# taz.de -- Klimaschädlicher Torfabbau: Die Stecher aus Irland | |
> In Irland nutzen Millionen Menschen Torf als Wärmequelle. Für das Klima | |
> ist das katastrophal – dennoch wird der Rohstoff weiter abgebaut. | |
Bild: Torf-Briketts werden von den Einwohnern für den privaten Gebrauch als He… | |
DUBLIN taz | Irland war auf einem guten Weg. Die Regierung hatte den | |
kommerziellen Abbau und die kommerzielle Verbrennung von Torf verboten. | |
Seit 2019 subventioniert sie keine Torfkraftwerke mehr. Irlands | |
Torfbehörde, die halbstaatliche Bord na Móna, hat das letzte Torfkraftwerk | |
Ende 2020 stillgelegt und baut nicht mehr industriell ab. | |
Aber Umweltminister Eamon Ryan von den Grünen ließ ein Hintertürchen offen. | |
Falls es zu [1][Engpässen bei der Stromversorgung] kommen sollte, könnte | |
das Kraftwerk wieder ans Netz gehen, verkündete er. Und auch das für den | |
vergangenen Herbst geplante Verbot des privaten Torfstechens kam nicht | |
zustande, nachdem vor allem die Abgeordneten der ländlichen Wahlkreise im | |
Parlament aufgeschrien hatten. | |
Die Torfstecherei spielt in der irischen Tradition und Kultur eine wichtige | |
Rolle. Lange war das ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Noch in den | |
1960er Jahren lieferten Torfkraftwerke 40 Prozent des Stroms. Für das Klima | |
und die Umwelt war und ist das ein Riesenproblem: Ein Torffeuer ist die | |
schädlichste legale Art zu heizen. Die Europäische Umweltagentur schreibt | |
in einem Bericht von 2020 beinahe sarkastisch: Noch klimaschädlicher als | |
das Torffeuer sei nur das illegale Verbrennen von Plastikmüll im Kamin. | |
Der [2][Schaden für die Umwelt] entsteht nicht erst beim Verbrennen des | |
Sediments. Die Trockenlegung jedes Hektars Moorboden bedeutet einen Ausstoß | |
von 2 Tonnen CO2 im Jahr. Das entspricht etwa einer 30.000 Kilometer langen | |
Autofahrt mit einem Verbrennermotor. Zudem ist Torf nicht nur schädlicher | |
als Kohle, sondern auch weniger effizient. | |
## Torf stechen hat Tradition | |
Um zu verstehen, warum sich Irland trotzdem so schwer mit dem Abschied von | |
der energetischen Nutzung tut, lohnt ein Blick in die Historie. Die Arbeit | |
in den Torfgruben wird von vielen Menschen als Teil der irischen Identität | |
begriffen und in Gedichten und Liedern besungen. Dabei ist sie mühsam. Mit | |
einem L-förmigen Spaten, auf Irisch „sleán“, müssen die sogenannten | |
Torfsoden aus dem Moor gestochen und auf dem Boden zum Trocknen ausgelegt | |
werden. Nach regelmäßigem Wenden werden sie schließlich kunstvoll in | |
kleinen Garben aufgeschichtet, damit der Wind durch sie hindurchpfeifen | |
kann, um sie weiter durchzulüften. | |
Der Lohn für die Arbeit, bei der meist die ganze Familie mithilft, ist ein | |
Feuer im Kamin, das einen angenehmen Geruch verbreitet und Emotionen weckt: | |
Torffeuer waren schon vor tausend Jahren die wichtigste Heizquelle in | |
Irland. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die große Hungersnot ausbrach, waren | |
die Menschen zu schwach, um Torf zu stechen und einen Vorrat für den Winter | |
anzulegen. Sie verbrannten getrockneten Kuhmist, Zigtausende erfroren im | |
bitterkalten Winter 1846/47. | |
Bord na Móna hat den industriellen Torfabbau und die Verwertung – jährlich | |
mehr als 5 Millionen Tonnen – seit 1933 betrieben. Für den Transport hatte | |
das Unternehmen ein dichtes Schmalspurschienennetz gebaut, in den Mooren | |
wurden Feldbahnen verlegt, deren Gleise dem Abbau folgten. Mit mehr als | |
2.000 Kilometern war das Schienennetz länger als das der nationalen | |
Eisenbahngesellschaft. Damit war Bord na Móna einer der größten | |
industriellen Bahnbetreiber Europas. | |
