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# taz.de -- Rückgabe von Raubkunst: Der lange Abschied
> Über 50 Jahre lang verweigerte sich Deutschland der Rückgabe des
> kolonialen Raubguts. Nun will die Bundesrepublik Vorreiter sein.
Bild: Am Tag der Rückgabe in Abuja: Während der Übergabezeremonie werden die…
Berlin taz | Als die „Benin-Bronzen“ ab 1897 in Europa bekannt wurden,
waren sie eine Sensation. Unter dem Namen wird heute ein Konvolut aus fein
ziselierten Reliefs, Gedenkköpfen und Figuren aus Metall, Elfenbein und
anderen Materialien aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zusammengefasst. Ihre
Schönheit und Kunstfertigkeit, die weiße Europäer in rassistischer Hybris
den angeblich geschichts- und kulturlosen Afrikanern nicht zugetraut
hatten, wurde sofort bestaunt und bewundert. Mindestens 3.000 dieser
Objekte waren im Zuge der britischen Eroberung der alten Königsstadt Benin
City geraubt worden und über Auktionshäuser in London und Zwischenhändler,
etwa deutsche Kaufleute, in westliche Museen gekommen.
In Deutschland landeten rund 1.100 Objekte, [1][die meisten (514) im
damaligen Völkerkundemuseum Berlin], heute das Ethnologische Museum, nur
das British Museum hat weltweit mehr. Auch das heutige Hamburger Museum am
Rothenbaum, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, die Völkerkundemuseen
in Leipzig und Dresden und das Stuttgarter Linden-Museum sammelten
erkleckliche Bestände.
Im Jahr 1972 forderte Nigeria bescheiden einige Bronzen als Dauerleihgabe
zurück. Doch die Mehrzahl der deutschen Museumsmacher, etwa die mächtige
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), wies das Ansinnen zurück, wie die
Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in ihrem Buch „Afrikas Kampf um seine
Kunst“ detailliert nachzeichnet. Ähnlich ging es anderen Ländern, die ihre
Kunst zurückhaben wollten.
Getrieben von der Furcht, hiesige Museen könnten bald „leer“ sein, wenn man
den Wünschen der ehemaligen Kolonien nachgäbe, beharrte man in Deutschland
auf der Auffassung, alle Objekte seien „legal“ erworben, nicht geraubt oder
gestohlen – müssten also nicht zurückgegeben werden. Noch Ende 2018 schloss
sich die damalige Bundesregierung dieser Auffassung an, wie aus der Antwort
auf eine [2][AfD-Anfrage zu den Berliner ethnologischen Beständen]
hervorgeht. Gerne führte man auch an, Länder wie Nigeria hätten gar nicht
die räumlichen, technischen wissenschaftlichen Möglichkeiten, die Kunst
angemessen zu bewahren. Dass ein Großteil der Bronzen – wie andere
Raubkunst aus den Kolonien – in hiesigen Depots verstaubte, verschwieg man
lieber.
## SPK und Außenministerium wiegelten zunächst ab
Allerdings geriet man mit dieser Haltung zusehends ins Abseits. Im Jahr
2017 erklärte Emmanuel Macron die Bereitschaft Frankreichs, geraubte
Kulturgüter zurückzugeben. In der Debatte über das Berliner Humboldt Forum
bekamen kritische Stimmen, etwa von Savoy, medial mehr Gehör. Intern gingen
deutsche Museen auch neue Wege, begannen etwa 2010 die Kooperation in der
Benin Dialog Group, die an einem neuen Museum in Benin-City arbeitet.
Zugleich aber plante das Humboldt Forum eine üppige Benin-Ausstellung, die
Bronzen würden ein Publikumsmagnet sein, frohlockte der Direktor.
Doch pünktlich zur digitalen Eröffnung im Dezember 2020 machte der
[3][nigerianische Botschafter in Berlin, Yusuf Tuggar, medienwirksam per
Twitter] bekannt, dass es eine neue Rückgabeforderung für die Bronzen gebe.
SPK und Außenministerium wiegelten ab, das sei keine „offizielle
Rückgabeforderung“. Intern gab es aber wohl schon länger diplomatische
Gespräche. Dann ging alles ganz schnell: Ende April 2021 [4][erklärten die
deutschen Museen und die damalige Kulturstaatssekretärin Monika Grütters
(CDU)] ihre Bereitschaft zu „substanziellen“ Rückgaben. Im Juli dieses
Jahres unterzeichneten Kulturstaatsministerin Claudia Roth und
Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) eine entsprechende
Absichtserklärung, die Museen gaben seither in Verträgen die
Eigentumsrechte zurück.
Nigeria honoriert das: Berlin darf rund ein Drittel der Bronzen für zehn
Jahre als Leihgabe behalten, Köln und Stuttgart haben ähnliche
Vereinbarungen erreicht. Ganz leer werden hiesige Museen wohl doch nicht
werden.
21 Dec 2022
## LINKS
[1] /Benin-Kunstwerke-in-Berlin/!5769604
[2] https://dserver.bundestag.de/btd/19/065/1906539.pdf
[3] /Raubkunst-im-Humboldt-Forum/!5733565
[4] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1902050/38d01f18cd1a3c1…
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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