# taz.de -- Fußballtrainerin über ihre Berufswahl: „Es gibt auch gute Männ… | |
> Vor dem Spiel ihres SC Freiburg gegen den FC Bayern spricht Theresa Merk | |
> über ihre Visionen. Es könnte ruhig mehr Frauen auf der Bank geben, sagt | |
> sie. | |
Bild: Kritische Beobachterin: Theresa Merk beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt | |
taz: Frau Merk, Sie sitzen hier in der Lounge des Dreisamstadions, mit | |
Blick direkt hinunter auf den Rasen. Das sei ein bisschen Fußballromantik, | |
sagen Sie. Wie nähern Sie sich dieser Romantik seit Ihrem Einstieg beim SC | |
Freiburg in diesem Sommer denn jeden Tag? | |
Theresa Merk: Tatsächlich habe ich noch kein gutes Fahrrad. Aber ich bin | |
gerade dabei, mir eines auszusuchen. Das will im Schwarzwald auch wohl | |
ausgewählt sein – denn damit kann man hier ja einiges machen. Aber ich | |
wohne hier in Freiburg nur fünf Gehminuten vom Zentrum entfernt und brauche | |
mit dem Auto auch nur fünf Minuten zum Dreisamstadion. | |
Sie wollten schon als Schülerin Fußballtrainerin werden, haben dafür sehr | |
viel investiert. Wurde Ihnen das irgendwann auch mal zu viel? | |
Es gab für mich während meines Masterstudiums Sportmanagement einen | |
Zeitpunkt, wo ich mir dachte: Jetzt möchte ich ein Auslandssemester | |
angehen, möchte noch mal weg. Ich hatte alle Klausuren abgeschlossen – und | |
es ging mir einfach nur um das Thema Sprache, darum, in einem anderen Land | |
zu sein. Noch mal etwas zu erleben, bevor man in die Berufswelt einsteigt. | |
Ich wollte mal das machen, was die anderen immer machen. Wenn zum Beispiel | |
Sommersemesterferien waren, hatte ich immer Fußballvorbereitung. | |
Haben Sie dieses Auslandssemester letztlich gemacht? | |
Mehr oder weniger auf dem Weg dahin bekam ich vom Fußballverband | |
Mittelrhein ein Jobangebot als Verbandssportlehrerin. Für das | |
Auslandssemester war alles gebucht, ich hatte ein Zimmer in Molde. Doch | |
wegen des Angebots habe ich drei Wochen vorher alles abgeblasen und im | |
August 2016, anstatt nach Norwegen zu fliegen, einen Job angefangen. Auch | |
weil mir klar war: Es gibt für Berufseinsteigerinnen nach der Uni nicht so | |
viele hauptamtliche Jobs im Fußball. Und diese Chance muss ich jetzt | |
ergreifen. | |
Haben Sie Ihre Entscheidung mal bereut? | |
Nein. Ich wäre super gerne für ein halbes Jahr in Norwegen gewesen. Aber da | |
ich jetzt hier sitze, habe ich es aus beruflicher Sicht nie bereut. | |
Nationalstürmerin Alexandra Popp glaubt, dass Freiburg die Arrivierten | |
Ihrer Branche – [1][Wolfsburg und Bayern München] – ärgern könnte. Sehen | |
Sie Ihren Verein dafür schon bereit? | |
Klar ist das unser Ziel. Dass wir diese Klubs, wenn nicht jetzt in meiner | |
ersten Saison hier, zumindest auf Strecke gesehen ärgern können. Von | |
An-sie-herankommen zu sprechen, wäre zu viel. Weil [2][der Abstand zu | |
Wolfsburg], zu den Bayern mittlerweile einfach wahnsinnig groß ist. Er ist | |
fast uneinholbar, wenn man nicht auf einmal extrem viel Geld investieren | |
würde. Das passt aber auch nicht zu Freiburg, so tickt der Verein nicht. | |
Und das ist auch völlig in Ordnung – weil ich mich mit den Werten des | |