Nach dem Ende des kommerziellen Torfabbaus stand das Unternehmen kurz vor | |
dem Konkurs. Inzwischen schreibt man wieder schwarze Zahlen, 2021 lag der | |
Gewinn vor Steuern bei 28 Millionen Euro. Grund dafür ist zum einen die | |
neue Strategie „von braun nach grün“: Bord na Móna hat in erneuerbare | |
Energien, vor allem in Windkraftanlagen, investiert – und Stellen | |
gestrichen. Noch 1980 arbeiteten 7.100 Festangestellte und Tausende | |
Teilzeitkräfte bei dem Unternehmen, heute sind es noch 1.200. | |
## Privater Torfabbau geht weiter | |
Dass es fast noch schwieriger ist, die private Torfnutzung abzustellen, | |
liegt vor allem an der Bevölkerung auf dem Land. Laut der irischen | |
Statistikbehörde wird in 14 Prozent der irischen Haushalte immer noch Torf | |
verbrannt, für 4 Prozent ist es die einzige Wärmequelle. Das betrifft vor | |
allem ältere Häuser in den ländlichen Regionen. | |
Michael Fitzmaurice, ein parteiloser Abgeordneter und Vorsitzender des | |
Verbands der Torfstecher, sagte: „Es ist jetzt nicht der richtige Moment, | |
unsere unabhängige Energiequelle zu verbieten. Mein Gott, das ergibt doch | |
keinen Sinn.“ Tim Lombard von der Partei Fine Gael, die mit Fianna Fáil und | |
den Grünen die Koalitionsregierung bildet, sagte, es erwecke den Eindruck, | |
dass „die Dublin-zentrierte Politik eine der letzten Bastionen des | |
ländlichen Irland“ zerstören wolle. | |
Um eine Revolte der Hinterbänkler zu vermeiden, hat man sich 2022 auf einen | |
Kompromiss geeinigt. Haushalte auf dem Land dürfen weiterhin Torf stechen, | |
ihn verbrennen und in kleinen Mengen auch an Nachbarn verkaufen. Das Verbot | |
gelte nur dem kommerziellen Verkauf von rußigem Brennmaterial, erklärte | |
Ryan. Wer ein Stück Moor und eine Abbaugenehmigung von Torf besitze, könne | |
einfach weitermachen: „Wir stecken eure Oma doch nicht ins Gefängnis, wenn | |
sie Torf vom benachbarten Moor verbrennt.“ | |
Leo Varadkar, der Chef von Fine Gael und stellvertretende Premierminister, | |
sagte, ein Verbot der individuellen Torfstecherei sei vergleichbar mit dem | |
Verbot von Pasta in Italien oder dem Verbot von Wein in Frankreich. | |
Umweltexperten wie der Klimaforscher Professor John Sweeney von der | |
Universität Maynooth sind nicht glücklich mit der Regelung. Zu Varadcars | |
Äußerung sagt Sweeney: „Das ist ein irreführender Vergleich. Die Produktion | |
von Pasta und Wein tötet niemanden.“ An der Luftverschmutzung durch Torf | |
und andere rußige Materialien würden aber aber jährlich 1.300 Menschen in | |
Irland sterben. | |
## Mehr Moore müssten bewässert werden | |
Auch wenn Bord na Móna die eigenen Moore bewässert, um sie wieder zu | |
CO2-Speichern zu machen, gibt es noch 600.000 Hektar trockengelegter Moore, | |
für die es keine Bewässerungspläne gibt. Catherine O'Connell, die | |
Direktorin des Irischen Verbands für die Erhaltung der Moore, sagte, die | |
Zerstörung der Moore sei das irische Äquivalent zum brennenden oder | |
[3][abgeholzten Amazonas]: „Die Moore sind unser Regenwald.“ | |
Fiona Conlon, die eine Lizenz zum Torfstechen besitzt, meint hingegen: „Die | |
Leute denken, wir seien Gauner. Es geht aber um unsere Identität. Die | |
Menschen helfen einander beim Torfstechen, sie haben Spaß dabei, es ist | |
unsere Tradition, unser Lebensstil. Ich liebe das Moor. Meine Vorfahren | |
haben für dieses Land gekämpft. Ich werde nicht aufgeben.“ | |
2 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Strom--und-Gasknappheit-in-Irland/!5902451 | |
[2] /Abkommen-zum-Schutz-der-Artenvielfalt/!5900896 | |
[3] /Indigene-in-Brasilien-unter-Bolsonaro/!5609058 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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