| # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Solidarisch gegen Hass und Gewalt | |
| > Mit einer antifaschistischen Demo gedenkt die Linke Szene der Ermordung | |
| > Silvio Meiers. Auch der Angriff auf Kurdistan bringt Menschen auf die | |
| > Straße. | |
| Bild: Dieses Jahr findet wieder die traditionelle Silvio-Meier-Gedenkdemo statt | |
| 30 Jahre ist es mittlerweile her, dass der Antifaschist Silvio Meier von | |
| Neonazis ermordet wurde. Am Freitag den 21. November 1992 war der damals | |
| 27-Jährige mit drei Freund*innen auf dem Weg zu einer Party, als sie am | |
| U-Bahnhof Samariterstraße auf sieben rechte Jugendliche trafen. Wegen eines | |
| nationalistischen Aufnähers mit der Aufschrift „Ich bin stolz ein Deutscher | |
| zu sein“, kommt es zu einer kurzen Auseinandersetzung, bei dem der Aufnäher | |
| abgerissen wird. Kurze Zeit später werden die unbewaffneten | |
| Antifaschist*innen von den Neonazis völlig unerwartet mit Messern | |
| angegriffen. Silvio Meier wird durch gezielte Messerstiche getötet, zwei | |
| seiner Freunde lebensgefährlich verletzt und eine Freundin mit dem Messer | |
| bedroht. | |
| Noch in der gleichen Nacht kommt es zu einer Spontandemonstration mit rund | |
| 150 Menschen. Einen Tag nach der Ermordung ziehen rund 1.000 | |
| Antifaschist*innen nach Lichtenberg und greifen einen rechten | |
| Jugendclub an, in dem die Täter ein und aus gingen. Seitdem wird in Berlin | |
| bis auf wenige Ausnahmen jedes Jahr mit einer [1][Demonstration der | |
| Ermordung Silvio Meiers] gedacht und dabei Neonazitreffpunkten ein Besuch | |
| abgestattet. Zu Hochzeiten lagen die Teilnehmer*innenzahlen bei 5.000 | |
| Menschen, die in den vergangenen Jahren jedoch nicht ansatzweise erreicht | |
| werden konnten. | |
| Auch in diesem Jahr wurde am Todestag zu einer Mahnwache am U-Bahnhof | |
| Samariterstraße aufgerufen, in dem mittlerweile eine Gedenktafel hängt. | |
| Seit mehr als zehn Jahren erinnert auch eine Straße an Silvio Meier und ein | |
| Preis für Zivilcourage trägt den Namen des ehemaligen Hausbesetzers und | |
| linken DDR-Oppositionellen, der sich unter anderem in der Kirche von unten | |
| (KvU) engagierte und die Umweltbibliothek mitbegründete. | |
| Dies ist alles andere als selbstverständlich und vor allem dem | |
| unermüdlichen Erinnerungsarbeit von Antifaschist*innen zu verdanken. | |
| Immerhin wurde die Tat im Prozess gegen drei der beteiligten Neonazis vom | |
| Richter und den meisten Medien als [2][unpolitische Auseinandersetzung | |
| dargestellt], in der den Opfern eine Mitschuld an dem tödlichen | |
| Neonazi-Angriff gegeben wurde. | |
| ## Von Berlin nach Mölln | |
| Neben der Mahnwache soll es an diesem Samstag eine [3][Demonstration durch | |
| Lichtenberg] geben, die an Silvio Meier erinnert und rechten Locations wie | |
| der Rocker-Kneipe „Sturgis“ einen Besuch abstattet (Samstag 26. November, | |
| 18 Uhr, U-Bahnhof Samariterstraße). | |
| Silvio Meier ist eines von vielen Opfern rechter Gewalt seit der | |
| Wiedervereinigung. Mindestens 187 Menschen wurden seit 1990 von Neonazis | |
| getötet. Anfang der 90er Jahre gab es eine ungebremste Hasswelle gegen | |
| Antifaschist*innen, Migrant*innen und alle, die nicht in das rechte | |
| Weltbild passen. Allein 1991 gab es mehr als 330 Angriffe auf | |
| Geflüchtetenunterkünfte. Einige Orte wurden später zu Chiffren: | |
| Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, [4][Mölln], Solingen. | |
| Auch die 10-jährige Yeliz Arslan, die 14-jährige Ayse Yilmaz und die | |
| 51-jährige Bahide Arslan wurden vor 30 Jahren von Rechtsextremen getötet. | |
| In der Nacht des 23. November 1992 setzten Neonazis im | |
| schleswig-holsteinischen Mölln zwei Wohnhäuser in Brand, die von türkischen | |
| Familien bewohnt waren. Die Zwei Mädchen und ihre Großmutter starben, neun | |
| weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen. | |
| Seit vielen Jahren führt die Familie Arslan ein selbstorganisiertes | |
| Gedenken in Mölln durch, weil die Stadt Mölln die Familie nicht mehr in die | |
| Planungen des städtischen Gedenkens miteinbezieht. Um die Angehörigen der | |
| Ermordeten und die Überlebenden an diesem Tag mit ihrer Trauer nicht allein | |
| zu lassen und an ihrer Seite zu stehen, organisiert das Bündnis für | |
| Demokratie und Toleranz eine [5][gemeinsame Busanreise] aus Berlin | |
| (Mittwoch 23.November, 10:30 Uhr, Ostbahnhof). | |
| ## Staats-Terror gegen Kurd:innen | |
| Dass Faschismus tötet, zeigt sich seit einigen Tagen auch in den kurdischen | |
| Autonomieregionen in Nordsyrien und im Nordirak, wo bei Luftangriffen durch | |
| die Türkei mehrere Kurd*innen ums Leben gekommen sind. In Berlin und | |
| anderen Städten gehen seitdem [6][täglich hunderte Menschen auf die | |
| Straßen] und bringen ihre Solidarität zum Ausdruck. In Hamburg kam es dabei | |
| zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, nachdem diese den Protest wegen – | |
| der eigentlich nicht verbotenen – Fahnen der der kurdischen Milizen YGP/YPJ | |
| nicht loslaufen lassen wollte. Auch Pfefferspray soll eingesetzt worden | |
| sein. | |
| Im Gegensatz zur YGP/YPJ gilt die kurdische Arbeiterpartei PKK seit 28 | |
| Jahren als Terrororganisation. Rechtsanwalt Lukas Theune, der seit Jahren | |
| linke Kurd*innen und kurdische Initiativen vor Gericht vertritt, hat | |
| Anfang des Jahres beim Bundesinnenministerium offiziell Antrag auf die | |
| Aufhebung des PKK-Verbotes gestellt. Bei einer [7][Infoveranstaltung] | |
| spricht er über das repressive Vorgehen des deutschen Staates gegen | |
| politisch aktive Kurd*innen, wie sich Deutschland mit dem PKK-Verbot zum | |
| Erfüllungsgehilfen des Erdogan-Regimes macht und welche Perspektiven die | |
| beantragte Aufhebung des PKK-Verbotes hat (Donnerstag 24. November, 20 Uhr, | |
| Kiezladen Sonnenallee 154). | |
| Am Samstag wollen dann kurdische Gruppen in Berlin auf die Straße gehen, um | |
| [8][gegen das Verbot der PKK] zu protestieren (Samstag 26. November, 11 | |
| Uhr, Hermannplatz). | |
| Die Straße nehmen wollen sich am Freitag auch Frauen, Lesben, inter*, | |
| nicht-binäre, trans* und agender Personen, – also alle, die aufgrund ihrer | |
| Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Am internationalen | |
| Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen FLINTA ruft die Allianz | |
| internationalistischer Feministinnen* dazu auf, gegen Staatsgewalt, | |
| Diktatur, Patriarchat, Imperialismus und Kolonialismus in all seinen Formen | |
| zu protestieren und sich insbesondere mit den Schwestern aus dem globalen | |
| Süden zu solidarisieren. [9][Auf der Demonstration für die revolutionäre | |
| Befreiung und Selbstbestimmung von FLINTA] sind cis-Männer nicht erwünscht | |
| – ihnen wird empfohlen, eigene Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegen | |
| Frauen* zu stoppen (Freitag 25. November, 18 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz). | |
| 22 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Linke-Traditionen-in-Berlin/!5727829 | |
| [2] https://www.antifainfoblatt.de/artikel/zum-prozess-gegen-die-m%C3%B6rder-vo… | |
| [3] https://www.antifainfoblatt.de/artikel/zum-prozess-gegen-die-m%C3%B6rder-vo… | |
| [4] /30-Jahre-Moelln-Anschlag/!5891887 | |
| [5] https://buendnis.demokratie-mh.de/termin/berlin-faehrt-zum-moelln-gedenken/ | |
| [6] https://buendnis.demokratie-mh.de/termin/berlin-faehrt-zum-moelln-gedenken/ | |
| [7] https://radar.squat.net/de/event/berlin/kiezladen-sonnenallee-154/2022-11-2… | |
| [8] https://stressfaktor.squat.net/node/273415 | |
| [9] https://stressfaktor.squat.net/node/273268 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
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