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# taz.de -- Nachruf auf Martin Kaltwasser: Bilder des Übergangs
> Ressourcen zu schonen, Gefundenes umzuwandeln, Nutzbares weiterzugeben:
> Das waren Themen des Berliner Künstlers Martin Kaltwasser.
Bild: Martin Kaltwasser, Februar 2019, bei der Aktion „Platz da für meinen S…
Lachend steht er vor dem Trümmerhaufen und hält eine Holzlatte hoch. Das
Foto von Martin Kaltwasser stammt aus der Aktion „Trash your house“ von
2009, die Martin Kaltwasser mit seiner langjährigen Kunstpartnerin Folke
Köbberling in der Nähe von Linz inszeniert hatte. Mit Helfern hatten
Köbberling & Kaltwasser das Holzhaus an einer Bergkante aufgebaut und dann
über den Abgrund geschoben: Ein Bild der Beschleunigung von
Erosionsvorgängen, der klimatischen Bedrohung von Dörfern in den Alpen und
auch ein Bild zerschredderter Immobilienträume.
Am 30. Oktober ist der Berliner Künstler Martin Kaltwasser mit 57 Jahren
gestorben, beim Joggen im Tiergarten. „Ja, ich und einige andere
Künstler:innen würden mit unserer Kunst immer noch gerne die Welt ein
wenig besser machen wollen“, zitiert ihn in einem [1][Nachruf das Kunsthaus
Kloster Gravenhorst]. Dort wurde gerade eine Ausstellung „Hidden Landscape“
beendet, zu der er eine raumgreifende Außeninstallation aufgebaut hatte.
Mit Gewächshäusern und einem zu einem Lastenfahrrad umgebauten Auto
enthielt sie wieder die Lebensthemen, die Kaltwasser in den Arbeiten mit
Folke Köbberling und seit 2013 als Solokünstler antrieben: Ressourcen zu
schonen, Material zu recyceln, spielerische Ideen zur Weiterverwendung von
gefundenen Materialien zu entwickeln.
Für das Interesse an ökologischen und partizipativen Projekten steht auch
seine letzte Arbeit in Berlin: 2020 baute er für die [2][Floating
University] am Rande eines Rückhaltebecken in Berlin-Kreuzberg aus
Fundmaterialien einen großen Pavillon, die Floating Sports Hall, die bis
2021 existierte.
Auf [3][seiner Website hielt er dazu fest], was ihm wichtig war: Die Halle
war „komplett ohne Geldmittel und nahezu emissionsfrei ausschließlich mit
recycelten Baustoffen“ gebaut worden, das „Material stammt von vergangenen
Kunstaktionen, von illegalem Sperrmüll, aus Baustellenabfallcontainern und
Restebehältern von Baufirmen, von Straßenrändern und Brachgrundstücken. Der
Materialtransport geschah mit 3 Lkw-Fuhren, ansonsten ausschließlich mit
Lastenfahrrad und Fahrradanhänger.“
## Gemeinschaften stiften
Wenig zu verbrauchen gehörte auch zu seiner Lebenspraxis. Wohnungen blieben
minimalistisch eingerichtet, er besaß kein Auto, nutzte Fahrrad und
öffentlichen Nahverkehr. Einige Jahre wohnte er mit Folke Köbberling und
zwei Kindern im Hansa-Viertel, zu dessen ursprünglichem Konzept auch
gemeinschaftlich zu nutzende Räume gehörten. Diese Idee war schon lange
unter die Räder gekommen, als sie dort lebten, ihre Wiederbelebung im
Rahmen von Festivals und Kunstaktionen war den beiden aber ein großes
Anliegen.
Wie überhaupt die meisten Installationen und Plattformen, die Martin
Kaltwasser als Künstler und Architekt plante und baute, immer auch nutzbar
waren für Treffen, Workshops oder Ausstellungsort zu Themen der
Nachhaltigkeit. So entstand 2014 in Berlin der Ding Dong Dom, in
Zusammenarbeit mit der Theatergruppe Showcase Beat Le Mot am Holzmarkt.
Seit 2019 war Martin Kaltwasser Professor an der TU Dortmund. Dort hatte er
sich zum Ziel gesetzt, den öffentlichen Raum auf dem Campus mit seiner
Arbeit zu verwandeln, dazu wird es nicht mehr kommen.
Das erste Bild auf seiner Website zeigt ein stillgelegtes Auto, die Reifen
schon abmontiert, bei Nacht in einem improvisierten, beleuchteten Carport.
Es ist eigentlich ein Zwischenschritt bei der Verwandlung „Car into
Bicycles“, aber auch sehr melancholisches Bild des Übergangs.
7 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.da-kunsthaus.de/nachruf-martin-kaltwasser/
[2] /Archiv-Suche/!5772157&s=Floating+University&SuchRahmen=Print/
[3] http://www.martinkaltwasser.de
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Nachruf
Künstler
Kunst Berlin
Ressourcen
Recycling
Lesestück Interview
Hamburger Kunsthalle
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