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# taz.de -- 915 Haftbefehle nicht vollstreckt: Neonazis dringend gesucht
> Wegen offener Haftbefehle wird nach Hunderten Rechtsextremen gefahndet.
> Die Linke fordert mehr Druck bei der Suche.
Bild: Offene Haftbefehle: 674 Mal sollte es eigentlich bei Nazis Klick gemachen…
Berlin taz | Erst kürzlich, [1][anlässlich der Reichsbürger-Großrazzien],
betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erneut, dass der
Rechtsextremismus die größte extremistische Gefahr hierzulande sei. „Der
Rechtsstaat muss hier konsequent handeln.“ Doch ein Problem in diesem Feld
bekommt dieser Staat nicht in den Griff: Die Zahl der mit Haftbefehl
gesuchten Rechtsextremen stieg zuletzt erneut deutlich an.
Betrug die Zahl der offenen Haftbefehle [2][im Frühjahr noch 752], liegt
sie nun, zum Stichtag 30. September, bei 915. Das geht aus einer Antwort
des Bundesinnenministeriums auf eine Linken-Anfrage hervor, die der taz
vorliegt. Hinter den Haftbefehlen verbergen sich 674 gesuchte
Rechtsextreme, weil gegen einige sogar mehrere Haftbefehle offen sind – vor
einem halben Jahr waren es 568.
Die Zahl ist eine Momentaufnahme, aber sie markiert einen Höchststand seit
Jahren. So gab es 2012 noch 266 offene Haftbefehle. Seitdem stieg die Zahl,
mit Schwankungen, an. Von den jetzt offenen 915 Haftbefehlen wurden 151
wegen rechtsmotivierter Straftaten verhängt, etwa Verwenden von
verfassungswidrigen Symbolen, Volksverhetzung oder Beleidigung. In 33
Fällen ging es um ein rechtsextremes Gewaltdelikt, vor allem
Körperverletzungen oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die übrigen
Fälle betrafen Allgemeinkriminalität wie Diebstahl, Betrug oder
Verkehrsdelikte.
Vor allem die verschwundenen rechtsextremen Gewalttäter sind heikel. Sie
wecken Erinnerungen an das Kerntrio des „[3][Nationalsozialistischen
Untergrunds]“, das 1998 untertauchte und in der Folge zehn Menschen
erschoss und drei Anschläge verübte. Laut Innenministerium wird diesmal
keiner der Rechtsextremen wegen Terrorvorwürfen gesucht. Aber elf der
Gesuchten sind in der Gewalttäterdatei „rechts“ eingetragen, und einer auch
als Gefährder, dem schwere Straftaten bis hin zu Anschlägen zugetraut
werden.
## Etliche der Gesuchten sollen im Ausland sein
Und: Von den Gesuchten waren 57 in der Vergangenheit bei der Bundeswehr –
sie wissen also, wie man mit Waffen umgeht. Aktuell soll niemand mehr bei
der Armee gewesen sein.
Die allermeisten Haftbefehle, 803, wurden zur Vollstreckung von Strafen
verhängt. 103 auch zur Sicherung von Strafverfahren. Nach Kenntnis der
Behörden hielten sich 14 der Gesuchten in Polen auf, je 9 in Österreich und
der Schweiz und 8 in Rumänien. Immerhin 3 sollen auch [4][in der Ukraine]
sein, zwei in Russland und je einer in Afghanistan und Syrien. In einigen
Fällen dauert die Suche schon länger an: Ein Haftbefehl war bereits seit
2013 offen, 175 Haftbefehle seit mehr als drei Jahren.
Die [5][Linken-Innenexpertin Martina Renner], die die Anfrage stellte,
sieht hier ein drängendes Problem: „Die hohe Zahl der offenen Haftbefehle
zeigt, dass rechte Gewalt auch jenseits spektakulärer Razzien eine
alltägliche Bedrohung ist.“ Dazu liege die Dunkelziffer wohl deutlich
höher, „weil viele rechte Taten nicht als solche erfasst werden“.
Das Innenministerium versicherte dagegen, dass zu allen offenen
Haftbefehlen Fahndungsmaßnahmen eingeleitet wurden. Die Fälle mit
Gewaltdelikten seien zudem im Gemeinsamen Extremismus- und
Terrorismusabwehrzentrum der Sicherheitsbehörden besprochen worden. Auch
seien zwischen März und September 326 Haftbefehle vollstreckt worden oder
hätten sich anderweitig erledigt, weil etwa Geldstrafen doch noch gezahlt
wurden. Dies zeige, dass die Fahndungen „mit Nachdruck und erfolgreich“
durchgeführt würden, so das Ministerium. Zudem sei davon auszugehen, dass
viele Gesuchte nicht bewusst untertauchten, sondern schlicht Umzüge nicht
meldeten oder keinen festen Wohnsitz hätten.
Für Renner besteht genau hier jedoch Klärungsbedarf. Es bleibe unklar,
inwiefern die Behörden tatsächlich ermittelten, welcher der
Rechtsextremisten sich gezielt einer Festnahme entziehe. „Der Druck der
Behörden kann und muss in dieser heiklen Angelegenheit durchaus noch größer
sein“, so Renner zur taz.
21 Dec 2022
## LINKS
[1] /Razzia-bei-Reichsbuergern/!5901865
[2] /Offene-Haftbefehle-gegen-Neonazis/!5860840
[3] /10-Jahre-nach-dem-Auffliegen-des-NSU/!5808645
[4] /Krieg-in-der-Ukraine/!5835674
[5] /Linke-ueber-rechte-Staatsstreichplaene/!5898971
## AUTOREN
Konrad Litschko
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