# taz.de -- Vermeintliche Flyer von Wintershall Dea: „Abkehr vom Gasgeschäft… | |
> Fake-Flyer mit Logos von Wintershall Dea suggerierten, der Konzern wolle | |
> Gewinne aus dem Russland-Geschäft an die Bevölkerung abgeben. Was ist | |
> dran? | |
Bild: Zeitgleich protestieren in Berlin die Deutsche Umwelthiilfe und die Organ… | |
FREIBURG taz | Dick aufgetragen, aber kreativ: Eine Kasseler Initiative | |
brachte am Dienstag eine vermeintliche Pressemitteilung des [1][Öl- und | |
Gaskonzerns Wintershall Dea] in Umlauf. Danach sollte das Unternehmen | |
beschlossen haben, seinen gesamten Halbjahresgewinn an die Einwohner der | |
Stadt Kassel auszuschütten, damit diese „unbeschwert durch den Winter | |
kommen“. Im Rahmen eines „bundesweit bislang einmaligen Pilotprojekts“ ge… | |
es nun 7.500 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Zuvor waren auch schon Flyer | |
ähnlichen Inhalts in Kassel aufgetaucht. | |
Die fiktive Pressemitteilung enthielt darüber hinaus eine umweltpolitische | |
Botschaft: Wintershall Dea plane eine „strategische Neuausrichtung auf | |
nachhaltige Fernwärme und Abkehr vom Gasgeschäft“. Alle Mitarbeiter würden | |
umgeschult. Weltweit würden künftig „keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr | |
begonnen“. Es stehe zudem der „Rückbau der umstrittenen Fracking-Projekte | |
in Argentinien“ an, und auch „die durch Ölunfälle im Eis gefährdete | |
Arktis-Sparte“ solle „schrittweise abgewickelt“ werden. | |
Wintershall Dea erklärte daraufhin, in der Stadt der weltweit bedeutendsten | |
Ausstellung für zeitgenössische Kunst, der Documenta, seien zwar „Kunst und | |
kreativer Protest zuhause“, mit den Fake-Flyern und der | |
Fake-Pressemitteilung verletzten die bislang unbekannten Urheber allerdings | |
Grenzen. Hätten sie doch unerlaubt das geschützte Unternehmenslogo genutzt, | |
um falsche Informationen zu verbreiten: „Daher behalten wir uns rechtliche | |
Schritte gegen die Verantwortlichen vor.“ | |
Mit der fingierten Mitteilung nichts zu tun haben wollen die | |
Umweltorganisationen Urgewald und Deutsche Umwelthilfe (DUH), wie beide | |
auf Nachfrage erklärten. Beide hatten zeitgleich mit der Guerilla-Aktion | |
den Gaskonzern auf dem üblichen Weg – also mit eigenen Pressemitteilungen – | |
aufgefordert, seine Russlandgeschäfte sofort zu beenden. Wintershall Dea | |
trage „mit einem Großteil seiner Geschäfte zur Finanzierung von Putins | |
Machtapparat bei“. Das Unternehmen habe in den ersten drei Quartalen dieses | |
Jahres 320 Millionen Euro Steuern an den russischen Staat gezahlt. | |
## „Hinfällig gewordene Ausreden“ | |
Sonja Meister, Energie-Kampaignerin von Urgewald, legte dem Konzern nahe, | |
er möge „alle diesjährigen Profite aus dem Russlandgeschäft für den | |
Wiederaufbau der Ukraine zur Verfügung stellen“. Sascha Müller-Kraenner, | |
Bundesgeschäftsführer der DUH, sagte, die „Ausreden“ des Unternehmens, | |
seine Öl- und Gasgeschäfte in Russland dienten der Versorgung Europas, | |
seien „mit der Zerstörung von drei Strängen der Nord Stream-Pipelines | |
endgültig hinfällig geworden“. Es gehe „allein um blutige Profite für | |
Wintershall Dea und das russische Staatsunternehmen Gazprom, mit dem | |
Wintershall Dea gemeinsam produziert“. | |
Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Mario Mehren, verkündete am Dienstag | |
für das dritte Quartal einen Nettogewinn von 851 Millionen Euro | |
(Vorjahreszeitraum 234 Millionen). Er sagte, der russische Angriffskrieg | |
gegen die Ukraine sei auch für sein Unternehmen ein Wendepunkt gewesen. | |
Innerhalb weniger Tage nach Kriegsbeginn habe man sich gegen neue Projekte | |
in Russland entschieden; es gebe keine Basis mehr für | |
Wirtschaftsbeziehungen, weil das Land in jeder Hinsicht unberechenbar | |
geworden sei. | |
„Wir prüfen nun, ob das internationale Geschäft der Wintershall Dea | |
rechtlich von unserem Russlandgeschäft getrennt werden kann“, so Mehren. | |
Wintershall Dea gehört zu 72,7 Prozent dem Chemiekonzern BASF und zu 27,3 | |
Prozent der Investorengruppe Letter One [2][des russischen Milliardärs | |
Michail Fridman, der auf der EU-Sanktionsliste steht]. | |
Unterdessen haben sich die Kasseler Urheber der angeblich von Wintershall | |
stammenden Pressemitteilung noch nicht geoutet. Das dürfte sich am | |
kommenden Samstag ergeben. Dann nämlich werden um 14 Uhr am Platz vor dem | |
Kongress Palais, direkt neben der Firmenzentrale, vorgeblich die „Anträge | |
für das Gasgeld ausgegeben“ – im Rahmen eines „Herbst-Events“. | |
25 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kritik-an-Gasimporteuren/!5873303 | |
[2] /Russische-Oligarchen-in-Europa/!5871517 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
## TAGS | |
Energiekrise | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
DUH | |
Gaspreise | |
Strompreis | |
GNS | |
Fracking | |
Energiekrise | |
China | |
Gaspreise | |
Energiekrise | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erdgasförderung in Niedersachsen: Angst vor neuen Beben | |
Auch mit der neuen Regierung wird es wohl in Niedersachsen kein Fracking | |
mehr geben. Eine Initiative ist sich nicht ganz sicher, dass das so bleibt. | |
Treffen der EU-Energieminister: Preisdeckel ohne Wumms | |
Der gemeinsame Einkauf von günstigerem Gas stand im Vordergrund des | |
EU-Gipfels. Trotz sinkender Preise zahlen Verbraucher weiterhin extrem | |
viel. | |
Einstieg von China beim Hamburger Hafen: Kompromiss in Sicht | |
Der chinesische Staatskonzern Cosco soll beim Hamburger Hafenterminal | |
einsteigen dürfen. Allerdings zu einem geringeren Anteil als bisher | |
geplant. | |
Geplante Gaspreisbremse für 2023: Früherer Start gefordert | |
Wirtschaftsvertreter und Ministerpräsident wollen die Einführung | |
der Gaspreisbremse bereits zum 1. Januar. Bundeskanzler Scholz prüft das. | |
Wärmewende aus der Tiefe: Der Clou von Schwerin | |
Am Heizkraftwerk in Schwerin entsteht die Wärmeversorgung der Zukunft: eine | |
klimaneutrale Anlage für Erdwärme. Die hohen Gaspreise sorgen für einen | |
Aufschwung der Technik. |