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# taz.de -- Film über Schwarzen Komponisten: Das Geigenduell gewann er
> Ein Schwarzer Komponist zur Zeit von Mozart: Der „Chevalier“ erzählt das
> kaum bekannte Leben von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges.
Bild: Er komponierte, focht und spielte Violine: Hier geigt der Chevalier den K…
Nicht jede wahre Geschichte verdient es, verfilmt zu werden, auch wenn
Hollywood uns mitunter anderes glauben lassen will. Doch hin und wieder
findet sich doch mal eine, die so außergewöhnlich ist, dass man gar nicht
glauben mag, dass sie nicht schon dutzendfach erzählt wurde. So wie die
Biografie von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, die als Grundlage
für den Film „Chevalier“ diente, der statt auf der Leinwand nun immerhin
beim Streamingdienst Disney+ zu sehen ist.
Dass der Name dieses Mannes, geschweige denn sein Leben und Werk, nicht
vielen Menschen vertraut sein dürfte, hat einen einfachen Grund. Bologne,
im 18. Jahrhundert in Paris als einer der virtuosesten Geiger seiner Zeit
gefeiert und als Komponist erfolgreich, war Schwarz. Was ihn schon zu
Lebzeiten, aller Erfolge zum Trotz, zum immer wieder diskriminierten
Außenseiter machte, führte nach seinem Tod, längst verarmt und in Ungnade
gefallen, erst recht dazu, dass sich niemand bemüßigt sah, sein Werk zu
bewahren oder ihn in die Geschichtsbücher einzuschreiben. Etliche seiner
Arbeiten sind für immer verloren.
Parallel zu einer seit einigen Jahren anhaltenden Wiederentdeckung in der
Klassikwelt setzt nun „Chevalier“, inszeniert von Stephen Williams, diesem
Mann ein überfälliges Denkmal.
## Eine märchenhafte Ausnahmeerscheinung
Um unmissverständlich klarzumachen, mit was für einem Ausnahmekünstler wir
es hier zu tun haben, setzt der Film direkt mit einer eindrucksvollen Szene
ein: auf großer Bühne fordert Joseph ([1][Kelvin Harrison Jr.]), als Sohn
eines französischen Plantagenbesitzers und einer von ihm versklavten Frau
(Ronkẹ Adékoluẹjo) in Guadeloupe geboren und Absolvent eines renommierten
Internats in Paris, niemand Geringeren als [2][Mozart] persönlich zum
Geigenduell heraus. Und gewinnt.
Dass sich dieser Moment tatsächlich so ereignet hat, darf bestritten
werden. „Ich bin keine Historikerin“, betont Drehbuchautorin Stefani
Robinson im Interview. „Mir ging es darum, die beeindruckende Geschichte
dieses Mannes in packende Unterhaltung zu verwandeln, irgendwo zwischen
‚Amadeus‘ und ‚Purple Rain‘. Natürlich hätten wir einfach seinen
Wikipedia-Eintrag verfilmen können. Aber viel wichtiger als reine Fakten
erschien es mir, ein Gefühl dafür zu vermitteln, was ihn zu einer geradezu
märchenhaften Ausnahmeerscheinung macht.“
Die entscheidenden Stationen und Tatsachen haben trotzdem Einzug gefunden
in den Film, in dem dann alles kombiniert wird mit dem Pomp und den
dramaturgischen Mechanismen, die man von einem historischen Biopic erwarten
kann.
## Temporeich und prächtig
So begeistert Joseph, der es übrigens auch als Fechter mit jedem Gegner
aufnehmen kann, mit seinem musikalischen Talent nicht nur Marie Antoinette
(Lucy Boynton), sondern verliebt sich zudem in die begabte und leider mit
einem fiesen Marquis verheiratete Sängerin Marie-Josephine de Montalembert
(Samara Weaving). Als er sich kurz vor der Französischen Revolution
selbstbewusst um die Leitung der Pariser Oper bewirbt, wird ihm allerdings
das Techtelmechtel ebenso zum Verhängnis wie der latente Rassismus in der
besseren Gesellschaft.
Die elektrisierende Energie der Auftaktszene vermögen Regie und Drehbuch
nicht den gesamten Film über aufrechtzuerhalten, doch als temporeiches und
prächtig anzusehendes Entertainment funktioniert „Chevalier“ allemal, auch
weil Kelvin Harrison Jr. die Titelrolle sehenswert mit Leben erfüllt.
## Eine identitätspolitische Kostümsoap
Daran, dass der Erzählansatz dabei weder sonderlich intellektuell noch
radikal ist, kann man sich durchaus stören, mutet die Geschichte doch
phasenweise eher wie eine von den Ideen US-amerikanischer Identitätspolitik
durchsetzte Kostümsoap an.
Viel entscheidender allerdings ist, dass die einzigartige Biografie dieses
sträflich unbekannten Mannes überhaupt endlich erzählt wird. Und dabei
unmissverständlich klarmacht, warum Joseph Bologne aller Exzellenz zum
Trotz nie die gleiche Anerkennung zuteilwurde wie weißen Wegbegleitern wie
Wolfgang Amadeus Mozart oder Joseph Haydn.
18 Jun 2023
## LINKS
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[2] /Film-The-Magic-Flute/!5896198
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Klassische Musik
Mozart
Spielfilm
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