# taz.de -- Bundesregierung beschließt Moorstrategie: „Wasser Marsch“ für… | |
> Woran Schwarz-Rot gescheitert ist, bringt die Ampel auf den Weg: Eine | |
> Moorschutzstrategie, die Klima- mit Artenschutz vereinen soll. | |
Bild: Wieder nass: Teufelsmoor bei Worpswede in Niedersachsen | |
Potsdam taz | Die Bundesregierung hat sich am Mittwoch auf eine | |
Moorstrategie geeinigt. Sie will alle naturnahen [1][Moor]flächen erhalten, | |
ungenutzte Moorflächen wieder vernässen und ihre Funktion als | |
Kohlenstoffsenke stärken; die Flächen geschützter Moorgebiete sollen | |
erweitert und besonders artenreiche Moor-Wälder stärker geschützt werden; | |
ab 2030 sollen sie forstwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden. | |
Die rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden in Deutschland verteilen sich | |
hauptsächlich auf die norddeutschen Bundesländer und das Alpenvorland. Sie | |
rücken zunehmend in den Fokus des Klimaschutzes. Weil sie fast vollständig | |
– zu 92 Prozent – entwässert sind, geben sie das in ihnen gespeicherte CO2 | |
frei und emittieren mit 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich 7,5 | |
Prozent der gesamten deutschen Treibhausgase. Wer Moore wieder von | |
Emittenten zu Senken verwandelt, bedient also einen großen Hebel. | |
Die Strategie ist Teil des „Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz“, mit | |
dem Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Klimaschutz mit dem Schutz | |
der Artenvielfalt vereinen möchte und für das in den nächsten Jahren | |
insgesamt 4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das klingt viel, ist es | |
angesichts der Aufgabe aber nicht: „Dort, wo entwässerte Moorböden in einer | |
wirtschaftlichen Nutzung stehen, soll gemeinsam mit den | |
Eigentümer*innen und Bewirtschafter*innen die Einführung | |
alternativer, teilweise neuer, nachhaltiger Bewirtschaftungsformen auf der | |
Basis freiwilliger Kooperationen entwickelt werden“, heißt es in der | |
Moorschutzstrategie. Das hat es in sich: Die meisten entwässerten Moorböden | |
werden heute landwirtschaftlich genutzt: Etwa die Hälfte als Grünland, 19 | |
Prozent als Ackerland und 15 Prozent als Wald. 5 Prozent dieser | |
„organischen Böden“ sind mit Siedlungen bedeckt, [2][auf 1 Prozent wird | |
Torf abgebaut]. Adressaten der Moorstrategie sind also zu allererst die | |
Landwirte, die Moorflächen bewirtschaften. Sie könnten künftig etwa in | |
sogenannten Paludi-Kulturen Schilf oder Rohrkolben als Bau- und | |
Dämmmaterial sowie Torfmoose als Torfersatz anbauen oder | |
Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten Moorböden aufstellen. | |
Den Landwirten sei bewusst, dass die Wiedervernässung von Moorböden für den | |
Klimaschutz ein wichtiges Thema sei, sagt Ottmar Ilchmann, Vorsitzender der | |
Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Niedersachsen. Aus | |
heutiger Sicht sei es ein Fehler gewesen, diese Böden trockenzulegen, | |
umzupflügen und landwirtschaftlich zu nutzen. „Aber es ist nun mal | |
passiert“, sagt Ilchmann, „das wurde nicht von den Landwirten entschieden, | |
sondern von den Regierungen, zum Teil vor 300 Jahren“. Es sei eine | |
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aus dieser Bewirtschaftung auszusteigen, | |
wo es sinnvoll sei, und die Moorbauern entsprechend zu entschädigen. | |
Ilchmann hält 60 Milchkühe auf seinem Hof in Ostfriesland und | |
bewirtschaftet dafür 65 Hektar Land, ein Gutteil davon historische | |
Moorböden. Vor 70 Jahren wurden sie so tief umgepflügt, dass die unteren | |
Sandschichten nach oben geschaufelt wurden. „Ob es sinnvoll ist, sie wieder | |
zu vernässen, weiß ich nicht“, sagt Ilgmann, „und das geht vielen so, wir | |
brauchen viel genauere Daten und Karten“. | |
„Die Bundesländer haben entsprechende Moorbodenkarten erstellt“, sagt | |
Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrum (GMC). Doch der | |
Informationsbedarf der Landwirte sei riesig. Es gebe nicht „die eine“ | |
Lösung für alle Moorflächen. „Wir brauchen vor Ort, in Kommunen und | |
Kreisen, Ansprechpartner“, sagt Tanneberger, „lokale Moorschutzmanager und | |
Moor-Klimaschutzagenturen, die mit den Landwirten und Landwirtinnen | |
gemeinsam für jeden Einzelfall Lösungen suchen können“. | |
Milchbauer Ilchmann beispielsweise kann pro Hektar auf einem guten | |
Hochmoorboden rund 6.000 Euro im Jahr erwirtschaften, rechnet er vor. | |
„Bislang fehlt mir bei den Alternativen die wirtschaftliche Verwertung“, | |
sagt der Landwirt, „die Nachfrage nach den Dämm-Materialien oder Torfmoosen | |
sehe ich noch nicht“. Bei Photovoltaik-Anlagen auf Moorflächen hat Ilchmann | |
technische Bedenken – sie müssten etwa für Service-Teams zugänglich sein. | |
„Viele Bauern und Bäuerinnen stehen in der Warteschleife“, sagt Tanneberger | |
vom GMC. Der Staat müsse durch Anreize und Vorgaben einen Markt für | |
Produkte aus alternativen Nutzungen schaffen – „das geht nicht von | |
alleine“. Das Geld wäre dafür gut eingesetzt, sagt die Landschaftsökologin, | |
„wenn wir Moorböden wieder vernässen, stoppen wir Treibhausgasemissionen, | |
verbessern den Stickstoff- und den Wasserhaushalt und tun was für die | |
Biodiversität“. Dass die Bundesregierung das Thema Moorschutz strategisch | |
angehe, sei „sehr zu begrüßen“. Allerdings seien die Ziele von 5 Millionen | |
Tonnen CO2-Einsparung 2030 zu niedrig, „das sind nur 10 Prozent der | |
aktuellen Emissionen, damit sind wir nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad“, sagt | |
Tanneberger. Immerhin ziehen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium | |
inzwischen an einem Strang: [3][In der vergangenen Legislaturperiode war | |
die Moorstrategie] noch am Widerstand des CDU-geführten Agrarministeriums | |
gescheitert. | |
9 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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