Vereins gut identifizieren kann. | |
An diesem Samstag empfängt Freiburg die Bayern zum Verfolgerinnen-Duell. | |
Ist das eines der Spiele, vor denen es in Ihrem Kopf besonders rappelt? | |
Auf jeden Fall. Wobei die wichtigeren Spiele für mich immer die gegen die | |
vermeintlichen direkten Konkurrenten sind. Denn gegen München – da erwartet | |
eh keiner, dass wir gewinnen. Das sind geile Spiele, auf die ich mich immer | |
freue. Denn eigentlich hat nur Bayern etwas zu verlieren, wir können an dem | |
Spieltag nur gewinnen. Und das ist cool – wenn man befreit aufspielen kann. | |
Vor dem Engagement in Freiburg waren Sie ein Jahr lang beim Grasshopper | |
Club Zürich. Wie groß sind die Unterschiede zwischen den beiden Vereinen? | |
Hier in Freiburg ist es schon deutlich besser. Die Grasshopper haben einen | |
großen Campus für alle Teams, dementsprechend haben auch alle dieselbe | |
Infrastruktur. Bis auf die Männer, die haben ihren eigenen Kabinentrakt. | |
Trotzdem: Wenn es zum Beispiel darum geht, wann man den Kraftraum benutzen | |
kann, wie die Platzbelegungsmöglichkeiten sind, oder ob man, wie wir jetzt | |
hier, sein eigenes zu Hause hat, in dem man auf alles beliebig zugreifen | |
kann – dann ist das natürlich ein Riesenschritt in Richtung | |
Professionalität. | |
Hatten Sie in Ihrer bisherigen Trainerinnenkarriere das Gefühl, als Frau | |
mehr Aufwand treiben zu müssen als der eine oder andere Mann – um ähnlich | |
weit zu kommen? | |
Ähm … es ist insofern schwieriger, weil man als Frau einfach weniger | |
Jobaussichten hat. Als Mann kann man in allen Bereichen arbeiten: bei den | |
Frauen, in der Jugend, bei den Männern, beim Verband. Und wenn man ganz | |
ehrlich ist, muss man sagen: Der Männerbereich ist für Frauen im Moment | |
einfach zu. Punkt. Keine von den Frauen, die es bisher versucht haben, hat | |
es geschafft, sich in dem Bereich zu halten. | |
Beim Fußballlehrerlehrgang, den Sie 2019 abgeschlossen haben, waren Sie die | |
einzige Frau. Haben Sie sich dort akzeptiert gefühlt? | |
Ich muss wirklich sagen: Je höher die Lizenzstufe wurde, umso weniger blöde | |
Sprüche gab es. Weil alle wussten: Hey, du musst ein gewisses Level | |
mitbringen, um überhaupt hier zu sein. Trotzdem wird man als Frau natürlich | |
erst mal geprüft. Als ich meine erste Lehrprobe gehalten habe, wurde anders | |
hingeschaut als bei irgendeinem der Kollegen. Dasselbe galt aber auch für | |
die Ex-Nationalspieler, die wir dabei hatten. In dem Lehrgang gab es im | |
Nachgang immer Feedbackrunden. Dabei sagte ein Kollege, er sei am Anfang | |
zwar nicht skeptisch gewesen. Aber er wollte schon gucken: Hey, geht das | |
überhaupt? Kann die mit uns mithalten? Und nach den ersten zwei, drei | |
Stunden sei dann klar gewesen, dass das überhaupt kein Thema ist. | |
Wer war das? | |
Cristian Fiél (lacht). Der war mit seiner spanischen Art emotional dann | |
doch immer ein bisschen der … | |
… Macho. | |
Das haben Sie gesagt (lacht laut). Das ist nicht mein Zitat. | |
In der Bundesliga gibt es nur zwei Trainerinnen. Stört Sie das? | |
Ich bin ein großer Fan von Heterogenität. Deshalb finde ich es auch gut, | |
wenn sowohl Männer als auch Frauen da sind. Weil es am Ende nicht um das | |
