# taz.de -- Ökobilanz von Weihnachtsgetränken: Glühwein oder Eierlikör? | |
> Klima- und Energiekrise wirken sich auch auf das Weihnachtsfest aus. | |
> Plötzlich stellt sich die Frage, welcher Weihnachtsdrink am | |
> nachhaltigsten ist. | |
Bild: Glühwein oder Eierlikör – die Ökobilanz von Weihnachtsdrinks fällt … | |
BERLIN taz | Alle paar Meter steht auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner | |
Alexanderplatz ein Glühweinstand. Die Preise des Heißgetränks sind üppig: | |
Für eine Tasse verlangt ein Stand 8 Euro, davon sind 3 Euro Pfand. Die | |
Tasse ist schön heiß und wärmt die gefrorenen Finger auf. Besonders würzig | |
ist der Glühwein aber nicht – weder Zimt noch Nelken oder Orangenscheiben | |
finden sich darin. | |
Der Wein wurde aus einer Zehnliterpackung des Unternehmens Bayernwald | |
gezapft und aufgewärmt, der pro Karton 25,99 Euro kostet. Wenn in eine | |
Tasse 200 Milliliter Glühwein passt, ergibt ein Karton 50 Tassen, für den | |
Glühweinstand bedeutet es 250 Euro Einnahmen. Ob bei den diesjährigen | |
Energiepreisen am Ende noch etwas übrigbleibt, ist eine andere Frage. Aber | |
nicht nur für den Geldbeutel ist der Kauf dieses Glühweins fragwürdig – | |
auch die Ökobilanz des Heißgetränks ist schwer nachzuverfolgen. | |
„Wenn man fertigen Glühwein kauft, ob nun auf dem Weihnachtsmarkt oder im | |
Geschäft, bleibt die Herkunft der Zutaten leider oft im Dunkeln“, sagt | |
Katja Tölle, stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift Öko-Test. | |
Bei Glühwein müsse keine Zutatenliste angeben, künstliche Aromen müssten | |
nicht deklariert werden. Das heißt, „auch die Inhaltsstoffe werden meistens | |
nicht genannt“, sagt Tölle. Ihre Vermutung bestätigt sich: Bayernwald | |
möchte auf Anfrage keine genaueren Angaben zu den Ursprungsländern der | |
Früchte oder des Weins geben. | |
## Zimt und Zucker mit schlechter Ökobilanz | |
Eine positive Entwicklung sieht Tölle im regionalen Winzerglühwein: „Die | |
Herkunft ist dann klar gekennzeichnet, oft sind zudem alle Zutaten | |
deklariert. Wenn der dann noch bio ist, kann man den sicherlich mit gutem | |
Gewissen genießen, auch was die Ökobilanz betrifft“, sagt sie. Am besten | |
sei aber [1][selbst gemachter Glühwein], der „eine relativ gute Ökobilanz“ | |
habe, sagt Tölle. | |
Beim Glühwein spielen verschiedene Komponenten eine Rolle: Es geht um die | |
Herkunft des Weins, seinen Anbau, die im Wein enthaltenen Gewürze, Früchte, | |
der Zucker sowie die Verpackung und sein Verkauf. So könne man mit einem | |
deutschen Wein und regionalem Rübenzucker durchaus einen nachhaltigen | |
Glühwein zusammenmischen. | |
„Bei der Auswahl der typischen Weihnachtsgewürze wird es dann schon | |
schwierig“, erklärt Tölle, denn diese seien „nicht per se klimafreundlich… | |
Aber auch hier spiele Ort und Art des Anbaus eine wesentliche Rolle. „Aber | |
ganz ehrlich: Das fällt, glaube ich, kaum ins Gewicht“, ergänzt sie. „Die | |
fertigen Glühweine enthalten nur extrem geringe Anteile echter Gewürze, | |
viele sind auch aromatisiert. Da würde es sich eher lohnen, den | |
Zuckeranteil mit einzubeziehen.“ | |
Schließlich existiert noch eine soziale Komponente. Die | |
Menschenrechtsorganisation Oxfam etwa berichtet über die Ausbeutung im | |
Weinanbau auf italienischen sowie südafrikanischen Plantagen. Den | |
