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# taz.de -- Flüge günstig buchen: Grenzerfahrung Preisvergleichsportal
> Wenn unsere Existenz schon auf das Kaufen und Verkaufen von Waren
> reduziert wird, möchte unser Autor wenigstens das beste Geschäft machen.
> Doch die Flugsuchmaschine zockt ihn ab.
Bild: Maho Bay, internationales Mekka der Planespotter
Vor ein paar Tagen musste ich einen [1][Flug buchen]. Eigentlich eine
schöne Aufgabe, oder? Jetzt wird es konkret mit der Reise und so! Nein, es
war überhaupt nicht schön. Wissen Sie, wie viele Flugsuchmaschinen es gibt?
Und wie viele Kombinationen von Reisedaten man in diese eingeben kann, um
die günstigste Variante zu finden? Und wenn man irgendwann endlich an einem
Angebot hängen geblieben ist, dann geht der Wahnsinn erst richtig los: Ist
dieser Anbieter überhaupt vertrauenswürdig? Habe ich etwas Kleingedrucktes
übersehen? Wie kann dieser Flug überhaupt so billig sein? Wollen die mich
abzocken?!
Dabei ist es für Leute, die nicht nur sparen wollen, um des Sparens willen
(Herzliche Grüße an meine schwäbischen Freunde!), sondern auch sparen
müssen, ja eigentlich ein Segen, dass es diese Preisvergleichsportale für
alles Mögliche gibt. Sparen war noch nie so einfach wie heute: nur wenige
(bzw. 1.000) Klicks entfernt! Ich erinnere mich noch an Prospekte auf dem
Küchentisch, die vor jedem großen Wocheneinkauf hochkonzentriert studiert
wurden wie philosophische Schriften.
Ich erinnere mich daran, dass es bei diesen Wocheneinkäufen schon mal
vorkam, dass ein Supermarkt ein zweites Mal besucht wurde, wenn sich doch
als falsch herausgestellt hatte, dass die Palette Fruchtjoghurt bei dem
anderen Supermarkt im Angebot und somit billiger sei. Ich erinnere mich an
den Ärger, wenn ein Artikel, den man gerade erst erworben hatte, wenig
später woanders doch ein kleines bisschen günstiger angeboten wurde. Das
Geld musste man eben irgendwie zusammenhalten.
Natürlich wäre man nicht pleitegegangen, hätte man mal 10 Cent mehr pro
Joghurt oder 10 Euro mehr für die Jeans gezahlt. Aber es ging eben ums
Prinzip. So wie es mir heute ums Prinzip geht. Wenn der [2][Kapitalismus]
meine Existenz als Mensch und meine Beziehung zu anderen Menschen schon auf
das Verkaufen (Arbeitskraft) und Kaufen (Joghurt, Flug) von Waren
reduziert, dann möchte ich wenigstens das beste Geschäft machen. Wer mehr
hat, kann von mir aus mehr zahlen. Ich bezahle nur so viel wie nötig!
Nachdem ich die Vertrauenswürdigkeit der Flugsuchmaschine auf diversen für
die Vertrauensbewertung von Flugsuchmaschinen vorgesehenen Portalen
gecheckt habe und zur Einsicht gelangt bin, dass es wohl zwar Probleme
geben wird, wenn ich den Kundenservice erreichen muss, ich aber vermutlich
nicht abgezockt werde, drücke ich endlich auf „Jetzt bezahlen“. Die Seite
lädt und lädt, und statt einer Buchungsbestätigung bekomme ich die
Information, dass der Preis für die Flüge mittlerweile um 250 Euro
gestiegen ist.
Ich schaue wutentbrannt auf die Uhr. Wenn mir jemand für all die Stunden
der ergebnislosen Flugsuche einen halbwegs ordentlichen Stundenlohn gezahlt
hätte, dann würde es mittlerweile vielleicht schon für die Business Class
reichen.
3 Feb 2023
## LINKS
[1] /Chaos-auf-Flughaefen/!5868271
[2] /Kapitalismus/!t5010783
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
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Sparen
Kapitalismus
Reisen
Suchmaschine
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