| # taz.de -- Klimaaktivist:innen im Hörsaal: Unterbrochener Normalzustand | |
| > Klimaaktivist:innen halten an der TU Berlin einen Hörsaal besetzt. | |
| > Sie wollen, dass Lehre und Forschung die Klimakrise in den Fokus rückt. | |
| Bild: Die Besetzer:innen fordern, dass Lehre und Forschung die Klimakrise endli… | |
| Berlin taz | Normalerweise sitzen im Hörsaal H0104 der Technischen | |
| Universität (TU) Berlin tagsüber hunderte Studierende, versuchen | |
| naturwissenschaftliche Formeln auf zwei Tafeln zu entziffern und den | |
| Dozierenden auf der Bühne zu folgen. Am Freitag, den 18. November, ist | |
| dieser Normalzustand unterbrochen. Einige Schlafsäcke und Isomatten liegen | |
| nun auf der Bühne verteilt, auf der Tischplatte eines Stuhls steht ein | |
| Toaster, und an der linken Tafel prangt nun nur ein einziges Symbol: ein | |
| Kreis, durch den ein N wie ein Blitz von unten nach oben schießt, das | |
| Symbol der Hausbesetzer:innen. | |
| Seit Donnerstagabend halten Aktivist:innen der Gruppe | |
| [1][EndFossil:Occupy] den Hörsaal besetzt. Unter anderem fordern sie | |
| die Universitätsleitung dazu auf, Klimagerechtigkeit zu einem „integralen | |
| Bestandteil der Lehre und Forschung“ zu machen und den Universitätsbetrieb | |
| zukünftig nicht mehr durch „fossile Finanzierung“ zu fördern. | |
| „Gestern Abend haben wir zu einer studentischen Vollversammlung eingeladen | |
| und unsere Forderungen vorgestellt. Mit dem Ende der Versammlung wurde die | |
| Besetzung ausgerufen“ erklärt Mino, der seinen Nachnamen nicht nennen will. | |
| Zusammen mit 20 weiteren Aktivist:innen hat der 23-jährige | |
| Soziologiestudent die Nacht von Donnerstag auf Freitag im Hörsaal | |
| verbracht. „Es war eine angenehme Nacht, die Stimmung war gut“ erzählt | |
| Mino. | |
| Nur kurz soll sie gewesen sein, denn vor dem Besuch der | |
| Universitätspräsidentin, Prof. Dr. Geraldine Rauch, die sich für acht Uhr | |
| morgens angekündigt hatte, musste der Forderungskatalog noch einmal | |
| durchgesprochen werden. „Wir hatten zwar schon Forderungen formuliert, aber | |
| wollten die Studierendenschaft in die Finalisierung miteinbeziehen“ erklärt | |
| Sebastian Leukert. Er hat die Ortsgruppe EndFossil Berlin vor gut zwei | |
| Monaten mit ins Leben gerufen. | |
| Mit der Universitätspräsidentin Rauch stehe die Gruppe seit der Besetzung | |
| in engem und „kooperativen“ Kontakt, erklärt Leukert, der ebenfalls | |
| Soziologie an der TU studiert. Gegenüber der taz bestätigt Rauch ihre | |
| generelle Unterstützung: „Es ist wichtig und toll, dass Studierende aktiv | |
| werden und sich für unsere globalen Herausforderungen engagieren und sich | |
| dafür einsetzen, dass wir alle Verantwortung übernehmen.“ Zwar lägen nicht | |
| alle Forderungen im Ermessen der Hochschulleitung, „aber soweit wir können, | |
| werden wir versuchen, sie zu unterstützen“ so Rauch. Besonders die „schöne | |
| und konstruktive“ Umgangsform der Protestierenden begrüßt Rauch. | |
| „Wir wollen nicht randalieren, sondern bilden“, versichert Manar, die ihren | |
| Nachnamen auch nicht nennen möchte. Ein Stundenplan auf der rechten Tafel | |
| illustriert, wie diese Bildung aussehen soll: Es gibt Vorträge der | |
| Initiativen Genug ist Genug und DebtforClimate über die Verkehrswende und | |
| die Proteste in Lützerath. „Es gibt aber auch musikalisches Programm und | |
| Filmscreenings, damit die Stimmung gut bleibt“, so die 19-jährige | |
| Bacherlorstudierende. | |
| Die Gruppe lädt alle Interessierten ein vorbeizukommen und den „Ort in | |
| einen lebendigen und warmen Raum des Widerstandes zu verwandeln“. Wichtig | |
| ist den Aktivist:innen aber, dass man „zärtlich miteinander“ umgeht und | |
| auf die Bedürfnisse anderer achtet. Damit FLINTA* nachts einen Rückzugsort | |
| haben, wurde ein abgetrennter Raum am oberen Ende des Hörsaals | |
| eingerichtet. Am Freitagabend möchte die Gruppe in einer Küche in einem | |
| studentisch verwalteten Raum im Unigebäude gemeinsam kochen. Auch dieser | |
| Ort wurde 2018 durch studentischen Protest geschaffen. | |
| Die Berliner Besetzung reiht sich in eine Serie von Universitätsbesetzungen | |
| ein, die seit September 2022 Deutschland und europaweit stattfinden. | |
| Nachdem am 24.Oktober in [2][Göttingen] die erste Universitätsbesetzung | |
| ausgerufen wurde, folgten Aktionen in Marburg, Freiburg, Köln und weiteren | |
| Städten. Seit dem 16. November halten Aktivist:innen unter dem Motto | |
| „Die Erde brennt“ einen Hörsaal der Uni Wien besetzt, und die Gruppe | |
| EndFossil Barcelona hat durch ihre Besetzungen [3][erste Erfolge] erzielt: | |
| ab 2024 werden alle 14.000 Studierenden der Universität Barcelona ein | |
| Pflichtmodul über die Klimakrise belegen. | |
| Manar, die schon längere Zeit in der Klimabewegung aktiv ist, findet den | |
| Strategiewandel von Schulstreiks zu Besetzungen wichtig, um die | |
| Dringlichkeit auszudrücken, mit der Klimagerechtigkeit umgesetzt werden | |
| muss. „Bislang haben wir bis zu [4][100.000] Menschen auf die Straße | |
| gebracht, und trotzdem hat das nicht genug Druck ausgeübt, um | |
| Politiker:innen dazu zu bringen, stringent zu handeln“ so die junge | |
| Studentin. Sebastian Leukert zieht Mut aus den Erfolgen der | |
| [5][68-Bewegung], frustriert ist er allerdings über die ausbleibende | |
| Beteiligung jener Generation „die früher Universitätsbesetzungen mit großer | |
| Effizienz betrieben hat“. | |
| Wie lange die Aktivist:innen bleiben werden, sei noch nicht | |
| entschieden:„Das hängt von den Verhandlungen mit der Universitätsleitung | |
| ab, aber auch von der Beteiligung anderer Studierender“. Die drei | |
| Studierenden sind sich aber einig darin, dass man über die Besetzung über | |
| das Wochenende hinaus halten wolle. | |
| 18 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://berlin.endfossil.de/ | |
| [2] /Schulbesetzung-in-Goettingen/!5889384 | |
| [3] https://www.theguardian.com/world/2022/nov/12/barcelona-students-to-take-ma… | |
| [4] /Aktionstag-gegen-die-Erderhitzung/!5627809 | |
| [5] /Was-die-68er-Bewegung-heute-bedeutet/!5494455 | |
| ## AUTOREN | |
| Tatjana Söding | |
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