| # taz.de -- Prozess gegen „Knockout51“: Neonazi-Kampfsportler vor Gericht | |
| > Am Montag startet in Thüringen der Prozess gegen brutale Rechtsextreme. | |
| > Die Bundesanwaltschaft sieht in ihnen Terroristen – das Gericht nicht. | |
| Bild: Zwei Polizisten stehen vor einer rechtsextremen Szenekneipe in Eisenach, … | |
| Berlin taz | Über Jahre konnten Leon R. und seine thüringer | |
| Neonazi-Kampfsportler Gewalt verbreiten: Menschen bedrohen und verprügeln, | |
| Waffen beschaffen. Am Montag nun beginnt gegen die rechtsextreme Gruppe | |
| „Knockout51“ der Prozess, vor dem Oberlandesgericht in Jena. Die Anklage | |
| führt die Bundesanwaltschaft, welche die Truppe [1][als Terrorvereinigung | |
| sieht] – anders als das Gericht. | |
| Im April 2022 war der Eisenacher Leon R. mit drei Kumpanen festgenommen | |
| worden: Bastian A., Maximilian A. und Eric K. Das Quartett sitzt bis heute | |
| in Haft und bildete laut Anklage die Führung von Knockout51 – der | |
| 25-jährige Leon R. war der Kopf. Mindestens drei Jahre lang soll die Gruppe | |
| zuvor in der Thüringer NPD-Zentrale in Eisenach, dem „Flieder Volkshaus“, | |
| Kampfsport trainiert und eine ganze Reihe Gewalttaten verübt haben. Das | |
| Ziel: die Schaffung eines „Nazi-Kiez“. | |
| Leon R. selbst betreibt in Eisenach eine rechtsextreme Szenekneipe, das | |
| Bull’s Eye. Zwei Mal wöchentlich traf sich seine im Kern gut zehnköpfige | |
| Gruppe zum Kampfsport, trainierte mit äußerster Härte, für den Straßenkampf | |
| gegen Linke oder die Polizei. Leon R. soll dabei die Aufnahmebedingungen in | |
| die Gruppe vorgegeben, die Trainings und ideologischen Schulungen geleitet | |
| und eine überregionale Vernetzung in der Szene hergestellt haben. Auch | |
| organisierte er Demos in Eisenach gegen angebliche Gewalt von Linken oder | |
| „Ausländern“. | |
| Seine Gruppe führte derweil in der Stadt „Kiezstreifen“ durch, sicherten | |
| die NPD-Zentrale ab, soll das örtliche Linkspartei-Büro mit Steinen | |
| attackiert haben. Daneben kam es immer wieder zu schweren direkten | |
| Angriffen auf Personen. Zehn Attacken listet die Anklage, bei denen | |
| Gruppenmitglieder vermeintliche Linke, Drogenkonsumenten, Randalierer oder | |
| Polizisten wiederholt bis zur Bewusstlosigkeit verprügelten, auf. Etliche | |
| Opfer erlitten Knochenbrüche, mussten tagelang im Krankenhaus behandelt | |
| werden. | |
| ## Autonome schlagen zurück | |
| Immer wieder soll die Gruppe auch Straftaten auf Coronademos verübt haben. | |
| Auf einer Großdemonstration im August 2020 in Berlin sollen Mitglieder | |
| einen Polizisten in den Bauch getreten und einen zweiten weggestoßen haben, | |
| um einen Festgenommenen zu befreien. Auf Corona-Aufzügen in Leipzig und | |
| Kassel soll die Gruppe wiederum Linke verfolgt und verletzt haben. | |
| Antifa-Gruppen hatten frühzeitig vor der Gewalt von Leon R. und seiner | |
| Kampfsporttruppe gewarnt. Doch die konnte über Jahre ihre Gewalt | |
| fortsetzen. Am Ende setzten Autonome auf Selbstjustiz: Im Oktober 2019 | |
| versuchten Vermummte Leon R. zunächst in seiner Kneipe zu attackieren, zwei | |
| Monate später dann vor seiner Wohnung. Der Neonazi selbst wurde dabei nicht | |
| verletzt, aber unter anderem der nun mitangeklagte Maximilian A. Für diese | |
| und weitere Angriffe wurden zuletzt Autonome um die Leipzigerin [2][Lina E. | |
| zu Haftstrafen] verurteilt. | |
