| # taz.de -- Soziale Ungleichheit im Freundeskreis: Schweigen über Geld | |
| > Ein Beitrag des Jugendformats „Funk“ über den Umgang mit Armut im | |
| > Freundeskreis hat für Aufregung gesorgt. Er mag missglückt sein, aber ist | |
| > auch ehrlich. | |
| Bild: Hätten wir damals offen darüber gesprochen, dann hätten wir die Scham … | |
| Zwei Freunde verbringen gerne Zeit miteinander. Der eine kommt aus reichem | |
| Elternhaus, bei dem anderen wird das Geld zum Ende des Monats knapp. Dann | |
| steht die Abifahrt bevor. Der Letztere will, kann aber nicht mitfahren. Der | |
| Erstere weiß warum, sagt aber auch nichts. Eine unangenehme Situation. Wie | |
| könnten sie die Freunde lösen? | |
| Der [1][Freund ohne Geldsorgen] könnte einfach akzeptieren, dass sein | |
| Freund weniger Geld hat und sich denken: „Das ist normal und niemand kann | |
| was dafür.“ Am besten spricht er das Thema „nicht jedes Mal“ an. Oder er | |
| hilft seinem Freund, indem er ihn einlädt. „Mitleid ist aber unangebracht.“ | |
| Das sind die Vorschläge von Funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF, die | |
| letztes Wochenende als Post [2][auf Instagram verbreitet] und seitdem viel | |
| kritisiert wurden. Viele Menschen haben sich über die Überheblichkeit der | |
| Ratschläge geärgert. Wieso sollte soziale Ungleichheit „normal“ sein, wenn | |
| sie politisch erzeugt wird? Wieso sollte niemand „etwas dafür können“, we… | |
| Menschen, die von Ungleichheit profitieren, an ihr festhalten? Soll man das | |
| akzeptieren? | |
| Ein paar Tage später hat sich Funk korrigiert: Es sei ein Fehler gewesen, | |
| Armut zu normalisieren. Die Tipps aber seien von einer Kollegin gekommen, | |
| die in extremer Armut aufgewachsen sei, und die sich gewünscht hätte, dass | |
| „ihre Armut im Alltag nicht ständig thematisiert worden wäre“. Mittlerwei… | |
| ist die digitale Erregung weitergezogen. Und ich frage mich: Was ist das | |
| für ein Umfeld, vor dem die Betroffene sich für etwas schämt, für das sie | |
| nichts kann? Eigentlich ist es ja nur im Interesse der Reichen, das | |
| ungerechte und unvernünftige Nebeneinander von Arm und Reich schweigend zu | |
| akzeptieren. Doch die von Armut Betroffene hat exakt denselben Impuls. | |
| ## Genauso läuft es | |
| Der Beitrag von Funk mag missglückt sein, aber er ist immerhin ehrlich. | |
| Weil es eben oft genauso läuft in Freundeskreisen. Unter den Menschen, die | |
| sich heute über den Instagram-Post ärgern, könnten sehr gut auch | |
| Freundinnen und Freunde von mir sein, mit denen ich in der Schul- und | |
| Unizeit erfolgreich totgeschwiegen habe, was uns voneinander trennt: das | |
| Geld. | |
| Wir haben nicht darüber gesprochen, weil es beide Seiten in Verlegenheit | |
| gebracht hätte. Das mache ich keinem zum Vorwurf. Auch wenn wir nicht | |
| darüber geredet haben, gab es immer wieder solidarische Momente in meinem | |
| Freundeskreis. In der Regel haben wir die unangenehmen Situationen und ihre | |
| Ursachen aber akzeptiert. | |
| Wenn [3][der Freund aus dem reichem Haus und ich], der Freund, der kein | |
| Geld für die Abifahrt hatte, damals offen miteinander gesprochen hätten, | |
| dann hätten wir die Scham aus dem Weg geräumt. Wir hätten eine solidarische | |
| Lösung für die Geldfrage finden können und ich wäre mitgefahren. Würden | |
| alle mehr über Ungleichheit reden, ließe sich das Problem grundsätzlicher | |
| angehen. Dann käme es erst gar nicht zu unangenehmen Situationen. | |
| 23 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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