| # taz.de -- Klimaschutz im Baumarkt: Eine Frage der Erde | |
| > Umwelt- und Agrarministerium wollen die Verwendung von Torf im Gartenbau | |
| > eindämmen. Die Industrie verweist auf Selbstverpflichtungen. | |
| Bild: Eine Sukkulente in einem Topf, wahrscheinlich in einem Torfsubstrat | |
| Ministerin Steffi Lemke wird am Donnerstag nur per Videobotschaft am | |
| Deutschen Torf- und Humustag in Bad-Zwischenahn teilnehmen. Vielleicht | |
| erspart sie sich damit ein frostiges Willkommen, denn so herzlich ist die | |
| Beziehung zwischen der grünen Umweltministerin und der Gartenbau-Branche | |
| derzeit nicht. | |
| Lemkes so ambitionierter wie amorpher [1][„Aktionsplan natürlicher | |
| Klimaschutz“ nennt feste Ausstiegsdaten für die Verwendung von Torf.] Denn | |
| der gehört zu den fossilen Rohstoffen, bei deren Abbau CO2 freigesetzt | |
| wird: Bis 2026 sollen erst Hobbygärtner darauf verzichten, bis 2030 auch | |
| Erwerbsgärtnereien – auf freiwilliger Basis. Die Unternehmer:innen | |
| aber verweisen auf ihre freiwilligen Selbstverpflichtungen. Demnach wollen | |
| sie in den nächsten Jahren weniger Torf einsetzen. Ganz ohne gehe es nicht, | |
| sagen sie. | |
| Die Ankündigung der Industrie sei „sehr enttäuschend und angesichts der | |
| fortschreitenden Klimakrise nicht nachvollziehbar“, heißt es dazu aus dem | |
| Umweltministerium. Auch die Torfminderungsstrategie des Agrarministeriums | |
| sehe vor, vollständig aus der Torfverwendung im Hobbybereich auszusteigen | |
| und im Erwerbsgartenbau deutlich weniger einzusetzen. Die Ankündigung der | |
| Industrie stelle einen Rückschritt dar. | |
| Das Problem in Deutschland ist dabei weniger der Abbau von Torf als seine | |
| Nutzung. Von den etwa neun Millionen Kubikmetern Torf, die von der | |
| Industrie jährlich zu Gartenerde verarbeitet werden, stammt inzwischen etwa | |
| die Hälfte aus dem Ausland, mit steigender Tendenz. | |
| Seit 2014 seien in Deutschland kaum neue Abbauflächen mehr genehmigt | |
| worden, sagt Philip Testroet, Referatsleiter Gartenbau und Umwelt des | |
| Industrieverbands Garten (IVG). Die bestehenden Vorkommen würden sich | |
| langsam erschöpfen. Der – in Deutschland gesetzlich streng reglementierte – | |
| Torfabbau nimmt ab, während der Markt für Gartenerde und Zierpflanzen | |
| wächst. Die Lücke füllen Torfimporte. | |
| Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sieht diese Entwicklung kritisch. In | |
| Deutschland werde Torf „v[2][or allem auf landwirtschaftlich genutzten | |
| Torfstandorten abgebaut“. Bei Importen könne der Torf „auch aus | |
| sogenannten heile Haut Flächen stammen“, aus noch weitgehend intakten, | |
| ökologisch wertvollen Mooren“], so das BfN. Aus Sicht des Natur- und | |
| Klimaschutzes entstehe so ein noch größerer Schaden. | |
| ## Im Hobbygarten ist Torf zu ersetzen | |
| Die Branche braucht Alternativen, doch die sind schwer zu finden. „Für den | |
| professionellen Gartenbau ist Torf bislang nicht vollständig zu ersetzen“, | |
| sagt Bernhard Osterburg, der am bundeseigenen Thünen-Institut in | |
| Braunschweig zu dem Thema forscht. „Der Jahrhunderte oder gar Jahrtausende | |
| alte Torf ist nahezu frei von Krankheitserregern und Schadstoffen, er hat | |
| einen gleichbleibenden, geringen Nährstoffgehalt und ist ein idealer | |
| Wasserspeicher“, sagt Osterburg. | |
| Wer Tomaten, Gurken oder Weihnachtssterne züchtet, mischt zu dem Torf die | |
| benötigten Nährstoffe hinzu, um das perfekte Substrat für die jeweilige | |
| Pflanze zu erhalten. „Das ist Präzisionslandwirtschaft“, sagt Osterburg. | |
| Daher bestünden die im Erwerbsgartenbau verwendeten Substrate noch immer zu | |
| 80 Prozent aus Torf. Vergleichsweise einfach wäre hier ein Ersatz von bis | |
| zu 50 Prozent, sagt Osterburg. | |
| Gartenerden für Hobbygärtner bestehen bislang noch zur Hälfte aus Torf, | |
| hier könne man ihn sogar sofort ganz weglassen, meint der Wissenschaftler. | |
| Die Industrie sei aufgeschlossen, sagt Testroet vom IVG, doch mögliche | |
| Alternativen brächten andere Probleme mit sich. Kompost aus der Biotonne | |
| komme für Substrate nicht in Frage, weil er durch Fehlwürfe viel Plastik | |
| enthalte. Verwendet werden könne nur solcher aus Grünschnitt. Doch auch | |
| dieser enthalte schwankende und häufig zu hohe Nährstoffgehalte und sei | |
| nicht überall verfügbar. | |
| Der gut geeignete Ersatzstoff Holz oder Rinde hingegen ist derzeit, wenn | |
| überhaupt, nur zu hohen Preisen zu bekommen. „Hier stehen wir in direktem | |
| Wettbewerb mit der subventionierten Energiebranche und ihren | |
| Holzfeuerungswerken, da können wir preislich nicht mithalten“, sagt | |
| Testroet. | |
| Geforscht wird an Ersatzstoffen aus dem Moor. So lassen sich in sogenannten | |
| Paludi-Kulturen Torfmoose mit ähnlichen Eigenschaften wie der fossile | |
| Rohstoff anbauen. Bis zu ihrer Marktfähigkeit benötigen sie wohl noch | |
| deutliche staatliche Unterstützung, ebenso wie Gärprodukte aus | |
| Biogasanlagen. „Diese Alternativen sind interessant“, sagt Lobbyist | |
| Testroet, „aber gegenüber dem Torf in der Herstellung zu teuer und damit | |
| noch nicht wettbewerbsfähig“. | |
| „Torf ist zu billig“, sagt hingegen Felix Grützmacher, Moorexperte des | |
| Deutschen Naturschutzbundes (Nabu). Er schlägt vor, den Herstellern von | |
| Substraten Beimischungsquoten vorzuschreiben. „So müssten sie Schritt für | |
| Schritt ihre Torfanteile reduzieren.“ Man könnte Torf für den Gartenbau | |
| auch in den Emissionshandel einbeziehen oder durch eine Klimaabgabe | |
| verteuern, sagt Osterburg vom Thünen-Institut. Man sehe im Energiesektor, | |
| dass dadurch Alternativen wettbewerbsfähiger werden. Einig sind sich die | |
| Experten, dass eine deutsche Sonderlösung wenig bringe, weil der Markt für | |
| Torf, Gemüse und Blumen europäisch sei. | |
| 29 Sep 2022 | |
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| Heike Holdinghausen | |
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