Recherchen zufolge mussten Arbeiter:innen unter [2][unwürdigen | |
Bedingungen] für sehr niedrigen Tageslohn arbeiten. | |
## Eierlikör nicht viel besser | |
Wenn einem auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz die Lust am | |
Fertigglühwein vergangen ist, kann man sich vielleicht [3][stattdessen mit | |
Eierlikör] vergnügen? An zwei Ständen verkauft die Brennerei Wild | |
verschiedene Liköre, unter anderem wirbt sie auf einer Tafel mit „Eierlikör | |
[4][aus besten Bio-Eiern]“. | |
Auf Nachfrage, aus welchem Hof die Eier stammen, muss der Verkäufer erst | |
einmal in der Produktbeschreibung nachsehen. Darin steht: „Wir verwenden | |
ausschließlich frische Eier von der Erzeugergemeinschaft ZapfHof aus | |
Gengenbach und können damit höchste Qualität garantieren.“ Von „bio“ s… | |
da nichts. | |
Der junge Verkäufer, der seinen zweiten Arbeitstag am Stand verbringt, | |
meint, dass Biosiegel überbewertet und nicht per se vertrauenswürdig seien. | |
Im Fall der Brennerei Wild besteht der Eierlikör aber tatsächlich aus | |
Bio-Eiern, wie der Geflügelhof ZapfHof auf Nachfrage bestätigt. Diese sind | |
durch das Ökosiegel von Naturland zertifiziert. | |
Ob Bio-Ei oder nicht – die Ökobilanz von Eierlikör fällt trotzdem nicht | |
besonders gut aus. Ursache dafür sind die Zutaten Eier, Sahne und Zucker. | |
„[5][Tierische Lebensmittel] verursachen in aller Regel einen deutlich | |
höheren ökologischen Fußabdruck als vegetarische Lebensmittel“, erklärt | |
Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe. | |
So hätten Eier „einen CO2-Fußabdruck von rund 3 Kilogramm pro 1.000 Gramm, | |
dabei wiegt ein Ei rund 60 Gramm“, sagt sie. Greenpeace teilt diese | |
Auffassung: Ernährungsbedingte CO2-Emissionen seien zu 29,1 Prozent auf | |
Milchprodukte und zu 0,5 Prozent auf Eier zurückzuführen. | |
## Tetrapak oder Einwegflasche? | |
Zucker sei nicht weniger problematisch, da dieser, wenn er „in Monokulturen | |
in Südamerika angebaut wird und lange Transportwege zurücklegen muss“, eine | |
höhere Ökobilanz hat als regionaler Zucker aus Zuckerrüben, sagt Annette | |
Dohrmann von Öko-Test. Zuckerrüben würden „in der Regel intensiv mit | |
synthetischen Düngern auf hohe Erträge gebracht“, ergänzt Benning von der | |
Umwelthilfe. | |
Beim Eierlikör spielt überdies die Verpackung eine Rolle. Katja Tölle von | |
Öko-Test erklärt, dass das Gewicht eines Glases schwerer sei als ein | |
Tetrapak, sodass mehr Transportkosten anfielen. Einwegglas lasse sich zwar | |
recyceln, doch dies sei sehr energieaufwendig. „Als Pfandflasche, die bis | |
zu 50-mal wiederbefüllt werden kann, okay“, sagt Tölle. Doch wo es kein | |
Mehrwegsystem gebe, sei Tetrapak im Vorteil. | |
Mit Blick in den leeren Geldbeutel lohnt sich möglicherweise der Weg hin | |
zum Maronenstand: Hier kosten 100 Gramm heiße Maronen 4 Euro. Das ist im | |
finanziellen Rahmen. Außerdem ersetzt die natürliche Süße der Maronen den | |
Zucker, und da sie heiß serviert werden, wärmen die Nüsse die Finger auf – | |
besser als Glühwein. Nur regional sind sie nicht: Auf die Nachfrage, wo die | |
Kastanien herkommen, ruft der Verkäufer fröhlich: „Italien!“ Ein Versuch | |
war’s wert. | |
29 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
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