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# taz.de -- Neuer Vorsitzender der Jungen Union: Kein Polterer wie sein Vorgän…
> Johannes Winkel aus NRW ist der neue Vorsitzende der Jungen Union. Er
> gibt sich sachlich, den Parteinachwuchs will er zu „Vordenkern“ machen.
Bild: Friedrich Merz (l.) und Johannes Winkel
Fulda taz | Blass sieht Johannes Winkel aus, so wie er da neben
[1][Friedrich Merz] auf der Bühne steht. Das liegt wohl am wenigen Schlaf
in der letzten Nacht, aber Nervosität dürfte auch eine Rolle spielen. Der
CDU-Chef hat gerade auf dem Deutschlandtag der Jungen Union geredet, jetzt
will Winkel ihm zum Dank einen Bembel überreichen, „JU“ steht darauf.
Der Nachwuchs von CDU und CSU tagt an diesem Wochenende im hessischen
Fulda, hier wird in solchen Krügen Apfelwein serviert. „Wir kommen beide
aus Südwestfalen, da trinken wir normalerweise Pils“, sagt Winkel. Und dass
er nicht wisse, ob man aus dem Krug auch [2][Bier trinken] darf.
Das soll vermutlich witzig klingen, wirkt aber unbeholfen. Doch davon
sollte man sich nicht täuschen lassen. Johannes Winkel, 31, Jurist aus
Kreuztal bei Siegen, ist der neue Vorsitzende der Jungen Union, gewählt mit
knapp 87 Prozent. In der JU erzählen manche, Winkel habe seinen Weg dahin
nicht nur strategisch geplant – er habe auch ziemlich klare Vorstellungen.
## Es mangelt an Frauen und jungen Leuten
Es ist schon nach neun, als Winkel am Freitagabend zwecks Bewerbung ans
Redepult tritt, die ersten Biere sind geleert, [3][Tilman Kuban, der alte
JU-Chef], mit 35 zu alt für eine erneute Amtszeit, ist mit viel Tamtam und
ein paar Tränen verabschiedet, im Saal ist der Lärmpegel angestiegen. Will
Winkel die Delegierten für sich gewinnen, das sagt die Erfahrung, dann muss
er jetzt zulangen.
Doch schnell ist klar: Das macht er nicht. Winkel, der keinen
Gegenkandidaten hat, setzt sich eher ruhig in Szene, nüchtern und sachlich,
ganz anders als als sein Vorgänger. Kuban gilt als Polterer, und auch wenn
ihm dieses Image nicht ganz gerecht wird, kann man Winkels Bewerbungsrede
auch als Abgrenzung verstehen und als Ansage: Jetzt kommt ein anderer Stil.
Winkel sagt: „Lasst uns in den großen [4][Fragen unserer Generation]
Vordenker sein.“ Er setzt also vor allem auf Inhalte. Das ist neu. Und
dürfte ein interessantes Experiment werden. Denn offen ist, ob der
Union-Nachwuchs das überhaupt leisten kann. Und ob es bei der Basis Anklang
findet. Denn JU, das ist neben Kopf eben auch viel Bauch, manche sagen
auch: Politik und viel Party.
Winkel übernimmt die JU in einer schwierigen Zeit. Die Nachwuchstruppe, die
sich gern als größter politischer Jugendverband bezeichnet, schrumpft. Es
mangelt, trotz Bemühungen unter Kuban, an Frauen, an Mitgliedern aus
Familien mit Migrationsgeschichte, an Auszubildenden und jungen Leuten, die
weder Jura noch BWL studieren.
Die Bundestagswahl vor einem Jahr war auch aus Sicht der Parteijugend ein
Debakel: Nur zehn Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben für die Union
gestimmt. Was aus der JU zu sehen und zu hören war, habe „eher
abschreckend“ gewirkt, hieß es gar bei einer Wahlanalyse in der
CDU-Zentrale. „Jetzt beginnt eine neue Zeit“, sagt Winkel. Und dass auch
die JU ihren Platz in der Opposition finden müsse.
Der neue JU-Chef, ein schlanker Kerl mit Dreitagebart, [5][trägt Sneaker
und Jeans], dazu Hemd mit dunkelblauem Pulli. So könnte er auch zu den
Jusos gehen. Er ist in einem katholischen, aber keinem CDU-Elternhaus
aufgewachsen, der Vater arbeitet in einem Softwareunternehmen, die Mutter
ist Krankenschwester. Winkel war Messdiener und bei der Kolping-Jugend
aktiv. Mit 19 trat er in die JU ein, gründete den Stadtverband in Kreuztal
mit und stieg von dort auf, 2020 wurde er zum Landesvorsitzenden in
Nordrhein-Westfalen gewählt. Winkel hat Jura studiert, derzeit promoviert
er.
## Atomkraft als Lösung für den Klimawandel
Vielleicht liegt es an Elternhaus und Kolpingjugend, dass Winkel die
Skepsis der CDU gegenüber dem Mindestlohn nicht teilt, hinter Merz'
[6][Kritik am Bürgergeld] aber steht er. Insgesamt ist nicht leicht
herauszufinden, wo der neue JU-Chef innerhalb der CDU zu verorten ist.
Billige Polemik gegen Gendern und Kiffen jedenfalls hat er in seiner Rede
ausgelassen, Merz aber in allen drei Anläufen zum Parteivorsitz
unterstützt. Wichtig ist ihm, dass JU und auch die Union insgesamt eigene
Positionen entwickeln und dazu stehen, auch wenn die Demoskopie etwas
anderes empfiehlt.
Zum [7][Klimawandel] fällt Winkel Technologieentwicklung und vor allem
Atomkraft als Lösung ein. In der JU ist das nicht unumstritten. Die Union,
sagt Winkel, solle die erste Partei sein, die Deutschland zu einem
klimaneutralen Industrieland mache. „Lasst uns mit aller Kraft für den
Erhalt der Industrie, Produktion und Innovation in Deutschland kämpfen.“ Da
brandet im Saal auch mal Jubel auf.
Der JU-Chef fordert aber auch „mehr Migration in den Arbeitsmarkt“ und „e…
echtes Familiensplitting“, was in seiner Position keine
Selbstverständlichkeit ist, auch gibt er der ehemaligen Bundeskanzlerin mal
einen mit. „Man legt die Energieversorgung nicht in die Hände eines Mannes,
der sein Leben dem sowjetischen Geheimdienst gewidmet hat“, sagt Winkel
etwa. Den Namen [8][Angela Merkel] braucht er da gar nicht zu erwähnen.
Auf Merz, Merkels Nachnachnachfolger beim CDU-Vorsitz, wird Winkel jetzt
häufiger treffen. Dessen Hoffnung, dass vom Parteinachwuchs mehr
inhaltliche Impulse kommen, könnte sich nun erfüllen. Möglicherweise droht
mit Winkel, der von der Union mehr „Überzeugungstaten“ fordert, aber auch
der eine oder andere Streit.
20 Nov 2022
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[8] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-wird-65-der-fotogr…
## AUTOREN
Sabine am Orde
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