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# taz.de -- Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt: Wie misst man Wohlstand?
> Mehr Wirtschaftsleistung bedeutet mitnichten ein besseres Leben. Warum es
> an der Zeit für Alternativen zum BIP ist – und welche Möglichkeiten es
> gibt.
Bild: Geld, Bildung, Gesundheit, Glück, Bildung, Umwelt: Wohlstand hat viele D…
Jedes Jahr in den Urlaub fliegen? Sich eine tolle neue Couch leisten, einen
neuen Laptop? Ja, für viele Menschen ist das Wohlstand. Es ist ein
Wohlstandsverständnis, das angesichts von Inflation und [1][ins Stocken
geratenen Lieferketten] immer mehr unter Druck gerät. Und durch eine
Erkenntnis, die sich nur langsam durchsetzt: Unser Leben, das Leben aller
Menschen auf diesem Planeten, wird nicht mehr lange so weitergehen können,
wenn ein Teil der Welt weiter an diesem Verständnis von konsumzentriertem
Wohlstand festhält.
Dabei ist es so praktisch: Wertschöpfung, Investitionen, Einkommen – das
lässt sich gut messen. Simplizität wiederum lässt sich einfach
kommunizieren und darstellen. Perfekt für eine Kurve, die immer ein
Stückchen weiter klettert und signalisiert: Alles ist gut. Kein Wunder
also, dass der am weitesten verbreitete Index für die Wohlstandsmessung das
Bruttoinlandsprodukt ist. Simpel, klar, vergleichbar. Jenseits davon
beginnt die Komplexität. Das zeigen die Grafiken auf dieser Seite. Die
Faustregel: Je mehr Faktoren und je weniger greifbar diese auf statistisch
erhebbare Größen heruntergebrochen werden können, desto mehr Erklärung
[2][braucht ein Wohlstandsindikator].
Der Gedanke daran, dass die Wohlstandskurve nach unten gehen könnte, weckt
Ängste. Ängste vor Verzicht. Ängste vor einem Abstieg. Wenn viele Menschen
Angst haben, bald auf der Verliererseite zu stehen, kann das für eine
Gesellschaft zum Problem werden. Ebenso aber, wenn die Politik es nicht
schafft, zukunftsweisende Lösungen aufzuzeigen, sondern selbst noch an
einem überholten Wohlstandsverständnis festhält.
Es kann also nicht nur darum gehen, auf Wohlstand zu verzichten.
Stattdessen könnten zwei Fragen weiterhelfen: Welche Bedürfnisse
befriedigen wir eigentlich mit dem neuen Smartphone, der Immobilie, dem
Auto? Und wie können diese anders, nämlich klima-, ressourcen- und
gesellschaftsverträglicher befriedigt werden? Kommunikation, soziale
Absicherung, Genuss, Mobilität, Unterhaltung, Teilhabe – all das geht auch
mit einem [3][deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck]. Die bereits
entwickelten Wohlstandsindizes, die auf die Umwelt schauen, die Aspekte wie
Gesundheitsversorgung einbeziehen oder Bildung, Work-Life-Balance oder
Luftverschmutzung, sind wahrscheinlich noch nicht die endgültige Lösung.
Aber sie sind ein erster Schritt auf einem Weg, der noch viel zu langsam
beschritten wird.
## Messmethoden im Überblick
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert aller im Inland hergestellten
Waren und Dienstleistungen, die keine Vorprodukte für andere Waren oder
Dienstleistungen sind, sondern Endprodukte. Seit Ende des Zweiten
Weltkriegs ist das BIP zu dem zentralen Wohlstandsindikator geworden:
Steigt das BIP, spricht man von Wirtschaftswachstum. Das BIP wird jeweils
jährlich und vierteljährlich berechnet.
Der Human Development Index (HDI) misst und kombiniert drei Dimensionen.
Erstens: Lebenserwartung. Zweitens: Bildung anhand der durchschnittlichen
Anzahl der Schuljahre von über 25-Jährigen und der zu erwartenden
Schuljahreszahl bei Schulanfänger:innen. Drittens: das
Bruttonationaleinkommen pro Kopf.
Der Planetary pressures-adjusted Human Development Index (PHDI) ergänzt den
Human Development Index (HDI) um eine ökologische Komponente: die
Kohlendioxidemissionen und den ökologischen Fußabdruck pro Kopf. Die daraus
errechneten Werte werden von dem HDI abgezogen – in einem Land, in dem es
keine Belastung für den Planeten gibt, wären also beide Werte gleich.
Aufgrund der identischen Platzierung mehrerer Länder müssen hier 11
Nationen abgebildet werden.
Der Better Life Index (BLI) ist kein absolutes Ranking. Stattdessen können
Nutzer:innen 11 Indikatoren so gewichten, wie sie sie selbst am
wichtigsten finden. Die Indikatoren sind Arbeit, Bildung, Einkommen,
Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Mitwirkung an demokratischen Prozessen,
Sicherheit, sozialer Zusammenhalt, Umwelt, Wohnen und Work-Life-Balance.
Gewichtet man alle Indikatoren gleich, ergibt sich das hier abgebildete
Ranking. Deutschland landet auf Platz 13.
Der Happy Planet Index (HPI) bewertet Länder danach, wie gut sie ihren
Bewohner:innen ein langes, glückliches Leben im Rahmen der planetaren
Ressourcen ermöglichen. Der HPI ist ein bewusster Gegenentwurf zum BIP, das
auf Wachstum setzt. Grob lässt sich die Formel folgendermaßen
zusammenfassen: Lebenserwartung multipliziert mit empfundenen Wohlergehen,
geteilt durch den ökologischen Fußabdruck. Deutschland liegt beim HPI auf
Platz 29.
Im Gegensatz zu vielen anderen Indizes, die Ländervergleiche ermöglichen,
funktioniert das [4][Recoupling Dashboard] länderspezifisch. Recoupling
heißt Rückkopplung, der Index arbeitet mit vier Indikatoren: soziale
Solidarität, Handlungsfähigkeit einzelner Menschen, materieller Wohlstand
und Zustand der Umwelt. Das Recoupling Dashboard soll damit für das
jeweilige Land die Wechselbeziehungen zwischen wirtschaftlichem Wohlstand,
sozialem Wohlstand und ökologischer Nachhaltigkeit veranschaulichen.
23 Nov 2022
## LINKS
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[3] /Oekologischer-Handabdruck/!5892928
[4] /Wohlstand-jenseits-vom-BIP/!5894747
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Inflation
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