Geschlecht geht, sondern um das Fachliche, um die Leistung. Und es gibt | |
definitiv auch gute Männer. Trotzdem finde ich es extrem schade, dass es | |
so lange gedauert hat, bis wir jetzt überhaupt mal zwei Frauen in der | |
Frauen-Bundesliga sind. | |
Hatten Sie denn weibliche Kolleginnen im Kopf, die Sie gerne mit nach | |
Freiburg geholt hätten? | |
Es gab schon zwei, bei denen ich mir das sehr gut hätte vorstellen können. | |
Aber man muss halt auch immer schauen: Wie ist die Bezahlung auf so einem | |
Posten? Was machen die Leute aktuell? Und lohnt es sich, dass sie ihren | |
Lebensmittelpunkt aufgeben, um hierher zu kommen? | |
An das extrem abgehobene Konstrukt Männerfußball … | |
… kommt ja eh keiner ran … | |
… und will der Frauenfußball womöglich ja auch gar nicht herankommen. | |
Sondern eine eigene, langsamere, kontinuierliche Entwicklung verfolgen. Wie | |
sehen Sie das? | |
Es ist allgemein schwer, sich am Männerfußball zu orientieren, weil es | |
einfach fernab von allem anderen und mittlerweile ein so wahnsinniges | |
Geschäft geworden ist. Trotzdem: Sukzessive entwickeln, ist extrem wichtig, | |
das gilt gerade für die Liga. Und da sehe ich schon einen Anknüpfungspunkt: | |
Wir haben doch noch viele Vereine, die unter dem Dach von großen, | |
etablierten Männerklubs laufen, die die Frauenabteilung aber sehr | |
stiefmütterlich behandeln. Da kann dem Ganzen innerhalb des Vereins schon | |
mehr Bedeutung beigemessen werden. | |
Wie finden Sie es in dem Zusammenhang, dass große Männervereine wie | |
Dortmund und Schalke den Weg gewählt haben, ihre Frauenteams ganz unten in | |
der Kreisliga B anfangen zu lassen? | |
(lacht dezent) Hm, hm. Also da bin ich zwiegespalten. Weil es für die | |
Vereine natürlich ein einfacher Weg ist. Sie müssen jetzt erst einmal vier | |
Jahre lang eigentlich sehr, sehr wenig investieren – bis sie überhaupt erst | |
mal in Gefilde kommen, wo es um ein bisschen was geht. In dieser Zeit kann | |
man sich das ganz gut anschauen: Okay, wo ist der Frauenfußball in vier | |
Jahren? Ist der schon wieder halb vorbei, ist er abgeflacht? Müssen wir | |
überhaupt noch? Wie machen wir weiter? Deshalb hält man sich mit so einer | |
Vorgehensweise schon mal viel offen. | |
Was erhoffen Sie sich – sagen wir für die nächsten zehn Jahre – für den | |
Frauenfußball? Gerade nach der sehr erfolgreichen EM in diesem Sommer. | |
Für den Frauenfußball wünsche ich mir ein kontinuierliches Wachstum – das | |
sich irgendwann aber auch selber rechtfertigt. Eines, das nicht nur | |
irgendwie von außen gepusht ist. Sondern eines, das es gibt, weil die Leute | |
Bock haben, Frauenfußball zu gucken. Weil es eine coole Atmosphäre ist, | |
weil man diesen Sport einfach schätzt. Und ich wünsche mir, dass viel mehr | |
Spielerinnen in der Bundesliga Fußball auf einem professionellen Niveau | |
betreiben können, was die Bezahlung angeht. Weil es einfach einen | |
Unterschied macht, ob ich acht Stunden im Büro bin und dann Fußball spiele. | |
Oder ob das einfach mein Job ist. | |
5 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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