# taz.de -- Politologe über Wiederaufbau in Ukraine: „Soziales nicht außer … | |
> Obwohl noch Krieg herrscht, sei es richtig, jetzt schon den Wiederaufbau | |
> der Ukraine zu planen, sagt der Politikwissenschaftler Jörn Grävingholt. | |
Bild: Borodinka ist nur eine von vielen Städten, die dringend einen Wiederaufb… | |
Herr Grävingholt, der [1][Krieg tobt in weiten Teilen der Ukraine], dennoch | |
setzt die internationale Staatengemeinschaft jetzt auf [2][Wiederaufbau]. | |
Ist das nicht naiv? | |
Nein. Überall dort, wo es ein Maß an Sicherheit gibt, ist das ein richtiger | |
Ansatz. Insbesondere auch dort, wo es seit drei oder vier Monate keine | |
Kriegshandlungen gibt. Es muss ja schließlich weitergehen. | |
Energie- und Wasserversorgung stehen [3][unter Beschuss]. | |
Jetzt den Wiederaufbau anzugehen, ist ein Zeichen der Solidarität an | |
Menschen in der Ukraine. Man muss jetzt die Weichen stellen, damit schnell | |
reagiert werden kann, sobald Kriegshandlungen zu Ende sind. Und es geht um | |
ein Signal an Russland: Eines Tages werden wir euch die Rechnung | |
präsentieren. | |
Der ukrainische Minister für regionale Entwicklung spricht von drei | |
Wiederaufbau-Phasen: Kurzfristig, mittelfristig und langfristig. Wie | |
sinnvoll ist das? | |
Für eine erste Bewertung ist das richtig. Allerdings müssen Aufgaben aus | |
den verschiedenen Phasen auch parallel angegangen werden. Ein großer Anteil | |
an [4][elementarer Infrastruktur wurde zerstört]. Es macht Sinn, bei deren | |
Wiederaufbau gleich erneuerbare Energien oder nachhaltige Baustoffe | |
mitzudenken. Fragen der Nachhaltigkeit sollten nicht bis zum | |
Sanktnimmerleinstag aufgeschoben werden, sonst jetzt gleich eingeplant | |
werden. | |
Bundeskanzler Scholz (SPD) hat den Begriff im Sommer schon ins Spiel | |
gebracht: Ein Marshall-Plan für die Ukraine. Ist das die richtige | |
Blaupause? | |
Marshall-Plan, das ist ein großes Wort. Und ja, es gibt durchaus Bezüge zum | |
amerikanischen Aufbauprogramm für Deutschland und Europa nach dem Zweiten | |
Weltkrieg. Aber wir leben heute in einer anderen Welt. Wichtig ist, dass | |
die Staatengemeinschaft und alle internationalen Institutionen verstanden | |
haben, dass der Wiederaufbau eine gemeinsame Anstrengung ist. Weltbank, | |
IWF, UNDEP, die EU-Kommission, die Staaten müssen zusammenarbeiten. | |
Finanzielle Zusagen müssen für sehr lange Zeit sichergestellt werden. | |
Man scheint sich einig zu sein. Auch in der Umsetzung? | |
Unklar ist noch, wie die Aufgaben und die Verteilung des Geldes koordiniert | |
werden. Die Problematik ist aus Afghanistan bekannt, aus Libyen oder aus | |
Geber- und Aufbaukonferenzen für afrikanische Staaten. Ziel jetzt muss es | |
sein, sich über Prioritäten und Strukturen der Wiederaufbauhilfe zu | |
verständigen. | |
Ist dies auch ein Wettlauf über die Koordinationshoheit zwischen den USA | |
und der EU? | |
Die USA werden sich enorm schwer tun, die Führungsrolle bei Koordination | |
und Verteilung von Geld aus der Hand zu geben. Denn das sind sie nicht | |
gewöhnt. Aber die [5][EU hat der Ukraine den Beitrittsstatus verliehen]. | |
Damit hat die EU natürlich auch eine entscheidende Rolle und sie wird nicht | |
in der zweiten Reihe sitzen. Für die Ukraine sind die USA aus | |
sicherheitspolitischen Interessen aber ebenso wichtig wie der EU-Beitritt. | |
Wichtig ist, die Koordination der Hilfen gekoppelt mit Reformen schnell zu | |
klären. | |
Welche Herausforderungen gibt es dabei? | |
Es geht um eine nachhaltige Entwicklung, also um eine klimaschonende | |
Entwicklung, die ökonomische und soziale Ziele nicht außer Acht lässt. Die | |
Ukraine braucht Reformen im Staatsapparat, gegen Korruption, für mehr | |
Rechtsstaatlichkeit. Es gab vor Kriegsbeginn gute Ansätze, da muss es jetzt | |
weiter gehen. Genau diese Aspekte werden für einen potentiellen EU-Beitritt | |
eine große Rolle spielen. | |
Für den Wiederaufbau bekommen Firmen Anreize für Investitionen, etwa | |
Ausfallgarantien. Ist es eine gute Idee, die Privatwirtschaft | |
einzubeziehen? | |
Ohne Privatinvestitionen wird es nicht gehen. Im Bausektor, bei den | |
Erneuerbaren Energien. Allerdings muss es auch hier wieder klare Kriterien | |
geben, damit nicht nur „Fassaden“ errichtet werden, sondern das Geld auch | |
dort ankommt, wo es hin soll. Deutsche und europäische Unternehmen haben | |
ohnehin Verbindungen in die Ukraine. Das sollten wir nicht unterschätzen, | |
sondern als Chance sehen. | |
26 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5890792 | |
[2] /Konferenz-zur-Ukraine-Hilfe/!5890061 | |
[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5889960 | |
[4] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5889229 | |
[5] /EU-Kandidatenstatus-fuer-die-Ukraine/!5863297 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Wiederaufbau | |
Entwicklung | |
G7 | |
EU-Kommission | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ankündigung der EU-Kommission: 18 Milliarden Euro für die Ukraine | |
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigt enorme Finanzhilfen für die | |
Ukraine für das kommende Jahr an – woher die kommen, ist aber unklar. | |
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kadyrow beklagt Verluste | |
Russische Offizielle berichten erstmals über Gefallenen-Zahlen. Die | |
Internationale Atombehörde will Vorwürfe wegen einer Schmutzigen Bombe | |
prüfen. | |
Steinmeier-Reise nach Kiew: Neue Normalität | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es nach Monaten in die Ukraine | |
geschafft. Seine Solidarität mit dem Land ist weder Versöhnungskitsch noch | |
Bußgang. | |
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Geflüchtete, bleibt im Winter fern! | |
Die ukrainische Regierung ruft geflüchtete Landsleute dazu auf, im Winter | |
im Ausland zu bleiben. Es gebe vielfach kaum Strom, keine Heizung, kein | |
Wasser. | |
Konferenz zur Ukraine-Hilfe: 750 Milliarden für den Wiederaufbau | |
Deutsche Unternehmen sollen nach dem Krieg in die Ukraine investieren. Das | |
Land soll zudem „Premiumhandelspartner“ werden, so Habeck. |