# taz.de -- Bundeskabinett zum Kohleausstieg: Der neue Deal mit RWE | |
> Der Kohleausstieg des Konzerns verschiebt sich – erst nach hinten, später | |
> nach vorn. In Lützerath hofft man noch auf Rettung. | |
Bild: Von Klima-Aktivist:innen besetzte Gebäude in Lützerath am 7. Oktober | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung hat ihren neuen Deal mit dem | |
Energiekonzern RWE auf den Weg der Gesetzgebung gebracht. Dadurch ergeben | |
sich Änderungen beim Kohleausstieg: Der Konzern soll zwei Blöcke des | |
Braunkohlekraftwerks Neurath weiterlaufen lassen, die eigentlich Ende 2022 | |
vom Netz gehen sollten, um das Klima einigermaßen stabil zu halten. | |
Hintergrund ist der im Kern vor allem durch Russlands Krieg gegen die | |
Ukraine verursachte Gasmangel. | |
Die zwei Blöcke sollen nun bis Ende März 2024 in Betrieb bleiben, eine | |
weitere einjährige Verlängerung ist möglich. Dafür sollen zwei andere | |
Neurath-Blöcke sowie ein Block des Kohlekraftwerks Niederaußem früher | |
abgeschaltet werden, nämlich 2030 [1][statt 2038]. | |
Bekannt sind die Pläne schon seit Anfang Oktober, als sich Robert Habecks | |
(Grüne) Bundeswirtschaftsministerium, das nordrhein-westfälische | |
Wirtschaftsministerium und RWE geeinigt hatten. Jetzt hat der Rest der | |
Bundesregierung dem Deal zugestimmt und sich auf eine „Formulierungshilfe | |
für einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Braunkohleausstiegs im | |
Rheinischen Revier“ geeinigt. | |
Habeck hatte im Oktober von einem „Meilenstein für den Klimaschutz“ | |
gesprochen – obwohl Teil des Deals eben auch der längere Betrieb zweier | |
Kraftwerksblöcke ist und im Lausitzer Kohlerevier weiterhin 2038 als Datum | |
für den Kohleausstieg gilt. Dem Minister zufolge soll die Bilanz fürs Klima | |
trotzdem gut sein. „Wir sparen damit 280 Millionen Tonnen Braunkohle und | |
also rund 280 Millionen Tonnen CO2“, so Habeck. Das entspricht der Menge an | |
Treibhausgas, die Deutschland aktuell in knapp über vier Monaten ausstößt. | |
## Umweltschützer: „Deal zu teuer erkauft“ | |
Klimaschutzorganisationen ist das zu wenig – auch weil denkbar ist, dass | |
die Konzerne ihre Kohlekraftwerke wegen der steigenden Kosten im | |
Europäischen Emissionshandel ab 2030 freiwillig vom Netz nehmen. „Das | |
symbolische Vorziehen des Kohleausstiegs auf das Jahr 2030 bringt nichts, | |
solange sich nicht die Kohlemengen verringern“, sagt Karsten Smid von | |
Greenpeace. „Es geht um die absolute Menge an Kohle, die noch in den | |
Kraftwerken von RWE verfeuert wird.“ | |
Das sieht auch BUND-Chef Olaf Bandt so. „Das Kohleabkommen mit RWE darf so | |
nicht umgesetzt werden“, sagt er. „Die Bereitschaft von RWE, in den | |
Kohleausstieg 2030 einzuwilligen, ist zu teuer erkauft.“ | |
Der Klimabewegung ist wichtig, dass der Ort Lützerath nicht weichen muss. | |
Das ist aber weiterhin vorgesehen. Die ursprünglichen Bewohner:innen | |
sind längst fast vollständig umgesiedelt. Dafür hat sich allerdings die | |
Klimabewegung angesiedelt und das Dorf zu einem Protestcamp sowie einem | |
Symbol für den Kohleausstieg gemacht. | |
Teil des Deals zwischen Regierung und RWE ist aber die Rettung anderer | |
Ortschaften, in denen die Pläne zur Abbaggerung noch nicht ganz so weit | |
fortgeschritten sind. Es handelt sich um Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, | |
Unterwestrich und Berverath. | |
Diese Dörfer waren Gegenstand [2][eines Skandals um die vorherige | |
Bundesregierung]. Die hatte bei der Planung des Kohleausstiegs nämlich | |
unter anderem ein Gutachten dazu beauftragt, ob die fünf Orte überhaupt | |
noch verschwinden müssen. Die Beratungsfirmen BET und EY waren darin zu dem | |
Schluss gekommen, dass schon eine veränderte Reihenfolge bei der | |
Abschaltung der Kohlekraftwerke die Dörfer erhalten könne. | |
Das Bundeswirtschaftsministerium, damals unter CDU-Politiker Peter | |
Altmaier, ließ das Gutachten aber erst veröffentlichen, als das | |
Kohleausstiegsgesetz schon monatelang beschlossen und das Schicksal der | |
Orte besiegelt war. Das sieht jetzt anders aus. Entsprechend würden ab | |
sofort keine Umsiedlungen mehr gegen den Willen der Betroffenen erfolgen, | |
hieß es beim Wirtschaftsministerium. | |
Dasselbe wünschen sich Klimaaktivist:innen für Lützerath. „Unter dem | |
Dorf liegen die dicksten Kohleflöze des Tagebaus Garzweiler II in NRW“, | |
sagte Dorothee Häußermann von der Anti-Kohle-Initiative Alle Dörfer | |
bleiben. „Die müssen im Boden bleiben oder wir sprengen das deutsche | |
CO2-Budget für die 1,5-Grad-Grenze der Klimaerhitzung. Dass nun | |
ausgerechnet die Grünen den Abriss des Dorfes besiegeln, ist bitter.“ | |
2 Nov 2022 | |
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[1] /Ausstiegsplan-nimmt-letzte-Huerde/!5693720 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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