| Nach den Angriffen sollen Leon R. und die anderen sich radikalisiert und | |
| gezielt Auseinandersetzungen mit Linksradikalen gesucht haben, um diese | |
| unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung auch tödlich zu verletzen, so | |
| die Anklage. Gruppenmitglieder sollten fortan ein Messer tragen und im | |
| Ernstfall nicht zögern, zuzustechen. | |
| Leon R. besorgte sich einen Sportbogen, der tödlich wirken kann, und | |
| begann, eine Dekowaffe scharf umzubauen. Mit Hilfe eines 3D-Druckers soll | |
| er auch versucht haben, eine halbautomatische Maschinenpistole zu bauen. | |
| Seine Gruppe veranstaltete Schießtrainings in Tschechien. Und die | |
| Eisenacher NPD-Zentrale wurde so umgebaut, dass sie für Angreifer zur Falle | |
| werden sollte. | |
| ## Kriminelle oder Terroristen? | |
| Im September 2021 fuhr die Gruppe zudem eigens mit Messern vor ein linkes | |
| Jugendzentrum nach Erfurt, um dort einen Angriff auf sich zu provozieren – | |
| der blutig zurückgeschlagen werden sollte. Überlegt wurde auch, Linke dabei | |
| mit dem Auto zu überfahren. Allein: Es kam weder in Erfurt noch anderswo | |
| mehr zu einem Angriff auf die Gruppe. | |
| Sah die Bundesanwaltschaft Knockout51 zunächst als kriminelle Vereinigung, | |
| stufte sie diese ab dem Zeitpunkt der Radikalisierung, ab April 2021, als | |
| Terrorgruppe ein. Das Oberlandesgericht aber ließ die Anklage nur als | |
| Anklage gegen eine kriminelle Vereinigung zu. Die Thüringer | |
| Linken-Abgeordnete und Rechtsextremismusexpertin Katharina König-Preuss | |
| kritisiert das deutlich. „Das ist völlig unverständlich. Wer Waffen baut, | |
| beschafft und Menschen aus neonazistischer Motivation umbringen will, bei | |
| dem sollte natürlich auch die Frage der terroristischen Vereinigung | |
| juristisch geprüft werden“, sagte sie der taz. Die ideologische Motivation | |
| der Gruppe müsse im Verfahren entsprechend berücksichtigt werden. | |
| Ein Sprecher des Oberlandesgerichts sagte dazu der taz nur, dass für den | |
| verhandelnden Senat die vorliegenden Taten nur den Vorwurf einer | |
| kriminellen Vereinigung rechtfertigten. | |
| König-Preuss hofft zudem, dass im Prozess die überregionale Vernetzung von | |
| Knockout51 zu weiteren rechten und rechtsterroristischen Gruppen | |
| thematisiert wird. Diese sei „nicht zu unterschätzen“. Für den | |
| Prozessbeginn am Montag ist vorerst nur die Anklageverlesung geplant. | |
| Bereits die kann dauern: Der Schriftsatz umfasst fast 300 Seiten. Zeugen | |
| sind an dem Tag noch nicht geladen. Auch Nebenkläger gibt es im Prozess | |
| nicht. | |
| Ob sich die Angeklagten im Prozess einlassen werden, ist offen. Verteidigt | |
| werden sie teils von Szeneanwälten. Im Fall von Bastian A. ist es anders: | |
| Ihn vertritt Mustafa Kaplan, einst NSU-Opferanwalt und zuletzt Verteidiger | |
| des Lübcke-Mörders Stephan Ernst. „Ich habe das Mandat übernommen, weil ich | |
| Verteidiger bin“, sagte er der taz. Ob Bastian A. eine Aussage machen | |
| werde, stehe noch nicht fest, erklärte auch er. | |
| Diverse Zeugenaussagen, abgefangene Chatnachrichten und Überwachungen aus | |
| PKW aber sollen die Angeklagten belasten. Durch die Vielzahl an Taten wird | |
| der Prozess dauern: Angesetzt sind schon jetzt Termine bis Ende März 2024. | |
| 20 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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