# taz.de -- Katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen: Aufstand wird zu Unordnu… | |
> Der Aufstandsparagraf wurde gegen die Organisatoren des katalanischen | |
> Referendums 2017 angewandt. Jetzt soll er abgeschafft werden. | |
Bild: Kein Aufstand in Sicht: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez | |
MADRID taz | Der umstrittene Aufstandsparagraph im spanischen | |
Strafgesetzbuch verschwindet. Die Regierungskoalition aus Sozialisten und | |
Linksalternativen unter Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Freitag ein | |
Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der den „Aufstand“ durch „schwere | |
öffentliche Unordnung“ ersetzen wird. Die Höchststrafe für Aufstand waren | |
15 Jahre Haft, für die „schweren Unruhen“ werden es nur noch fünf Jahre | |
sein. Es gehe der Regierung darum, „das Delikt des Aufstandes durch einen | |
Straftatbestand zu ersetzen, den andere europäische Demokratien ebenfalls | |
kennen“, erklärt Sánchez. | |
Sánchez setzt damit ein Wahlversprechen um. Eine Mehrheit im Parlament gilt | |
als sicher. Denn außer den beiden Parteien der Minderheitsregierung kann | |
Sánchez mit den Stimmen nationalistischer Parteien aus dem Baskenland und | |
Katalonien, sowie kleinerer linker Formationen rechnen. | |
2018 waren neun Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten aus Katalonien zu | |
bis zu 13 Jahren wegen Aufstand und Veruntreuung verurteilt worden. Das | |
Vergehen der mittlerweile Begnadigten: Sie hatten in ihrer | |
nord-ost-spanischen Heimat am 1. Oktober 2017 trotz Verbot aus Madrid ein | |
[1][Unabhängigkeitsreferendum] abgehalten. Bis auf wilde Polizeieinsätze | |
gegen wartende WählerInnen blieb dies völlig friedlich. Dennoch wertete das | |
Oberste Gericht den Wahltag als Aufstand. | |
Im restlichen Europa stieß dies bei den Juristen auf Unverständnis. Mehrere | |
Politiker, die den Weg ins Exil angetreten hatten, werden von der | |
spanischen Justiz wegen eben jenes vermeintlichen Aufstandes mit | |
europäischem Haftbefehl gesucht, darunter der einstige Präsident der | |
katalanischen Regierung [2][Carles Puigdemont], der in Brüssel lebt und | |
einen Sitz im Europaparlament innehat. Sowohl deutsche als auch belgische, | |
schottische und schweizer Richter lehnten eine Auslieferung der | |
Beschuldigten ab. Einen Aufstand wollten sie einfach keinen ausmachen. | |
## Die rechtsextreme VOX nennt Sánchez „Verräter“ | |
Die Reaktion auf die Gesetzreform in der rechten Opposition fällt heftig | |
aus. Alberto Nuñez Feijóo, Chef der stärksten Oppositionspartei wirft | |
Sánchez „historische Verantwortungslosigkeit“ vor, er würde „seine | |
politischen Interessen über die Spaniens“ stellen. Soll heißen, Sánchez | |
ändere das Gesetz, um sich die Unterstützung der Katalanen bei der | |
anstehenden Haushaltsabstimmung zu sichern. | |
Die rechtsextreme VOX – drittstärkste Partei im spanischen Parlament – geht | |
noch einen Schritt weiter und beschimpft den Ministerpräsidenten gar als | |
„Verräter“. Und für die rechtsliberalen Ciudadanos hat Sánchez „keiner… | |
Skrupel“. | |
In Katalonien stößt die Reform auf geteilte Meinungen. Sie sei ein Schritt | |
„den Konflikt zu entjustizieren“ – also aus den Gerichten zurück auf die | |
politische Ebene zu bringen – erklärt der katalanische Regierungschef Pere | |
Aragonès von der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC). Er will auf | |
Madrid zugehen und verhandeln. Sein Ziel ist ein erneutes Referendum in | |
beiderseitigem Einverständnis. Sánchez lehnt dies allerdings strikt ab. | |
11 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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